Sportreport Moriwaki MD 250 H: Neuer Viertakt-Renner
Bass-Solo

Unerhörte Töne: Ins kreischende Sopran-Konzert der 125er-Zweitakter mischen sich bei den Rennen zur Achtelliter-IDM seit Anfang der Saison sonore Bassklänge. Die steuert der 15-jährige Schweizer Dominic Schmitter (52) mit seiner Moriwaki MD 250 H bei. Noch ist er als Viertakt-Fahrer ein Einzelkämpfer.

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Foto: Wiessmann

Die Situation war wie geschaffen, um den Begriff „Kinderkrankheiten“ zu illustrieren, der so gern bemüht wird, wenn neue technische Errungenschaften unerwartete Macken zeigen. Schauplatz Sachsenring Mitte Juni 2009, vierter Termin zur Inter-nationalen Deutschen Motorrad-meisterschaft IDM. Das Rennen der 125er-Klasse war nach einem Sturz in der siebenten Runde abgebrochen worden, die Fahrer auf dem Weg zu ihren Positionen für den Neustart. Nur einer nicht – Dominic Schmitter. Der 15-jährige Schweizer wartete verzweifelt darauf, dass es seinem Mechaniker Jon Mathieu gelingen möge, den abgestorbenen Motor seiner Maschine per Kickstarter wieder zum Leben zu erwecken. Doch der streikte beharrlich.

„Um einen bereits heißen Einzylinder-Viertakter ankicken zu können, muss man das Klicken des Auto-Dekompressors hören“, erklärte Dominics Vater und Teamchef Peter das Problem, „aber das ist praktisch unmöglich, wenn direkt daneben drei Dutzend 125er-Zweitakter warmlaufen.“ Peter Schmitter ist die treibende Kraft hinter dem Projekt, mit einem der in diesem Jahr erstmals zugelassenen 250er-Einzylinder-Viertakter in der IDM gegen die Zweitakt-125er anzutreten. Ein echtes Probejahr, in dem weder vom Motorrad noch vom Sohnemann Heldentaten erwartet werden. Obwohl auch Jung-Dominic dies weiß, hat ihn der Ausfall ziemlich geärgert: „Der Sachsenring mit seinen engen Kurven liegt mir sehr, außerdem hatte ich mich in den sechseinhalb Runden bis zum Abbruch schon von Startplatz 43 bis auf Platz 35 vorgearbeitet.“
Peter Schmitter setzt das Ereignis auf die Liste noch zu lösender Probleme. Die sind hauptsächlich in der Hardware begründet. Denn das Basismotorrad, die beim japanischen Tuner und Fahrwerksspezialisten Moriwaki hergestellte MD 250 H, taugt zwar gut für Markenpokale, wie es sie zu Hause in Japan und inzwischen auch in Italien, den USA und Australien gibt. Im Vergleich mit professionell präparierten 125er-Zweitaktern wie zum Beispiel der Honda RS 125 R des alten und neuen Deutschen Meisters Marcel Schrötter ist der kleine Viertakt-Single jedoch noch chancenlos. Dabei verwendet auch Moriwaki etliche Teile aus dem Honda-Regal, Gabel, Hinterradfederung, Räder und Bremsen zum Beispiel. Der Aluminium-Brückenrahmen, Hinterradschwinge, Auspuff, Fußrasten-anlage und Verkleidungsteile stammen dagegen von Moriwaki selbst.
Das größte Hindernis in Sachen Konkurrenzfähigkeit jedoch ist der Originalmotor der 13000 Euro teuren MD 250 H. Der stammt aus der Honda-Enduro CRF 250 X. „Mit angegebenen 38 PS viel zu schwach“, sagt Peter Schmitter, „die besten 125er-Zweitakter in der IDM haben sicher 52 PS.“ Deshalb ist er auf das Triebwerk des Crossers CRF 250 R umgestiegen, das zumindest 42 PS leistet. „Aber da haben wir nur ein Fünfganggetriebe.“ Ein weiterer Schwachpunkt ist die Motorsteuerung, an deren begrenzter Höchstdrehzahl von 13000/min auch ein Tüftler wie Schmitter bisher nicht vorbei kommt. Er ist sicher, dass der Motor mehr vertragen und dann auch mehr Leistung liefern würde.
Tuningmaßnahmen sind allerdings nicht mehr geplant, weil Honda, wie auch Suzuki und Yamaha bereits die nächste Generation ihrer 250er-Cross-Ein-zylinder vorgestellt haben, allesamt mit Einspritzung und ab September lieferbar. „Dann lohnt es sich, eigene Motorsteuerungsprogramme zu entwickeln“, so Schmitter. Bis zu 60 PS will er so mobilisieren und damit auch potenzielle Kunden für 2010 interessieren. Der Vertrieb der Moriwaki-Renner, ob mit Honda- oder Suzuki-Motor, könnte über seine Firma PCP Sport Promotion GmbH (www.pcp-promotion.ch) laufen.
Allerdings wird er Konkurrenz bekommen. Seit der deutsche Motorrad-Grand-Prix-Altstar Ralf Waldmann anlässlich des Sachsenring-GP Mitte Juli einen 250er-Viertakter mit selbst entwickeltem Fahrwerk und KTM-Motor auf der Strecke vorstellte, ist die Aufmerksamkeit für die Baby-Viertakter weiter gestiegen. 2010 will Waldmann, neuerdings Mitbesitzer der sächsischen Motorradschmiede MZ, unter dem Traditionsnamen MZ RE 250 einen Production-Racer anbieten, und zwar zwischen 20000 und 25000 Euro. Beim IDM-Finale in Hockenheim am 13. September möchte Waldi mit dem kleinen Viertakter das 125er-Rennens mitfahren. Zu diesem Termin will auch Motorenspezialist Michael Schäfer aus Saarlouis (www.schaefer-motorsport.de) einen Viertakt-Piloten ins Rennen schicken, wohl auch mit einem Waldmann-Chassis und KTM-Power, allerdings aus der eigenen Tuning-Manufaktur.Schäfer und Waldmann rechnen mit großem Interesse, schon weil die Einsteigerklasse in die nationale Meisterschaft mit der neuen Technik billiger wird. „Ein Zweitakter braucht alle 200 Kilometer einen neuen Kolben und alle 1500 eine neue Kurbelwelle – beim Viertakter kalkulieren wir mit Wartungsintervallen von 3500 Kilometern“, rechnet Waldmann vor. Eine Europameisterschaft ist angekündigt, und auch in der WM werden die 125er-Zweitakter mittelfristig einer „Moto3“-Viertaktklasse weichen müssen. Die 250er-Single sind dabei ein Erfolg versprechendes Denkmodell. Die Tonlage in den Youngster-Racing-Klassen wird also um eine gute Oktave absinken.

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