Der "King of Cool" ist seit über 30 Jahren tot. Doch seine Popularität nimmt eher noch zu. Mit ein Grund dafür: Steve McQueen spielte nicht nur den Rennfahrer, er war tatsächlich Mr. Vollgas durch und durch.
Der "King of Cool" ist seit über 30 Jahren tot. Doch seine Popularität nimmt eher noch zu. Mit ein Grund dafür: Steve McQueen spielte nicht nur den Rennfahrer, er war tatsächlich Mr. Vollgas durch und durch.
„Der Kerl hat einen Millionen-Dollar-Körper! Und was macht er damit? Riskiert, dass andere ihn benutzen, um mit mehr Traktion um die Kurve zu kommen!“ Die ungläubige Faszination des Sprechers im Dokumentarfilm „On Any Sunday“ klingt nicht gespielt. „Wenn die Filmbosse in Hollywood wüssten, was der an einem Sonntagnachmittag so treibt…“ In Zeitlupe zeigt der Film dazu, wie Steve McQueen eine Husqvarna über die Wellen einer staubigen Motocross-Piste prügelt, beachtliche Sprünge hinlegt, durch Anlieger pflügt. Dabei trägt er Jethelm, Handschuhe, Lederhose und Stiefel. Als Oberkörperschutz musste 1971 ein Nierengurt über dem langärmeligen T-Shirt reichen.
In etlichen seiner oft legendär gewordenen Filmrollen verkörperte Steve McQueen genau das, was er im Privatleben war: ein Vollgas-Typ („Gesprengte Ketten“, „Bullitt“, „Le Mans …, siehe S. 105). Einer, der zwei Möglichkeiten kannte, ganz oder gar nicht, der am Lenker (oder Lenkrad) das Messer zwischen den Zähnen hatte. So zeigt ihn die folgende Sequenz der von McQueen mitproduzierten US-Motorradsport-Doku „On Any Sunday“ beim Zehn-Meilen-Querfeldein-rennen von Lake Elsinore in Kalifornien: Gemeinsam mit seinem Freund, dem US-Offroadrennfahrer Malcolm Smith, macht -McQueen seine Maschine selber startfertig. Während des Rennens ist er selten im Bild, wieder ist’s der Sprecher, der McQueen charakterisiert:
„Beim folgenden Rennen stürzte er, überschlug sich und brach sich den Fuß. Aber McQueen rappelte sich auf, fuhr weiter und wurde trotz gebrochenem Fuß Achter.“ Bei 1500 Startern. Ganz oder gar nicht. Entweder du beißt dich durch oder du gehst unter. Diese Lektion hat der 1930 in Indianapolis geborene Terrence Steven McQueen früh lernen müssen. Sein Vater, ein verkrachter Ex-Kampfflieger, verließ die Familie, noch bevor Steve laufen lernte. Als Junge erlebte er, wie grob diverse Liebhaber zu seiner Mutter sein konnten. Geborgenheit oder gar Liebe lernte er als Kind nicht kennen. Die Mutter ertränkte ihren Frust in Alkohol, schob ihren Sohn zu Großonkel Claude nach Missouri aufs Land ab. Als er zwölf war, holte sie ihn wieder zu sich, zog zu ihrem zweiten Mann nach Los Angeles. Wieder erlebt der Junge häusliche Gewalt und Prügel, auch und gerade am eigenen Leib, dieses Mal durch den Stiefvater. Der Teenager ist Legastheniker, hat Schwierigkeiten sich ein- geschweige denn unterzuordnen. Die schiefe Bahn scheint ihm vorgezeichnet: Mit 14 Jahren wird er beim Klauen von Radkappen erwischt und kommt in ein Heim für schwer erziehbare Jungen. Mit 16 muss McQueen auf eigenen Beinen stehen und findet seinen ersten richtigen Job. Er wird kurzzeitig Matrose auf einem Frachter in der Karibik. Wenig später meldet er sich als Marine-Soldat und beginnt eine Mechanikerausbildung. Auch in der Armee eckt er an, doch der hier erlernte Umgang mit Maschinen wird sein ganzes späteres Leben prägen. Nach seiner Entlassung aus der Navy versucht der junge Mann sich als Holzfäller in Kanada, arbeitet bei einer Ölbohrung in Texas und als Mechaniker in einer Werkstatt, angeblich in derselben, in der auch James Dean seine Motorräder warten lässt. Mit 21 schließlich zieht er nach New York, wo er für 19 Dollar pro Monat ein Zimmer ohne warmes Wasser mietet. Sein Ziel: Er möchte eine Ausbildung zum Fliesenleger absolvieren. Aber es kommt anders.
Durch ein Mädchen, eine Schauspielschülerin, kommt Steve McQueen auf die Idee, es auch mit Bühnenauftritten zu versuchen und meldet sich an derselben Schule an. Der Rest ist Kinogeschichte: von den Second Avenue-Theatern auf den Broadway, kleineren Fernsehrollen, von einer Hauptrolle in einer TV-Serie, Rollen neben Frank Sinatra und Paul Newman im Kino. 1960 schließlich spielt McQueen in „Die glorreichen Sieben“ Yul Brynner fast an die Wand.
