Bei solchen Treffen dreht sich alles um Geschwindigkeit. Rasch entstehen Sympathien. BMW S 1000 XR, Honda X-ADV, Kawasaki Ninja H2 SX, KTM 1290 Super Duke GT, Yamaha Tracer 900 GT – welches Gefährt wird in diesem Test Sympathieträger Nr. 1?
Bei solchen Treffen dreht sich alles um Geschwindigkeit. Rasch entstehen Sympathien. BMW S 1000 XR, Honda X-ADV, Kawasaki Ninja H2 SX, KTM 1290 Super Duke GT, Yamaha Tracer 900 GT – welches Gefährt wird in diesem Test Sympathieträger Nr. 1?
Zeitenübersicht:
BMW S 1000 XR | Honda X-ADV | Kawasaki H2 SX | KTM 1290 Super Duke GT | Yamaha Tracer 900 GT | |
Rundenzeit Handlingkurs (2.970 m) | 3.36,88 min | 3.36,49 min | 3.37,48 min | 3.36,47 min | 3.32,98 min |
Rückstand auf Bestzeit | 3,90 sek | 3,51 sek | 4,50 sek | 3,49 sek | Bestzeit |
Rückstand umgerechnet auf Autobahndistanz (436,59 km) | 9,33 min | 8,36 min | 11,20 min | 8,33 min | 0,00 min |
Zeit für Autobahndistanz | 228 min | 188 min | 164 min | 152 min | 170 min |
Gesamtzeit | 237,33 min | 196,36 min | 175,20 min | 160,33 min | 170,00 min |
Platzierung | 5. | 4. | 3. | 1. | 2. |
Angefangen hat alles wieder einmal mit Gedankenspinnereien beim Feierabendbier. „Lasst uns noch mal einen Speed-Vergleich machen“, lautete ein Vorschlag. „Vollgasballern auf der Autobahn, fünf Piloten, fünf sportliche Bikes, wer als Erstes ankommt, gewinnt.“ Grinsen und Kopfnicken in der Runde. Aber so einfach soll’s dann doch nicht sein. Zeitenjagen im Vorfeld auf einem Handlingparcours würzt den Shootout zusätzlich. Ein Faktor rechnet die Rundenzeiten auf die Autobahndistanz hoch. Am Ende triumphiert der Pilot mit der geringsten Gesamtzeit. Spannung ist garantiert, denn verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Leistung und abweichenden Tankvolumen bergen reichlich Stoff für Spekulationen.
Am Start stehen mit der BMW S 1000 XR, der Kawasaki Ninja H2 SX, der KTM 1290 Super Duke GT und der Yamaha Tracer 900 GT ausschließlich sportliche Kilometerfresser. Wie bei vorherigen Geschichten dieser Art ist auch wieder ein Exot mit von der Partie. Diesmal fällt die Wahl auf den stylischen Offroad-Zwitter X-ADV von Honda. Bike oder Roller? Beim Hersteller läuft das Teil unter der Kategorie „Adventure“. Die wichtige Frage aber lautet: Was kann der Abenteurer gegen die motorisch überlegene Konkurrenz ausrichten? Als Besonderheit packen wir Koffer an jedes Bike, welche die Hersteller entweder als Extra oder serienmäßig anbieten. Wir bestücken die Teile mit maximal erlaubter Zuladung und checken die Fahreigenschaften bei Topspeed. Die Ausnahme bildet der X-ADV. Für ihn führt Honda lediglich zwei unterschiedliche Topcases im Programm. Derartige Hardware ist uns dann aber doch zu peinlich, weshalb das Gefährt ohne diesen zusätzlichen Stauraum mitmischen darf.
