Warum soll es eigentlich den Stars der Zunft anders gehen als uns Normalsterblichen? Wir alle leben und erleben auf und mit dem Motorrad unseren Traum, und der sollte am liebsten niemals enden. So ist es denn kein Wunder, dass viele Rennfahrer es einfach nicht lassen können. Sie verkünden hochoffiziell ihr Karriereende – und dann findet man sie wenig später doch wieder auf irgendwelchen Rennplätzen. Gott sei Dank, für Zuschauer und Fans ist das eine prima Gelegenheit, die Helden der Jugend wieder einmal in Aktion zu sehen.
Nun kann man einen der deutschen Offroad-Helden, den sechsmaligen Meister und GP-Sieger Didi Lacher, ja hierzulande auf Crosspisten oder bei seinen Trainings treffen. Aber wann gibt es die Chance, US-Legenden wie Jeff Ward, Ron Lechien, Chuck Sun oder Mike Bell noch einmal live zu erleben? Nur einmal im Jahr in Farleigh Castle, wo sie beim „Vets MX des Nations“ zu einem Wettkampf auf alten Maschinen antreten.
Für MOTORRAD-Tester Didi war die Sache klar: Das Feld wird gehörig aufgemischt. Schließlich steht er als Profi-Tester und -Trainer noch voll im Saft, während die anderen Ex-Profis und Ex-Champs ja wohl kaum noch den Speed von früher ins Alter gerettet haben dürften. Gegenwehr war ja wohl kaum zu erwarten. Oder doch? Okay, man hätte misstrauisch werden können, als Ryan Hughes mit freiem Oberkörper durchs Fahrerlager spazierte, die gebleichten Zähne fletschte und seinen Astralkörper präsentierte. Alles Show, sagt Didi: „Abwarten, guck dir mal den Ron Lechien an, früher ein Spargel, heute hat der mindestens 20 Kilo zu viel auf den Rippen.“

Doch nach dem ersten Training backt er bereits kleinere Brötchen: „Die halten hier alle ganz schön rein.“ Platz 13, angesichts der Podest-Ambitionen eigentlich ein Desaster. „Das Motorrad ist die Hölle, ich hab das Gas höchstens drei Millimeter bewegt.“ Das Motorrad ist eine Mugen-getunte Honda CR 450, eine Zweitaktwaffe, wie es sie heute längst nicht mehr gibt. Dazu noch mit Abstimmungsproblemen. Sie stammt wie die Maschinen der anderen Deutschen aus der Sammlung von Oldie-Freak Reinhold Kaltenberg, der sich die Kritik gleich zu Herzen nimmt und bis spät in die Nacht an dem roten Biest werkelt. Umbedüsen, zweite Kopfdichtung, Membran wechseln. Die Amis ziehen derweil eine spektakuläre Show ab. Fahren wunderschöne 250er-Hondas vom Edel-Tuner Phil Denton, Titan bis in die letzte Schraube. Und sie geben immer alles, typisch Amis eben. Ron Lechien etwa, der seine 500er-Pro-Circuit-Kawa der Evo-Klasse nach einem Sturz im blockierten ersten Gang um die Strecke drischt, um vielleicht ein Pünktchen fürs Team zu retten. Drehzahl jenseits des Limits, das kann nicht lange gut gehen. Just an einem Bergab-Sprung kapituliert der gequälte Motor und katapultiert den Fahrer über den Lenker. Schlüsselbein gebrochen, Ende der Veranstaltung.
Außer den siegreichen Belgiern bleibt kaum jemand von Materialproblemen verschont. Chuck Sun bricht das Hinterrad zusammen, bei Colin Dugmore verglüht die Kupplung. Überraschenderweise geht bei Ryan Hughes nichts kaputt. Außer er erledigt das selber und pfeffert die Maschine formatfüllend in die Botanik. Aber sonst gewinnt der durchtrainierte „Ryno“ überlegen sieben von acht Rennen in den beiden MXdN-Klassen.

Und Didi? Startet im ersten Heat hoch- bis übermotiviert mit einem spektakulären Start-Crash. Im zweiten Rennen stoppt ihn auf Platz vier liegend ein Dreckbatzen, der die hintere Bremse deaktiviert. Im dritten Lauf passt dann alles, der Lohn ist ein im typischen Lacher-Stil sauber herausgefahrener sechster Platz, den er im vierten Lauf wiederholen kann: „Mehr ist nicht drin. Ich hab hier mehr gegeben als bei manchem WM-Lauf früher." Doch bevor das deutsche Team die Spitze der Gesamtwertung übernimmt, bekommen die Fahrer eine Minute Strafzeit aufgebrummt. Ein Helfer hatte angeblich unerlaubterweise die Bahn betreten. Dagegen wurde den verhätschelten Amis großzügig manche Extrawurst gebraten. Aber schließlich sollen die als Zugpferde der Veranstaltung ja im nächsten Jahr wieder die Zuschauer in den Süden Englands ziehen.
Nationen-Cross für Veteranen

Sie nennen es stolz „Vets MX des Nations“, aber ein bisschen gemogelt haben die Veranstalter da schon. Denn bei der Veranstaltung im südenglischen Farleigh Castle handelt es sich nicht um eine offizielle Veranstaltung unter FIM-Sporthoheit. Hochinteressant ist es trotzdem, weil hier eine äußerst unterhaltsame Mischung aus Hobbypiloten, Oldie-Freaks und Altstars am Startgatter steht. Außerdem gibt es jede Menge altes Cross-Material aus den 1970er- und 1980er-Jahren zu bestaunen. Doch die meisten Zuschauer kommen sicherlich, um ehemalige Top-Fahrer und vor allem die US-Legenden des Sports fahren zu sehen. Auch einige europäische Ex-Champions waren am Start, in diversen Klassen des Rahmenprogramms starteten etwa der 500er-Weltmeister von 1979, Graham Noyce, oder der deutsche Multimeister Herbert Schmitz (65).
Nachdem es immer schwieriger und kostspieliger geworden ist, gute Twinshock-Maschinen – also mit Luftkühlung, Stereo-Federbeinen und Trommelbremsen – aufzutreiben, wurde dieses Jahr eine zweite Klasse für Maschinen bis Baujahr 1990 mit der Bezeichnung Evo ausgeschrieben. Zweitakter, die sich technisch gar nicht so stark von aktuellem Material unterscheiden, also über Monoshock-Hebelsysteme, Wasserkühlung und Scheibenbremsen verfügen, und mit denen ziemlich schnelle Rundenzeiten möglich sind. Organisator und Teamchef der deutschen Delegation war in den vergangenen Jahren der Sammler Reinhold Kaltenberg aus Grevenbroich, aus dessen Kollektion die Maschinen stammten.
Ergebnisse
Twinshock Vets MXdN:
1. Belgien (Caps, Blanquet, Bal, Stommen)
2. Deutschland (Lacher, Dugmore, Küppers, Kaltenberg)
3. Großbritannien (Butt, Blackley, Parker, de Feu)
4. USA (Sun, Lechien, Hughes, Dubach)
Evo Vets MXdN:
1. Belgien (Boonen, Dewitt, Natterman, Lauryssen)
2. USA (Ward, Lechien, Hughes, Dubach)
3. Großbritannien (Chinn, de Feu, Marshall, Coward)
4. England (Wheeler, Sturmey, Hanson, Perett)