Genial und revolutionär. Abgedreht und exzentrisch. Fanatisch und dickköpfig: Für seine Umwelt - Freunde, Kollegen oder Konkurrenten - ist Tadao Baba nicht eindeutig zu fassen. Einigkeit herrscht aber dann, wenn über sein Vermächtnis geurteilt wird. Zu einem Zeitpunkt, wo Sportmotorräder immer schneller wurden, gleichzeitig aber kaum noch zu beherrschen waren, wirkte Tadao Babas Entwurf der Honda Fireblade wie ein Ding aus einer anderen Welt. Indem der kleine Japaner mit allen Konventionen brach, definierte er zugleich eine fast schon allgemeingültige Vorlage für die zukünftige Gestaltung von Supersport-Motorrädern. Man sollte an dieser Stelle erwähnen, dass Baba kein gelernter Ingenieur ist: „Mein Traum war es, Testmaschinen für Honda zu fahren. Tatsächlich habe ich dann in der Fabrik in Saitama an Fräsmaschinen gestanden.“ 1962 heuert Baba bei Honda an, das Abitur in der Tasche, doch auf eine Uni-Ausbildung verzichtet der damals 18-jährige Honda Super Cup 50-Fahrer. Die ersten drei Jahre verlaufen monoton. Auf dem Tagesplan des jungen Fabrikarbeiters stehen Zylinderköpfe und Kurbelgehäuse für die CB 72 und CB 77, Hondas damalige Massengefährte. Doch 1965 soll sich das Leben von Tadao Baba schlagartig ändern: „Mein Traum wurde plötzlich wahr. Ich durfte als Testfahrer in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung arbeiten.“ Hintergrund des kometenhaften Aufstiegs: Baba fuhr in der japanischen 125er-Meisterschaft und galt als äußerst versierter Pilot, der es 1970 sogar zum Titelgewinn brachte.
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Porträt: Tadao Baba
Der Vater der Honda Fireblade
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Jedenfalls wird auch Honda-Boss Soichiro Honda auf den engagierten Rennfahrer Baba in seiner Firma aufmerksam: der Beginn einer lebenslangen, vertrauensvollen Freundschaft. Als Testfahrer für Honda soll Baba sich hauptsächlich um Handling und Stabilität sowie die Vergaserabstimmung kümmern. Doch der Autodidakt lernt schnell, fährt nicht nur Messergebnisse ein, sondern liefert zugleich die passenden Lösungen. Innerhalb weniger Jahre steigt Baba zum stellvertreten-den Projektleiter des Testcenters von Honda auf und ist ab 1972 für die Entwicklung der Straßen- und Geländemaschinen am Standort Hamamatsu mit zuständig.
Doch die eigentliche Krönung erfolgt erst 15 Jahre später, als Yoichi Oguma als verantwortlicher Leiter für das neue Superbike-Projekt zur firmeneigenen Rennabteilung HRC wechselte. Plötzlich liegt das Vorzeigeprojekt allein in der Hand von Tadao Baba: „Natürlich war ich verdammt nervös. Schließlich war das mein erstes Soloprojekt. Aber ich war auch zuversichtlich. Ich liebe es, mit Sportbikes unterwegs zu sein. Und es gibt nichts Größeres, als beim Fahren die absolute Kontrolle über das Bike zu haben. Damit stand auch mein Ideal fest: Mein Motorrad musste perfekt zu beherrschen, gleichzeitig aber auch leicht zu fahren sein.“
Baba kann auf einen großen Stab zugreifen. Um ihn herum arbeiten zeitweise bis zu 40 junge Ingenieure und Designer aus unterschiedlichsten Fachgebieten. Baba greift eine Vielzahl von Ideen auf und versucht, sie zu einem stimmigen Konzept zu bündeln. Strikte Vorgaben sind nur wenige vorhanden, selbst die Hubraum-Frage ist noch offen - die ersten Prototypen haben 750er-Motoren. Kompromisslos zeigt sich Baba aber beim Gewicht. 190 Kilo fordert der Projektleiter und ist unerbittlich - was ihm schließlich den Beinamen „Buddha Baba“ einträgt: „Rückblickend muss ich zugeben, dass ich hier sehr verbissen und auch zornig reagiert habe!“ So zum Beispiel bei der Gabel. In den 80er-Jahren werden Upside-down-Gabeln bei den Sportbikes modern. Baba argumentiert dagegen: Telegabeln sind leichter. Schließlich kommen bei der Ur-Blade konventionelle Gabeln zum Einsatz, die sich allerdings an die markante Form einer Upside-down-Gabel anlehnen.
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Honda CBR 900 RR Fireblade: Die Feuerklinge wurde 1992 auf die übergewichtige Big Bike-Welt losgelassen.
Im Sommer 1989 steht der erste Prototyp in Suzuka zur Erprobung bereit. Vor den Testfahrern verkündete Baba damals vollmundig: „Meine Herren, Sie werden heute ein Motorrad fahren, das einen neuen Maßstab im Supersport setzen wird!“ War er sich wirklich so sicher? Babas schlichte Antwort heute: „Die Ergebnisse entsprachen den Erwartungen … Während die Testfahrer der Reihe nach von der schieren Leistung des Prototyps förmlich hinwegkatapultiert werden, ist Baba überzeugt, dass das Konzept der Fireblade funktionieren wird.
Überhaupt ist Baba nicht der typische Ingenieur, der mit Klemmbrett und Kittel durch die Boxengasse eilt. Viel öfter ist er auf der Rennstrecke zu finden und liefert sich Duelle mit den Testfahrern, die für ihn allerdings allzu oft im Kiesbett enden. „Ich habe von meinem Ruf als Bruchpilot gehört“, schmunzelt Baba heute, „und manche in meinem Team sind der Ansicht, dass ich mit jedem Modell der Fire-blade gestürzt bin. Ich glaube aber, es waren nur vier oder fünf …
Vor genau 20 Jahren wird schließlich Babas erste Blade, das Modell SC28, vorgestellt - der Beginn einer Motorraddynastie, die bis heute andauert. Baba selbst bleibt bis zu seiner Pensionierung 2004 verantwortlich für das Projekt „FireBlade“. Das 2002er-Modell, die SC50 mit 954 cm³ Hubraum, ist die letzte Generation, die er selbst konstruiert: „Als ich das Projekt an Kyoichi Yoshii übergab, hatte ich das Gefühl, als ob mein Sohn zu Hause auszieht.“ Honda selbst ehrt Baba durch eine kleine, aber signifikante Änderung im Namen: Aus der „FireBlade“ wird die „Fireblade“ - bei den Bikes der Post-Baba-Ära wird das „b“ kleingeschrieben.
Und was macht der rüstige Pensionär mit seinen 68 Jahren heute? „Ich schreibe kleine Kolumnen für ein japanisches Motorradmagazin und spiele Golf. Aber Golf spielen ist schwer und Motorrad fahren so einfach, weshalb ich häufiger mit meiner 954er-Fireblade unterwegs bin - meiner Ansicht nach übrigens das Modell, das meinem Ideal eines Sportmotorrads am nächsten kommt.“
Doch da gibt es noch ein Gerücht, das dringend einer Aufklärung bedarf. Es heißt, dass Tadao Baba nach seiner Pensionierung heimlich in die Fertigung geschlichen ist, um künftigen Fireblade-Fahrern Nachrichten zukommen zu lassen. „Das stimmt“, lacht Baba-san, „aber nur bei 2004er- und 2005er-Modellen. Ich habe auf japanisch „Gute Fahrt“ und „Viel Spaß“ auf die Innenseite der Verkleidung geschrieben…“