Die erste Überraschung wartet in der PS-Tiefgarage. Tobi, Jo, Sven und Timo haben ihren Untersatz zielsicher gewählt. Übrig bleibt die Kawa H2, mit 200 Kompressor-PS die Stärkste des Quintetts. Aha, den Kollegen geht wohl beim Gedanken an 299 km/h der Stift! Egal, Abfahrt zur ersten Wertung. Kurze Zeit später funktionieren wir einen Verkehrsübungsplatz zum Handlingkurs um, Streckenlänge 990 Meter. Ein paar Runden einschießen, dann gilt es: Stehender Start, jeder spult drei Umläufe gegen die Uhr ab, notiert wird die Gesamtzeit. Der Vorstart bietet die perfekte Gelegenheit für fiese Psycho-Spielchen. Sprüche wie „Dein Bike setzt garantiert mit dem Hauptständer auf“ oder „Beim Training hatte ich in der schnellen Links einen üblen Rutscher“ machen die Runde. Tobi lässt das kalt. Der Draufgänger jagt mit der handlichen Tracer 900 GT in feinster Racing-Manier um den Kurs. „Das Federbein ist unterdämpft, das Heck schwingt nach und die ganze Kiste schlägt in der Senke bis auf den Asphalt durch“, gibt er später zu Protokoll. „Außerdem setzt der Hauptständer tatsächlich auf.“
Trotzdem donnert Tobi mit 3.32,98 Minuten um den Kurs. Was diese Zeit wert ist, zeigt sich gleich, denn Jo rollt bereits mit dem X-ADV zur Startlinie. Ein launiger Burnout zum Reifenanwärmen, dann hebt sich die Flagge als Startsignal. Nach drei Runden weist die Stoppuhr einen Rückstand von 3,51 Sekunden aus. „Die Trittbretter und die Aufnahmen für die Crossrasten setzen auf“, begründet der Supermoto-Racer und Stunt-Profi die Differenz. „Außerdem muss ich das 240-Kilo-Teil mächtig durch die engen Passagen wuchten. Der Sprung in die Senke macht aber richtig Laune, hier blitzen die Offroad-Qualitäten durch.“
Auch Sven auf der favorisierten KTM Super Duke GT kommt trotz ihrer sportlichen Gene nicht an Tobis Zeit heran, Rückstand 3,49 Sekunden. „Bei dem Typ geht doch ein riesiger Nagel quer durch den Kopf“, diagnostiziert er. „Wie kann man hier nur so angasen? Immerhin war ich zum ersten Mal schneller als Jo, zwei Hundertstel habe ich ihm aufs Auge gedrückt, geil!“
„Super Bodenfreiheit, stabiles Fahrwerk, massig Leistung aus den Ecken heraus und tolle Gasannahme“, schwärmt Timo für die S 1000 XR. Dass er sich dennoch einen Rückstand von 3,9 Sekunden einfängt, liegt auch an seiner Zieleinfahrt. „Du musst das Gas bis nach der Ziellinie voll stehen lassen“, klärt Jo auf. „Mist, außerdem hätte ich auch besser den Dynamic Pro-Modus nehmen sollen“, ergänzt Timo. „Auf ‚Dynamic‘ regelt die Traktionskontrolle für meinen Geschmack etwas zu früh. Und etwas mehr Feedback vom Vorderrad wäre gut“.
Als letzter Starter prügele ich die H2 SX um den Kurs. Jetzt bloß nicht wie im Training zu knapp an den Reifenstapeln vorbeiheizen, sonst setzt es bei einem Koffer noch mal einen Streifschuss. Es ist komplett ungewohnt, so ausladende Bikes zu bewegen. Die Kawa lässt sich trotz ihres hohen Gewichts von 271 Kilo (mit Koffern) erstaunlich flott abwinkeln, nur in den ganz engen Passagen streicht sie die Segel. Außerdem streift der Hauptständer bei Bodenwellen in Schräglage über den Asphalt. Ein fetter Slide in der Zieleingangskurve zeugt ebenfalls vom Limit. Dennoch fehlen ihr letztlich 4,5 Sekunden auf Tobis Bestmarke. Die Zeit holt sie auf der Bahn aber locker wieder rein. Oder etwa doch nicht?
Gut achteinhalb Minuten (Super Duke GT, X-ADV), deren neuneinhalb für die S 1000 XR und rund elf Minuten für die Kawa H2 beträgt der über den speziellen Faktor ermittelte Rückstand vor der Autobahnhatz auf Tobi und die Tracer – ziemlich heftige Pakete. Doch immerhin glühen wir auf dem nach unseren Recherchen längsten zusammenhängenden Autobahnteilstück Deutschlands ohne Tempolimit. Es führt auf der A7 kurz hinter Füssen/Bayern bis Bad Hersfeld in Hessen. Länge: 436 Kilometer. Für eine freie Bahn starten wir mit dem ersten Tageslicht morgens um 4.30 Uhr – Attacke!
