Blick in die Zukunft: Kawasaki Ninja H2/R

Neuheiten: Kawasaki Ninja H2/R Überdruck

Eigentlich hatten wir uns damit abgefunden. 200 PS sind genug – so das stillschweigende Einvernehmen unter Herstellern und Kunden. Jedenfalls bisher. Mit der neuen Ninja H2 wird Kawasaki diese Latte reißen. Eine Annäherung an die Welt jenseits gängiger Werte.

Überdruck Kawasaki

So viel vorweg: Was oben zu sehen ist, ist noch nicht die neue Kawasaki Ninja H2, sondern eine Computerretusche auf Basis der bislang sehr dürftigen verfügbaren Fakten der nicht zulassungsfähigen Ninja H2R. Selbst zu diesem bereits auf der INTERMOT in Köln vorgestellten Modell (siehe MOTORRAD 22/2014) gibt Kawasaki nämlich außer der vagen Leistungsangabe von 300 PS kaum etwas heraus. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass der MOTORRAD-Entwurf dem neuen PS-Protz ganz nahekommt, ist ausgesprochen groß. Unsicherheit besteht eigentlich nur in der Frage, wie Form und Volumen des Auspuffs ausfallen und wo der zentrale Scheinwerfer genau angeordnet wird. Dazu noch leichte Zweifel, ob mit oder ohne Bugverkleidung – das war es.

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Natürlich gibt es Menschen, die über diese Details schon jetzt informiert sind. Kawasaki-Pressesprecher Andi Seiler gehört dazu, doch selbst er darf vor der Premiere in Mailand noch nicht jede Frage schlüssig beantworten. Zum Beispiel die, in welche Schublade man die neue H2 denn nun stecken soll. Sportmotorrad, Supersportler, Speedbike – so ganz leicht tun sich in die­ser Hinsicht nicht einmal die Schöpfer der Ninja H2 selbst (siehe Interview).

Die neue Ninja H2 vermutlich mit zehn bis 20 Kilogramm mehr

Wo steht die neue H2? Irgendwo zwischen dem Speedbike ZZR 1400 und der Supersportlerin ZX-10R – so viel ist sicher. Aber wo genau? Zumindest was das Gewicht angeht, kann man die Angelegenheit auch ohne nähere Angaben des Herstellers recht zuverlässig prognostizieren. Die H2 wird – das sieht man ihr an – weit unterhalb der 267 Kilogramm einer ZZR, aber über dem Gewicht der ZX-10R liegen. Dafür dürfte schon allein der Kompressor mit seiner Peripherie sorgen. Dazu wird eine Fahrwerksauslegung kommen, die auf Motorgewalten von rund 300 PS abgestimmt ist, denn die grundsätzlichen Abmessungen werden bei beiden Modellen identisch sein. Und auch der Motor selbst – übrigens nicht etwa ein aufgeblasener ZX-10R-Motor, sondern ein langhubiger ausgelegtes Aggregat, von dem es bislang keine exakten Bohrung-Hub-Daten gibt – muss wegen der höheren Belastungen vom Materialeinsatz kräftiger ausgelegt werden. 203 Kilogramm wiegt eine ZX-10R vollgetankt. Die neue Ninja H2 wird trotz ihres filigran wirkenden Gitterrohrrahmens vermutlich zehn bis 20 Kilogramm mehr wiegen.

Etwas schwerer fällt es, dem Motor seine Leistungsdaten abzutrotzen. Fette 300 PS in der R-Variante, aber nur 200 PS im Straßenableger – so verkündete Kawasaki in Köln und erntete ungläubige Blicke. Eben weil der 1000er-Reihenvierzylinder mit Kompressor diese 200 Pferdchen locker aus dem Ärmel schütteln dürfte. Alles eine Frage des Ladedrucks – und der wiederum hängt von der Auslegung des Kompressors und seiner Drehzahl ab. Wenn der auf 300 PS ausgelegt ist, liefert er den Druck für 250 PS eher nebenbei. Allerdings: Ganz so variabel, wie es anfangs schien, ist der von Kawasaki-Turbinenspezialisten konzernintern entwickelte Lader nicht. Eine vari­able Übersetzung, wie anfangs vermutet, gibt es nicht. Der Radialverdichter wird via Kette und Planetengetriebe von der Kurbelwelle angetrieben, und zwar mit einer Übersetzung auf das gut Neunfache der Kurbelwellendrehzahl. Geht man von den bislang kolportierten 130 000 bis 140 000/min des Kompressors aus, käme man auf eine für einen aufgeladenen Motor extrem hohe Drehzahl von 14 000 bis 15 000/min. Vermutlich wird es also selbst für die H2R weniger werden. Für die mehr als 200 PS der Straßenvariante reicht ganz sicher weniger, ein Bypass-Ventil entlässt den überflüssigen Ladedruck.

