Werner Koch und seine Motorräder
Jeden Tag ein anderes Lieblingsmotorrad

Sein Lieblingsmotorrad? Jeden Tag ein anderes. Kein Wunder, platzt doch bei MOTORRAD-Redakteur Werner „Mini“ Koch die Werkstatt aus allen Nähten. Für seinen Kant'’n hat er aber immer ein trockenes Plätzchen.

Jeden Tag ein anderes Lieblingsmotorrad
Foto: Foto: fact

MOTORRAD-Kollege und Neuheiten-Spezialist Ralf Schneider meint die Frage ernst: „Kannst du mir bitte schön zwei Seiten über dein Lieblingsmotorrad schreiben?“ Äh, ja, welches soll’s denn sein? „Na, dein Lieblingsmotorrad eben.“ Jetzt hock ich zwei Stunden und drei Bier lang auf der Werkbank und hab immer noch keinen Plan für die Geschichte. Mein Lieblingsmotorrad? Ich guck aus dem Werkstattfenster, vor dem sich im Licht der Straßenlaternen aufgeplusterte Schneeflocken wie Gleitschirmflieger auf meine „Alltags-Mopeds“ stürzen. Stimmt, so ’ne Plane bei Gericke kostet auch nicht die Welt. Aber jeden Morgen das Gezerre und Gefalte mit der störrisch-kalten Pelerine – dann lieber mal ein paar Spritzer WD 40 über die Mopeds verteilen, das hilft gegen Flugrost.

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MOTORRAD-Redakteur Werner Koch und seine Motorräder
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Ob die eingeschneite Yamaha WR 250 R mein Liebling ist? Hm, sie läuft immer, taugt für alles, frisst weder Sprit noch Heu, und wenn’s pressiert, geht das Ding Tacho 160. Liegend natürlich. Aber Liebling? Nee, das dann doch nicht, eher guter Kumpel mit Helfersyndrom. Die daneben könnt’s sein. Zusammen-gepuzzelt mit Teilen aus allen technischen Epochen, ist sie ein wirklich nettes Moped geworden, die Suzuki GS 400 E von 1978. Und keiner kommt dran vorbei, ohne mit allen Fragezeichen der Welt zu spekulieren: Was das wohl für ’ne Marke ist? Grins, gefällt mir! Aber zum Liebling fehlt der Mischung aus Scrambler und Racer das Temperament. Für den Slowrider-Ausflug mit Jeans, Jethelm und Jacke sind die 30 PS jedoch mehr als genug.

Foto: Jahn
Für die Entdeckung der Langsamkeit das Richtige: Suzuki GS 400.

Pfump – noch ein Bierchen und dann steht es fest: Nein, nicht weil ich mir den „Kant’n“ schöntrinken muss, sondern weil der Kanten einfach so dasteht, wie ein echter Power-Riegel dastehen muss. Linien, die geduckt durch den Wind fräsen, fetter Reifen in blitzblanker Aluschwinge, spitzes Heck, freche Schnauze und mittendrin das Hammerwerk: Vau-Zwo, schon im Standgas so unterhaltsam wie jeder Vierzylinder im roten -Bereich, mit einem Poltern und Pulsen, das Tote zum Leben erweckt. Ein Derwisch, der bei der hurtigen Kurvensause das solide Gefühl eines sauber zurechtgestutzten Kantholzes aus bester Eiche vermittelt. Jetzt kommt mir bloß nicht mit Lastwechselrucken, Vibrationen und hakeliger Schaltung. Und verschont mich mit der 1000-Punkte-Wertung und den Mängeln im MOTORRAD-Langstreckentest. In dieser Bastelbude schraubt der Chef noch selbst, deshalb sind die Wehwehchen beim Kant’n schon längst kuriert.

Aber soll ich mal was verraten? Pst, nicht weitererzählen: Der Kant’n ist gar nicht zugelassen. Ab und an steckt mir der Fuhrpark-Rainer eine rote Nummer zu, damit die RC8 wenigstens meine Hausstrecken kennenlernt. Dafür darf mein Silber-Keil regelmäßig auf die Rennstrecke. So richtig mit Slicks, Reifenwärmer und ohne TÜV-Gelumpe. Sieht dann fast aus wie ein echter Racer. Und ich auch. Für mindestens fünf Turns je 20 Minuten ist die RC8 dann mein absolutes Lieblingsmotorrad. Auch, wenn ich am nächsten Morgen wieder mit der kleinen Yamaha in die Redaktion knatter oder mit der alten Suzuki. Echte Kumpels halt, die auch dafür sorgen, dass der Führerschein nicht flöten geht. Was mit dem Kant’n auf jeder Geraden passieren kann, die etwas länger ist als der Radstand.

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Erscheinungsdatum 26.05.2023