Neile Adams, McQueens spätere erste Ehefrau, war ebenfalls Schauspielerin. In der von Arte ausgestrahlten Doku „Unwiderstehlich cool“ erinnert sie sich, wie McQueen Mitte der 50er-Jahre bei ihr in New York einzog: „Er hatte nur einen Koffer, seine Motorradsachen und ein großes Bushaltestellenschild.“
Bereits während es mit seiner Karriere von ganz unten steil nach oben geht, scheinen Motorräder für McQueen mehr als nur Fortbewegungsmittel gewesen zu sein. Bikes gehörten früh zu seinem Image und waren Fluchtmittel und Ventil. Neile Adams: „Er sah auf dem Motorrad umwerfend aus, fiel mit seinen blonden Haaren natürlich auf.“ In Interviews beschrieb McQueen später selbst, wie wichtig Motorradfahren für ihn war: Wirklich abschalten und die Welt vergessen könne er nur im Sattel (oder wahlweise am Lenkrad eines schnellen Autos). Konsequent, dass es denn auch eine Motorrad-Szene war, die ihn als Schauspieler endgültig in die Liga der Superstars katapultierte: der legendäre Sprung auf einer Triumph im Kriegsgefangenen-Drama „Gesprengte Ketten“ (1963).
Mit Ehefrau Neile war McQueen zwischenzeitlich von New York nach Los Angeles umgezogen. Dort, ein paar Kilometer nördlich von Hollywood, betrieben die Brüder Bud und Dave Ekins als Triumph-Händler einen Laden. 1961 tauchte McQueen dort auf und wollte ein offroadtaugliches Motorrad. Noch am gleichen Tag startete er mit Ladeninhaber Bud Ekins zu einer mehr als ausgedehnten Probefahrt auf einer Triumph Tiger 500 in Richtung Mojave-Wüste.
Ekins, wie McQueen Jahrgang 1930, war zu jener Zeit kalifornischer Wüsten-Meister, hatte internationale Offroadrennen bestritten und startete so gut wie jedes Wochenende bei Motocross- oder Wüsten-Rennen im Hinterland von L.A. Es muss der Beginn einer wunderbaren Freundschaft gewesen sein. 1962 nahm McQueen Ekins mit zum Dreh von „Gesprengte Ketten“ nach Deutschland ins Allgäu (beim Sprung über den Stacheldraht fuhr Ekins als Stuntman die als Wehrmachts-BMW kostümierte Triumph TR6). 1964 starteten die beiden im US-Team auf den Internationalen Six Days in Erfurt, Thüringen. Dabei zerstörte McQueen seine Triumph am dritten Tag durch einen Sturz in eine Schlucht. Er selbst kam mit ein paar Kratzern davon. Ekins brach sich nur Stunden später das Bein. Bis dahin hatte das US-Team in Führung gelegen. McQueen bezeichnete die Ekins-Werkstatt als „unser Laden - our shop“.
1966 - „Cincinnati Kid“ ist schon erschienen und für „Kanonenboot am Yangtse-Kiang“ erhält McQueen seine erste (und einzige) Oscar-Nominierung - beschreibt er in einem Artikel sein Lieblings-Motorrad, den Métisse-Triumph Desert Racer. Er hat ihn in der Werkstatt der Ekins-Brüder selbst mit aufgebaut, nennt ihn „the best-handling bike, I have ever owned“. Dazu gibt McQueen Tipps, wie man mit dem Rickman-Métisse-Rahmen, der gleichzeitig als Öltank dient, einem Bonneville-Motor (nur Viertakter geben McQueen das Drehmoment „that I need to get out of trouble“) und „Teilen vom Schrottplatz ein Top-Motorrad für wenig Geld“ aufbauen kann - seine Herkunft als Habenichts hat er nicht vergessen.
Mit zunehmendem Hollywood-Erfolg wurde der Schauspieler immer launischer und unberechenbarer. Für Regisseure wurde die Zusammenarbeit mit ihm ein Gräuel. McQueen schluckte alles an Drogen, was er bekommen konnte, begann wilde Affären. Mit Neile Adams hatte er mittlerweile eine Tochter und einen Sohn. Doch die Ehe ging in die Brüche, nachdem er seiner Frau gegenüber mehrfach handgreiflich geworden war. Nur Bud Ekins und einige wenige andere kamen wirklich noch an den zunehmend paranoider werdenden Superstar heran. Doch seinen Freunden gegenüber blieb er weiter der Kumpel, der Junge aus der Gosse, der Typ, der sich mit kindlicher Begeisterung und dreckigen Fingernägeln sein Bike fürs Rennen fertig macht.
Im November 1980 erliegt Steve McQueen einem Krebsleiden. Die Figur des maskulinen Helden mit den blauen Augen, einem harten Zug und einem hin und wieder aufblitzenden Spitzbuben-Grinsen lebt bis heute. Und als Biker-Ikone ist McQueen sowieso unsterblich.