Man mag von den Hells Angels halten was man will. Tatsache ist, dass sie Teil der weltweiten Motorradszene sind. Auch in Deutschland. Ein neuer Bildband gewährt Einblicke in ihre auch für die meisten Motorradfahrer fremde Welt.
Man mag von den Hells Angels halten was man will. Tatsache ist, dass sie Teil der weltweiten Motorradszene sind. Auch in Deutschland. Ein neuer Bildband gewährt Einblicke in ihre auch für die meisten Motorradfahrer fremde Welt.
Dunkel und bleischwer, das sind normalerweise keine Attribute, die man mit Fotos in Verbindung bringt. Doch zu manchen dieser Bilder, besonders auf die Porträts, passen sie exakt. Andere Motive dagegen wirken eher verspielt, einige sogar ironisch, nicht wenige verstörend, kaum welche alltäglich. Drei Jahre hat der Stuttgarter Fotograf Lutz Schelhorn an seinem jetzt veröffentlichten Bildband gearbeitet. „Deutsche Hells Angels im Fokus“, bereits der Untertitel lässt Platz für eigene Interpretationen: In welchem oder wessen Fokus? Dem der Kamera, der Öffentlichkeit, von Polizei und Justiz, der Medien...? Schelhorn ist selbst seit über 30 Jahren dabei. Er weiß, dass der weltweit existierende und nach außen ordensgleich abgeschottete Bund motorradfahrender Männer polarisiert und an Reaktionen alles von sofortiger genereller Ablehnung als Kriminellenbande, klammheimlicher Outlaw-Faszination bis zu offener Bewunderung hervorruft. All das kann man auch in den 288 ausschließlich analog auf Schwarz-Weiß-Film aufgenommenen Bildern sehen. „Ich will mit ihnen zeigen, dass es zwischen Schwarz und Weiß noch 254 Graustufen gibt. Und wer will, kann darin eine Analogie auf die Hells Angels sehen, die auch nicht alle jeweils nur schwarz oder weiß zu sehen, geschweige denn gut oder böse sind“, beschreibt Schelhorn seine Arbeit.
Tatsächlich lässt der Bildband vieles offen. Als Begleittexte müssen oft nur die Vornamen der Porträtierten reichen. Wer mehr wissen will, ist gezwungen, in den Gesichtern zu lesen. Etwa zur Hälfte zeigen die Fotos Member des Clubs in großformatigen Einzelporträts, meist entstanden in Schelhorns Atelier. Das sind die eher schweren, dunklen Bilder von breitschultrigen Männern, die es verstehen, sich formatfüllend in Szene zu setzen. „Vorsicht, ich fresse kleine Kinder“ ist dabei ein gern genommener Gesichtsausdruck. Ob ernst oder ironisch gemeint, bleibt dem Betrachter überlassen. Da werden wuchtige Tattoos zur Schau gestellt oder stolz die Narben von Stichverletzungen auf der mächtigen Wampe gezeigt. „Hierbei habe ich keinem reingerdet. Jeder konnte vor der Kamera posieren wie er wollte. Und wir hatten dabei viel Spaß“, sagt Schelhorn, was man manchen Fotos sogar ansehen kann.
Die zweite Hälfte seiner Motive erlaubt jeweils lose Blicke in die Welt des so umstrittenen Clubs. Er war in den 60er- und 70er-Jahren stilbildend für das Image, das sich Motorradfahrer gerne verpassten und das viele bis heute sehen wollen: die Unkonformität auf zwei Rädern, nicht angepasst zu sein bis hin zur Rebellion gegen das Establishment. Harley-Davidson verstand die Affinität der Rocker für die Marke aus Milwaukee geschickt zu nutzen und profitiert bis heute vom einst durch die Hells Angels geprägten Böse-Buben-Image.
Mit genau dem Image spielt Schelhorn in manchen seiner Bilder. So zeigen viele der Motive Clubmitglieder in einem für sie typisch wirkenden Umfeld, zum Beispiel im Rotlicht-Millieu oder im Boxring inmitten eines knarzigen, schweißschwangeren Trainingsraums. Die Bilder sind real, nicht gestellt, wirken manchmal sogar wie ein fast zufällig entstandener Schnappschuss. Sie zeigen den Club diesseits, aber auch jenseits aller Klischees: auf Ausfahrten und Partys, mit Bikes und in Bars mit barbusigen Mädels, auf Beerdigungen oder beim Spielen mit den Kindern und Enkeln. Es sind Blicke in einen fremden Kosmos.
Der mitunter einen durchaus farbigen Eindruck hinterlässt. Besoders wenn man ihn in Schwarz-Weiß betrachtet.