Immer wieder im Leben gibt es diese besonders aufregenden Momente: Schulabschluss, Hochzeit oder die Geburt der Kinder. Auch mir als Hobbyrennfahrer stand ein solch außergewöhnlicher Anlass bevor: Ich durfte mit dem derzeit stärksten Serien-Superbike, der BMW S 1000 RR, im gleichnamigen Cup Rennen fahren. Das Ganze dazu noch auf der Naturrennstrecke im thüringischen Schleiz - haarscharf vorbei an Tribünen, Getreidefeldern und mit 250 Sachen in Richtung Ortschaft. Kein Wunder, mischte sich in meine Vorfreude auch ein leicht mulmiges Gefühl.
Der BMW-Cup wird bei acht Veranstaltungen im Rahmen von Bike Promotion-Renntrainings ausgetragen. Das gab mir also genug Trainingsmöglichkeiten, um mich an das Powerbike und die mir neue Rennstrecke zu gewöhnen. Mein Renngerät ist eine normale Serien-S 1000 RR, die lediglich mit einer Rennverkleidung, einem Racing-Auspuff, anderen Fußrasten sowie Metzeler Racetec-Slicks umgerüstet, aber damit schon zu einem piekfeinen Hobbyrenner wurde.

Nachdem mir mein langjähriger Mechaniker des Vertrauens, Frank Michalewski vom letztjährigen Endurance-Team PS-LSL-X-Lite 61, das Okay-Zeichen gibt, rolle ich zum ersten vorsichtigen Schnuppern raus. Ziemlich schnell wird es beschwingter, kann ich mich an den schönen flüssigen Streckenverlauf der Schleizer Rennpiste gewöhnen. Man hat nicht den Eindruck, dass hier ein Straßenkurs durch künstliche Schikanen oder Ähnliches verlangsamt und entseelt wurde. Im Gegenteil, es ist richtig abwechslungsreich und manche Streckenabschnitte und Kurvenfolgen sind so auf keinem anderen Track zu erleben. Von meiner ersten bis zur schnellsten Runde purzeln an diesem Tag gleich über 36 Sekunden. Schon bin ich unter den BMW-Jungs bis auf knapp fünf Sekunden an den Allerschnellsten dran, die alle so um die 1.32 Minuten fahren.
Ich hatte es mir hier schwieriger vorgestellt, mit fast 200 PS das eigene Limit auszuloten. Aber mit Verstand eingesetzt, ist diese Leistung nicht beängstigender als die von halb so starken Motorrädern. Obwohl man nach einem Blick auf den Tacho feststellen muss, wie verdammt schnell man mit diesem Bike hier an manchen Ecken vorbeibrennt. Dem kurzen Schlucken stehen aber immer wieder die Momente entgegen, in denen mich die 1000er unter Mithilfe der gut funktionierenden Traktionskontrolle beim Gasaufdrehen nach vorn katapultiert. Da beschleicht einen beim Beschleunigen nicht selten das Gefühl der Unantastbarkeit.