Wie beherscht man nun so ein PS-Mons­­ter? Natürlich sind ABS und Traktionskontrolle Pflicht, und wer wirklich auf dem Drag Strip antritt, wird auf der H2 von einer Launch Control unterstützt. Für alle anderen hingegen, die mit dem Übermotorrad auf der Autobahn die Mädels beeindrucken wollen, sind beide H2-Varianten keine Option. Ein Soziusplatz fehlt nämlich. Und der Preis? Von runden 25 000 Euro muss man wohl ausgehen, die R-Version wird ungefähr das Doppelte kos­ten. Das engt die Zahl der potenziellen Kunden naturgemäß stark ein, aber ein Massenmotorrad wollte Ka­­wasaki mit der Ninja H2 auch nicht bauen. Sondern eins mit richtig Druck.

Drei Raketen

Highspeed – offensichtlich ein ori­ginäres Kawasaki-Thema. Stärker und schneller als die Konkurrenz zu sein, hat im Hause Tradition. Schon die historische Mach IV 750 H2 mit Drei­zylinder-Zweitaktmotor von 1971 fuhr der Konkurrenz um die Ohren, hatte aber keine im eigenen Haus. Aber welche Kawa darf’s heute sein? Im Programm für 2015 finden sich nämlich noch zwei weitere Modelle, die vor Kraft nur so strotzen. Sowohl für die ZX-10R als auch für die ZZR 1400 geben die Grünen 200, unter Staudruckeinfluss sogar 210 PS an. Die ZZR 1400 beschleunigt schneller (0–200 km/h in 7,0 sek) und hat den höheren Topspeed (298 km/h), die ZX-10R ist eine Macht auf dem Rundkurs. Das wird sie auch bleiben, während auf dem Drag Strip mit der H2 die Karten neu gemischt werden.

Interview mit Andras Seiler

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Kawasaki-Pressesprecher Andi Seiler.

„Wir zeigen mit der H2 unsere Kompetenz“

Kawasaki-Pressesprecher Andi Seiler über die Einordnung der neuen Ninja H2 in die gängigen Motorrad-Schemata und über den Umgang mit 300 PS.

Andi, kurze Frage und wahrscheinlich lange Antwort: Was ist die neue Ninja H2 oder gar die H2R?
Die H2 ist für Kawasaki ganz klar der neue Imageträger, der auch deutlich zeigt, wie man die einzelnen Bereiche von Kawasaki Heavy Industries – also Luftfahrttechnik, Gasturbinen und Motorcycle Engines – miteinander verknüpfen kann. Dieses Motorrad zeigt unsere Kompetenz. Außerdem wollten wir etwas Neues schaffen und haben auf der Messe gesehen, wie begeistert die Leute von der Kompressortechnologie waren.
Trotzdem noch einmal die Frage: Was ist das? Ist das ein Supersportler oder ein reines Speedbike? Wo sortiert ihr das ein – und was dürfen die Kunden erwarten?
Es ist – ja, vielleicht ist es mit „supersportliches Sportmotorrad“ am besten umschrieben. Und es ist ein Speed King. Es ist schon irgendwie die Fortsetzung des ZX-12R-Themas, aber es ist wesentlich rundkurstauglicher. Allerdings ist es nicht so kompromisslos auf die Rennstrecke ausgelegt wie zum Beispiel unsere ZX-10R, die da eindeutige Vorteile hat. Wir werden auch die Präsentation auf einem Rundkurs machen. Aber auf einem, der auch mal ein paar lange Geraden hat, um zu zeigen, was die Performance des Motorrads ausmacht. Grundsätzlich gilt: Eine H2R – auch in der Basisversion H2 – ist durchaus auch bei einem Renntraining einsetzbar.
Wie war die Resonanz des Publikums in Köln auf das Motorrad?
Riesig. Nicht nur beim Publikum hier, sondern auch auf allen Online-Kanälen. Die H2R war der Star der Mes­se. Es gab viele Menschen – auch VIPs –, die nur wegen dieses Motorrads zur Messe gekommen sind.
Gab es bei Kawasaki keine Bedenken, dass dieses Motorrad nicht in die Zeit passt?
Für die Zeit haben wir andere Mo­torräder. Es war einfach nur mal an der Zeit, dass Kawasaki so ein Highlight setzt. Natürlich ist die H2 ein Motorrad, das sich nur für erfahrene Piloten eignet. Man muss auch mal andere Wege gehen, aber wir werden schon dafür sorgen, dass auch das Serienmotorrad gut fahrbar ist. Das haben auch die Testfahrer bestätigt. Natürlich gehen wir auch davon aus, dass kein Motorradneuling eine H2 oder H2R kauft. Dafür werden vermutlich alleine die Preise sorgen.
Wie teuer wird es denn werden?
Darüber kann ich jetzt verständli­cherweise noch nichts sagen. Die H2 wird ja erst in Mailand präsentiert. Aber natürlich kann so ein Motorrad in dieser Liga mit jeder Menge hochwertiger Komponenten nicht ganz billig werden. Wartet noch ein wenig ab.

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