Sofort setzen sich die Kawa, die KTM und die BMW an die Spitze. Auf den ersten Kilometern nützt der H2 ihre Mehr-Power wegen der kurvenreichen Strecke durchs Voralpenland herzlich wenig. Tacho 250, mehr geht nicht. Doch kurze Zeit später wird es offener, Feuer frei! Sagenhaft, wie gierig und dabei herrlich gleichmäßig sich die Grüne durchs Drehzahlband zoomt. Brause auf Anschlag, bye-bye KTM und BMW. Ab 10.000/min liefert die SX eine Extraportion Schub. Unfassbar, wie die Kompressor-Kawasaki obenraus noch marschiert: 260, 270, 280 – Tempobolzen im Fast-forward-Modus. Doch dann leuchtet die Sprit-Warnlampe. Wie bitte? Schon nach 100 Kilometern? Auf Höhe der Raststätte erscheinen im Display noch zwei von sechs Balken der Tankanzeige. Doch keine 500 Meter hinter der Raste verschwindet ein Balken – ein echter Klassiker. Was tun? Die nächste Tankmöglichkeit kommt erst in 50 Kilometern, das reicht nie und nimmer. Wenden fällt ebenfalls flach. Also Gas rausnehmen. Kurze Zeit später rauscht Sven mit Vollgas vorbei – shit! Von dem Rest der Meute ist aber weit und breit nichts zu sehen. Uff, zumindest die habe ich im Griff. Auch Sven schnupfe ich später bestimmt wieder auf, schließlich läuft meine Kiste 30 km/h schneller. Plötzlich taucht neben der Bahn der rettende Autohof auf – halleluja! 18,09 Liter passen in den 19-Liter-Tank, gerade noch mal gut gegangen.
Wie sich später herausstellen sollte, ging es bei den Kollegen noch knapper zu. „Bin mit Tracy ewig auf Reserve gefahren und dann in die Raststätte gerollt, der Motor hat schon kein Gas mehr angenommen“, berichtet Tobi. Er hat das Kunststück geschafft, in den offiziell 18 Liter fassenden Tank der Yamaha 19,06 Liter zu füllen – was für ein Dusel! Auch Jo ging mit dem X-ADV vor einem Tankstopp ordentlich die Düse. „Ich musste mich in den Windschatten eines Lkw hängen. Das Display der Honda zählt von den 1,7 Litern Reserve in Zehntelschritten herunter. Ein fieser Countdown, wenn die nächste Raste noch zig Kilometer entfernt ist.“
Doch der Pechvogel des Tages heißt Timo. „Mit der BMW konnte ich mich anfangs hinter Sven halten. Plötzlich blinkte die Reserve. Laut Restreichweite genügte das nicht bis zur nächsten Raststätte. Das Navi lotste mich runter von der Bahn zu einer Speditions-Tanke in ein Industriegebiet, die Restreichweiten-Anzeige betrug noch null Kilometer. Doch da gab’s nur Diesel! Mit stotterndem Motor kam ich schließlich an einer normalen Tankstelle an, die hat aber erst um sechs Uhr aufgemacht. Eine geschlagene halbe Stunde musste ich warten. In den 20-Liter-Tank passten dann 19,97 Liter.“ Diese Szenen verdeutlichen schon jetzt: Bei der Autobahn-Bolzerei ziehen sich die Bikes unanständig viel Sprit durch ihre Einspritzdüsen. Mit seinem Pech schießt sich Timo normalerweise aus dem Rennen um eine Spitzenposition. Doch kann er mit der 250 km/h schnellen BMW wenigstens die Yamaha (210 km/h) und den Roller (171 km/h) bügeln?
Geschätzte 15 Baustellen auf der gesamten Strecke könnten ihm einen Strich durch die Rechnung machen. Echter Wahnsinn, auf deutschen Autobahnen wird momentan gebaut, was das Zeug hält. Für unseren Shootout haben wir für solche Fälle kein Speedlimit gesetzt. Jeder fährt auf eigenes Risiko, wohl wissend, dass er den Lappen für den Job braucht. Da ich um diese Zeit und bei der geringen Verkehrsdichte nicht mit Radarkontrollen rechne, dazu den Wegesrand genau nach verräterischen Kästen scanne, fahre ich flüssig nach Gefühl. Und laufe dabei prompt auf Tobi mit der Tracer auf. Mist, wo kommt der denn her?
Mittlerweile haben wir etwas mehr als die Hälfte der Strecke geschafft, daher wird es verdammt knapp, den Rückstand vom Handlingkurs noch aufzuholen. Glücklicherweise gilt auf unserer Etappe – bis auf wenige Ausnahmen – tatsächlich kein Tempolimit. Doch 299 km/h (keine Herstellerbeschränkung mit Koffern!) auf Dauer zu halten, ist schwierig. Zum einen, weil die Behälter zusätzliche Windangriffsfläche bieten und selbst der Kawa-Punch die Fuhre nur zäh auf Maximalgeschwindigkeit beamt. Und zum anderen, weil die H2 ab zirka 250 Sachen bisweilen mit der Front zu rühren beginnt – mit zunehmender Geschwindigkeit immer deutlicher. In solchen Situationen das Gas stehen zu lassen, erfordert massive „Cojones“. Bei Versuchsfahrten tags zuvor ohne Koffer bretterte die Kawa bei Maximalspeed spürbar ruhiger über die Bahn. Dann bringt auch das Kurvenbolzen mit hohen Tempi bei entsprechend weiten Radien den ultimativen Kick, weil man sich irre schnell und schräg vorkommt – ein göttliches Gefühl. Bei diesen Aktionen ist es jedoch überlebenswichtig, das Hirn einzuschalten und die Sinne zu schärfen – denkt dran, Folks!