Tags darauf will ich noch näher auf die einzelnen Streckenteile eingehen, nehme mir Abschnitt für Abschnitt vor und hoffe so, meine Rundenzeit kontinuierlich verbessern zu können. Schließlich steht am Nachmittag schon das erste Rennen auf dem Programm, und die im freien Training gefahrene Bestzeit gilt gleichzeitig als Qualifikationszeit für die Startaufstellung. „Ich brauche jemanden, der sich hier richtig gut auskennt“, leuchtet es mir schließlich ein. Diesen Insider finde ich in Bike Promotion-Instruktor Armin Scherdan. Seit den achtziger Jahren auf vielen europäischen Rennstrecken unterwegs, verfügt er über einen immensen Erfahrungsschatz. Den will ich anzapfen! Wir besprechen die einzelnen Streckenteile bezüglich Linienwahl und Bremspunkten. Dann gibt Langstrecken-WM-Pilot und Bike Promotions schnellster Instruktor, Damian Cudlin, noch die Gangwahl und Schaltzeitpunkte preis. Hui, da liegt offenbar noch einiges Potenzial für meine Rundenzeit verborgen. Lohn des genauen Zuhörens: eine fette Sekunde. Leider zeigt mir die Cup-Konkurrenz, dass da draußen durchaus noch mehr geht.
Ein wenig traurig war das ziemlich dünne Fahrerfeld des Cups in Schleiz. Von 22 eingeschriebenen Startern und diversen Gastfahrern über die Saison -haben sich hier nur zehn Piloten eingefunden. Davor in Oschersleben waren es noch mehr als 30 Fahrer. Am Ende der Trainingssitzungen bin ich im zusammengeschrumpften Feld jedenfalls auf dem fünften Startplatz. Was ich bei Anwesenheit der gesamten Cup-Tabellenspitze und einer Zeit von 1.33,4 Minuten gar nicht schlecht finde.
Auch mein Start ins erste Rennen ist mal wieder nicht von schlechten Eltern. Sofort gehe ich an die zweite Position. Vor mir liegt nur noch der Führende der Gesamtwertung, der Däne Kim Phillip. Leider begünstigen meine immer noch vorhandenen leichten Unsicherheiten seine Flucht. Außerdem merke ich bald, dass die drei Trainingsschnelleren mächtig drücken und schnell vorbei wollen, weil sich Phillip vor mir davonstielt. Eine Runde lang kann ich meinen zweiten Platz verteidigen, doch dann gelingt es Georg Einzmann beim Anbremsen in der berüchtigten Seng, sich an mir vorbeizudrücken. Noch in derselben Runde tricksen mich vor der Schikane auf Start/Ziel der Österreicher Martin Mattivi und der in reifen Jahren immer schneller werdende Heinz Reiner Düssel aus. Ich häng mich dran, so gut es geht, und versuche, mir das eine oder andere auf der BMW abzuschauen, aber nach einigen Runden sind sie dann doch aus meinem Blickfeld verschwunden. Also genieße ich eben den mächtigen Punch am Kurvenausgang und die Handlichkeit der S 1000 RR. Aber Vorsicht: Wirklich speziell am Schleizer Kurs sind die mehrfachen Richtungswechsel bei voller Beschleunigung und sehr hohen Geschwindigkeiten, vor allem auf dem Bergabstück zur Seng. Hier muss jedes richtig schnelle Motorrad bei weit über 200 km/h entschlossen herumgewuchtet werden und man bekommt beim Umlegen von einer Schräglage zur anderen schnell das Gefühl, ein paar Hundert Kilo stemmen zu müssen. Das kann einem in Schleiz auch das beste Handling des Bikes nicht ersparen. Mein Tipp: gut frühstücken nicht vergessen!
Nach vorn und hinten habe ich bis zum Zieleinlauf reichlich Luft. Auch vor mir ändert sich an der Reihenfolge nichts mehr. Phillip vor Einzmann, Mattivi, Düssel und Raub sind im Ziel die ersten Fünf. Mit diesem Sieg ist der Däne bereits drei Rennen vor Saisonende der Cup-Sieger. Während Phillip strahlt, packt mich schon der Ehrgeiz, es im zweiten Lauf noch besser zu machen. Deshalb lasse ich den WM-erfahrenen Fahrwerkskünstler Lars Sänger von der Firma Motorradtke aus Gera Hand an mein Einsatzgerät legen. Er checkt die Dämpfung mit und ohne Fahrer, verändert anhand meiner Fahreindrücke und Vorlieben die Einstellung der Federelemente und öffnet sogar noch kurz die Gabel. Bei der anschließenden Probe neigt die BMW nun deutlich weniger zum Wheelen und das vorher vorhandene leichte Pumpen am Kurvenausgang ist komplett verschwunden. Damit dürfte ich jetzt noch härter und früher am Kurvenausgang beschleunigen können. Und das macht sich trotz alter Reifen sofort in einer nochmal verbesserten Rundenzeit bemerkbar. Das schürt die Erwartungen für Rennen zwei.

Dass ich jetzt wohl etwas zu viel Motivation getankt habe, merke ich leider viel zu schnell. Ich fabriziere den ersten Frühstart meines Lebens! Beim Warten auf das erlöschende Rotlicht lasse ich die Kupplung einen Moment zu früh kommen und hüpfe einen halben Meter von meinem Startplatz nach vorn. Vielleicht war ich in Gedanken schon beim Anbremsen der ersten Kurve? Als ich wieder stehe, geht die Ampel wirklich aus und ich hoppele schließlich die Startgerade hinauf. Mit viel Mühe kann ich meinen fünften Startplatz verteidigen, doch meine Konzentration ist schlagartig dahin. Das Rennen ist durch die fällige Zeitstrafe gelaufen. Vor mir enteilen wieder die schnellen Mattivi, Einzmann und Düssel. Kim Phillip ist gar nicht mehr angetreten. Aber ich reiß mich noch mal zusammen und kann dank der Fahrwerksverbesserungen meine Rundenzeit um eine weitere halbe Sekunde nach unten drücken und so zu meinen Verfolgern einen deutlichen Vorsprung herausfahren. Nach Addition der 20 Sekunden Zeitstrafe lande ich trotzdem wieder auf dem fünften Endrang.
Trotz der leichten Aufregung vor der Veranstaltung habe ich mit der S 1000 RR und der Schleizer Rennstrecke meinen Frieden gemacht und hatte mächtig Spaß dabei. Zumindest für den BMW S 1000 RR-Cup wird es im nächsten Jahr weitergehen (Cup-Paket ab ca. 16000 Euro, Infos: www.bike-promotion.de). Hoffentlich können wir das auch von dieser charismatischen Rennstrecke sagen. Ähnlich wie am Sachsenring sind hier Tradi-tion und Enthusiasmus einer ganzen Region zu spüren, aber auch die Probleme mit Anwohnern, die dem nichts abgewinnen können. Wo wird den Fahrern im Hobbysportbereich sonst von den Tribünen applaudiert? In Schleiz schon - noch.
Cup-Checker-Fakten:
+ Genau der richtige Cup für alle, denen Leistung über alles geht
+ Ab 2013 Wertung in zwei unterschiedlichen Leistungsstufen nach Vorerfolgen
+ Zwei Rennen je Veranstaltung
+ Viel Fahrzeit und gute Trainingsmöglichkeiten, da eingegliedert in Renntrainings
+ Möglichkeit der Teilnahme an anderen Rennen bei derselben Veranstaltung
+ Instruktoren und Fahrwerksservice vor Ort
- Kein Einführungstraining
- Nenngebühren und Extras am Bike wie DTC kommen zum Basispreis dazu