Unterwegs im Berge-Truck Tuareg-Rallye

Unterwegs im Berge-Truck einer Wüsten-Rallye Die Rückfahrkarte ins Biwak

Rallye-Piloten schauen ihn täglich interessiert an, wollen ihn aber nie sehen und schon gar nicht darin mitfahren. Taucht er dann im Falle des Falles auf, ist er die Erlösung – die Rückfahrkarte ins Biwak. Ein Tag auf dem Bock des Retters der Gestrandeten.

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Nein, Karlheinz Müller leidet nicht an einem Helfersyndrom. Dennoch begleitet er die Tuareg-Rallye­ 2013 bereits im sechsten Jahr mit seinem mattschwarzen MAN KAT 1 4 x 4-Lkw. Er kombiniert bei diesen Fahrten einfach vieles – verbringt viel Zeit in der von ihm geliebten Wüste, bewegt den von ihm geliebten Truck und tut dabei noch Gutes. Er unterstützt die nun in Tunesien stattfindende Tuareg-Rallye, bei der er früher selbst viermal mit der Enduro an den Start ging. Seine Aufgaben dabei sind vielfältig, die wichtigste jedoch hat viele Namen: Er steuert den Besenwagen, den Lumpensammler, den Berge-Truck, den Camion-Balai.

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Sprich, er ist der gute Engel der Rallye. Er sammelt die Gestürzten, die Gestrauchelten, die mit technischen Gebrechen Liegengebliebenen auf und bringt sie sicher ins Rallye-Biwak zurück. Wind und Wetter spielen dabei keine Rolle – wenn gestartet wird, muss Karlheinz auch raus. Der 54-jährige Bayer und sein Truck sind sozusagen das Rettungsnetz, dank dem man eine Wüsten-Rallye wirklich genießen kann. Immer mit an Bord: ein Bergehelfer, ein Sanitäter sowie Benzin, Unmengen von Wasser, Müsli-Riegel, Kaffee und Zigaretten.

KAT mit 12,6 Liter großem Diesel

Tuareg-Rallye 2013, sechste Etappe: Heute wird ein harter Tag, dessen ist sich Karlheinz bereits um 6.30 Uhr sicher, als er den 12,6 Liter großen Diesel zum Leben erweckt. Die Crew springt auf, sie besteht aus Rettungsassistent Chris Pickal und Bergehelfer Dave Rider. Der erste Job ist einfach: Raus aus dem Biwak, einige Kilometer weiter in der Wüste den auf dem GPS-Gerät markierten Startpunkt der Etappe anfahren und die Startzone aufbauen. Nach und nach trudeln die ersten Motorradfahrer ein. Gestartet wird in der Reihenfolge des Vortagsergebnisses. Das heißt: Die Schnellsten ganz vorne, der Rest schließt dahinter auf. Während sich die Motorradfahrer formieren, muss deren Reihenfolge permanent kon­trolliert, gegebenenfalls auch ihre Position im Startkorridor korrigiert werden. Punkt 7.45 Uhr brettert die erste Welle los, immer vier Motorräder gleichzeitig. Erst die Profi-Klasse, dann die Amateure. Schließlich die Quads und Autos. Um 9.17 Uhr ist der Letzte auf der Reise, das Abbauen des Startkorridors beginnt – der Tag nimmt Fahrt auf.

Kaum ist der Lärm aufheulender Motoren verklungen, kommen die ersten Bergeaufträge über Funk herein. Rallye-Chef Rainer Autenrieth sitzt in der Notrufzentrale, er evaluiert die Anrufe, setzt deren Dringlichkeit fest und verteilt die Bergeaufträge. Auf Karlheinz Müller und seinen KAT kann er sich dabei zu 1000 Prozent verlassen. Ihn kann nichts aufhalten, weder Dünen noch Tiefsand, Steine oder Flussbetten – der KAT macht alles platt.

"Ihr seid am nächsten dran, also Vollgas!"

Das Team um Karlheinz setzt sich um 9.53 Uhr in Richtung Dünenfeld in Bewegung. Die Meldungen tröpfeln stetig über Funk und Handy herein. Startnummer 54: technischer Defekt, Fahrer okay; Startnummer 101: Motorrad okay, Fahrer ohne Wasser und erschöpft; Startnummer 87: technischer Defekt, Fahrer okay. Während Karlheinz den KAT durch die Dünen zirkelt, geht Chris Pickal mit der Notrufzentrale die Stand­orte der Havaristen durch, gibt sie ins GPS-Gerät ein und legt zusammen mit Karlheinz in Abhängigkeit der Priorität die Route fest.

Ein Sandsturm zieht auf, die Sicht wird schlecht. Kurz bevor Startnummer 101 erreicht ist, kommen zwei Meldungen aus der Zentrale: „Die 101 hat Wasser von einem Pkw bekommen und ist wieder im Rennen. Dafür ist die 318 schwer gestürzt und benötigt ärztliche Versorgung. Ihr seid am nächsten dran, also Vollgas!" Chris nimmt die Koordinaten in Empfang, Karlheinz macht dem über 30 Jahre alten KAT mächtig Dampf. 20 Minuten später ist die 318 erreicht, die Männer gehen ans Werk. Zuerst checken Sani Chris und Karlheinz den Piloten, dann greift die Routine. Während Karlheinz das Motorrad verlädt, diagnostiziert Chris eine schwere, schmerzhafte Brustkorbprellung, die das Atmen bei­nahe unmöglich macht. Infusionen werden gelegt, Schmerzmittel gespritzt, der Patient in den KAT verladen. Weitere 20 Minuten später ist die Mannschaft abfahrbereit. Der Verletzte muss zur nächsten Piste gebracht werden, wo ihn ein Pick-up mitsamt seines Motorrads übernimmt.

Als die 318 schließlich von Bord geht und die Rallye für sich beendet hat, geht es bei Karlheinz und Chris munter weiter – sieben neue Bergeaufträge sind zwischenzeitlich eingetrudelt. Karlheinz zündet sich eine weitere Kippe an und lächelt, denn er wusste ja bereits um 6.30 Uhr, dass heute ein verdammt langer Tag wird.

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