Darum ist der runde Kolben im Motor besser

Warum ist der Kolben rund?
:
Honda, Ferrari und der Traum vom Ovalkolben

Honda NR OvalKolben © Honda

Der Ovalkolben ist in aller Munde. Es gibt gute Gründe für und gegen ihn. MOTORRAD erklärt, warum sich Hondas Ovalkolben einst nicht durchsetzte, und was am Ferrari-Ansatz anders ist.

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Die Frage, warum der Kolben in den meisten Motoren rund ist, hat technische und praktische Gründe. Auch wenn die Idee eines Ovalkolbenmotors verlockend klingt und in der Vergangenheit von Honda erfolgreich eingesetzt oder jüngst von Ferrari entwickelt wurde, stößt die Technik auf Hürden.

Ein zentrales Problem ist die Spannung der Kolbenringe – und das nicht nur bei ovalen Kolben, sondern generell bei jedem Motor. Doch bei ovalen Kolben tritt dieses lösbare Problem in besonderem Maße auf.

Der folgende Artikel beleuchtet die technischen Schwierigkeiten und warum der runde Kolben nach wie vor die beste Wahl ist.

Was ist der Ovalkolben und warum wurde er entwickelt?

Der Ovalkolbenmotor wurde ursprünglich entwickelt, um eine höhere Leistung aus kompakteren Motordesigns zu holen. Im Prinzip wurde die runde Form des Kolbens verändert, um mehr Ventile pro Zylinder unterzubringen, damit mehr Gemisch im gleichen Hubraum verbrannt werden kann und dadurch die Effizienz und Leistung gesteigert wird.

Besonders bei Hondas NR 500 und 750 war der Ovalkolben als Möglichkeit gedacht, die Leistungsdichte zu erhöhen. Honda probierte es in den 1980er-Jahren im Rennsport teils mit großem Erfolg aus, während Ferrari in jüngster Zeit versuchte, diese Technologie für V12-Motoren zu patentieren.

Die Probleme mit der Spannung der Kolbenringe bei Ovalkolben

Ein zentrales Problem bei ovalen Kolben ist die Spannung der Kolbenringe. Kolbenringe sind dafür zuständig, die Kompression im Zylinder zu halten und Öl von der Zylinderwand wieder in den Kreislauf zu fördern. Bei runden Kolben ist die Spannung der Ringe gleichmäßig und es ist einfach, sie passgenau zu fertigen. Doch bei ovalen Kolben trifft das nicht zu.

Die ovale Form des Kolbens führt dazu, dass die Kolbenringe herkömmlicher Bauart nicht gleichmäßig an die Zylinderwand gepresst werden. An den langen Seiten des Kolbens ist die Spannung der Ringe geringer als an den runden Enden. Das führt zu Kompressionsdruckverlusten und einem höheren Ölverbrauch.

Honda löste dieses Problem bei der NR 750 mit zusätzlichen Federn unter dem Kolbenring, um dessen Anpressdruck an der Zylinderwand gleichmäßig zu halten. Lohn war eine den Rundkolbenmotoren ebenbürtige Verdichtung sowie eine deutlich höhere Leistung und kein wesentlicher Mehrverbrauch von Kraftstoff oder Öl.

Doch Aufwand bedeutet immer Kosten und der ohnehin hohe Aufwand, einen V8 als V4 zu tarnen, dürfte in keinem Verhältnis gestanden haben, denn bei den Honda-Motoren gab es noch die Besonderheit, dass jeder Kolben 2 Pleuel hatte.

© Honda 9 Bilder

Warum der runde Kolben die bessere Wahl bleibt

Die Konstruktion eines runden Kolbens stellt eine weitgehend gelöste technische Herausforderung dar. Der runde Kolben sorgt für eine gleichmäßige Druckverteilung der Kolbenringe, was die Dichtwirkung verbessert. Überdies ist die Produktion eines runden Kolbens technisch einfacher und kostengünstiger. Weiterhin dehnt sich eine runde Form unter Hitze gleichmäßiger aus.

Motoren mit runden Kolben sind seit Jahrzehnten erprobt und optimiert, was die Kosten für die Herstellung und Wartung reduziert.

Ein anderer Grund ist: Nach den grandiosen Erfolgen Hondas in der Langstrecken-WM verbot die FIM den Einsatz ovaler Kolben. Und die Geschichte lehrt: Was im Rennsport nicht weiterentwickelt wird, hat kaum eine Chance, auf die Straße zu kommen.

Die Herausforderung der Zylinderbohrung

Die Zylinderbohrung eines Motors mit ovalen Kolben ist ebenfalls eine besondere Herausforderung , denn die ovale Form des Kolbens verlangt eine ebenfalls ovale Zylinderbohrung. Dessen nicht genug, muss diese ovale Bohrung ebenfalls gehont werden, damit weniger Öl verbrennt. Auch das ist Aufwand, der heute im Kontext des Patents von Ferrari womöglich kleiner ist als in den 1970er- und 1980er-Jahren.

Warum der Ovalkolbenmotor von Ferrari der bessere ist

Im Gegensatz zu Honda plant Ferrari den Einsatz des ovalen Kolbens aus anderen Gründen. Honda wollte im Grunde ein Reglement umgehen, Ferrari will Baugröße sparen. Ein ovaler Kolben mit nur einem Pleuel, der wie im Falle von Ferrari mit der langen Seite 90 Grad zur Kurbelwelle steht, spart Länge im Zylinderkopf. Und um das konsequent weiterzuführen, setzt Ferrari auf Anlenkpleuel, die Platz im Kurbeltrieb sparen. Wenn dem Ovalkolbenmotor ein Comeback bevorsteht, dann so.

Fazit

Die Technik des Ovalkolbens mag auf dem Papier faszinierend wirken und in spezialisierten Anwendungen oder in Zukunftstechnologien durchaus ihre Berechtigung finden. Doch die praktischen Herausforderungen bei der Kolbenringspannung, der Hohnung der Zylinderbohrung und der ungleichmäßigen Druckverteilung führen dazu, dass der runde Kolben in nahezu allen modernen Motoren der Standard bleibt.

Die runde Zylinderbohrung und die gleichmäßige Spannung der Kolbenringe bieten die nötige Effizienz und Langlebigkeit, um den Motor im Alltag und bei extremen Leistungsanforderungen zuverlässig arbeiten zu lassen. Das Zusammenspiel zwischen Kolben und Zylinderbohrung ist bei runden Kolben optimal.

In der Summe bleibt der Kolben rund. Auch wenn der Ovalkolben innovative Ansätze verfolgt, ist es die bewährte runde Form, die sich als langlebig, zuverlässig und kostengünstig erwiesen hat. Das Patent von Ferrari birgt allerdings zahlreiche interessante Ansätze, die ein Revival erlauben.

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