Der nun dichter werdende Verkehr lässt solch hohe Geschwindigkeiten aber immer seltener zu. Dazu nerven die zahllosen Dauerlinksfahrer, die die freie rechte Spur hartnäckig ignorieren. Leider hilft es nur selten, rechts neben solchen Schlafmützen auf gleiche Höhe zu ziehen, um sie wachzurütteln. Also vorbeifahren? Riskant! Wird man dabei erwischt, drohen laut Bußgeldkatalog ein 100-Euro-Ticket und ein Punkt in Flensburg. Das will gut überlegt sein. Ebenfalls ein Dauerbrenner: Lkw, die sich zähe Elefantenrennen liefern. Wenn die schweren Jungs, wie häufiger geschehen, dann noch dicht vor einem herausziehen, kann es richtig gefährlich werden. Augen auf, liebe Brummifahrer! Meist befindet sich hinter schnellen Bikes ohnehin keiner. Die Maschinen bitte einfach vorbeilassen, erst dann rüberziehen.
Nach zwei Stunden und 44 Minuten erreiche ich den vereinbarten Treffpunkt. Zu dieser Zeit schlürft Sven schon genüsslich einen Kaffee. „War bereits vor zwölf Minuten hier“, grinst er zufrieden. Sein Tankbeleg beweist die Ankunftszeit. Damit jagte er mit der KTM mit einem Schnitt von über 172 km/h über die Distanz – drei Tankstopps inklusive. „Das waren die entspanntesten Vollgaskilometer meines Lebens“, schwärmt der Speed-Freak. „Die Super Duke ist bequem, läuft mit Koffern und Rucksack Tacho 272 und liegt brutal stabil. Das leichte Schwingen bei Topspeed stört nicht.“ Das ist umso bemerkenswerter, als der Hersteller – wie BMW – mit Koffern maximal 180 km/h erlaubt (Yamaha: 130 km/h), und das auch nur, wenn man sich wegen der „größeren Seitenwindempfindlichkeit und des geänderten Fahrverhaltens langsam an die Höchstgeschwindigkeit herantastet“ (O-Ton KTM).
Sechs Minuten hinter der Kawa kommt Tobi auf der Yamaha ins Ziel. „Merkwürdige Ergonomie“, knurrt er. „Die Fußspitzen auf den Rasten der Tracer zu platzieren, klappt höchstens bis Schuhgröße 36. Größere Stiefel stoßen mit den Fersen an die Ausleger der Sozius-Fußrasten. Dadurch müssen Normalgewachsene ihre Füße mittig auf dem Rastenkörper platzieren. Außerdem heizt der rechte Heizgriff stärker als der linke und fackelt auf der höchsten Stufe schier die Hand ab.“ Immerhin lobt er den passablen Windschutz und die zwar nicht besonders aktive, dafür aber bequeme Sitzposition. Dazu lockt die Yamaha mit einem äußerst günstigen Preis.
Noch vor der BMW rollt Jo auf dem X-ADV ein. Rückstand auf Sven: 36 Minuten. „Ich habe meinen Augen nicht getraut, als ich einen Quadfahrer seinen Untersatz in einer Baustelle auf der Fahrbahn schieben sah“, berichtet er kopfschüttelnd. „Der Sprit ging ihm aus, also habe ich ihn mit dem Roller einige Kilometer zur nächsten Tanke geschoben. Kurz danach platzte auch noch unmittelbar vor mir bei einem Transporter ein Reifen, ich konnte gerade noch ausweichen“. Erlebnisse von Jahren innerhalb von Minuten.
Mit einem satten Rückstand von einer Stunde 16 Minuten kommt Timo mit der S 1000 XR an. Möglicherweise hat ihn das Warten beim ersten Tankstopp den Zahn gezogen, was er aber vehement abstreitet. „Habe alles gegeben. Linksfahrer ohne Ende, und wenn die Bahn mal frei war, hat die XR ab 220, 230 km/h teils stark gependelt.“ Wie die Kawa benötigte die BMW mit vier Tankungen außerdem einen Stopp mehr als die restlichen Bikes. Auch das hält natürlich auf.