Wer bei der Motorradwahl, statt der Vernunft gehorchend, nach Gefühl entscheidet, findet sich mitunter schneller auf dem Boden der Tatsachen wieder, als ihm lieb ist. Schon viele kleingewachsene Motorradfahrer mussten diese schmerzliche Erfahrung bei einem ganz gewöhnlichen Ampelstopp machen, weil Mensch und Maschine nicht zusammenpassten. Was also tun, wenn die Beine für das Traumbike zu kurz sind, aber keine Alternative in Betracht kommt?
In solchen Fällen machen es Motorradfahrer wie Manni Manta und legen ihr Fahrzeug eben tiefer. Das funktioniert allerdings nur dann zufriedenstellend, wenn bis zum Bodenkontakt lediglich einige Zentimeter fehlen. Leichte Piloten verringern zuerst durch Verstellen der Federbasis an Federbein und Gabel das Niveau, sofern möglich. Im günstigsten Fall reduziert sich auf diese Weise die Sitzhöhe bereits um bis zu zehn Millimeter, ohne dass die Federelemente durchschlagen. Absolute Fliegengewichte können deshalb Gabel und Federbein sogar mit weicheren Federn bestücken oder zumindest die in vielen Gabeln verwendeten Vorspannhülsen so weit kürzen, dass sie anschließend satt, und nur mit geringer Vorspannung am eingedrehten Gabelstopfen anliegen. Außerdem lassen sich bei den meisten Motorrädern die Gabelholme problemlos fünf bis zehn Millimeter nach oben durch die Gabelbrücken schieben. Dabei muss jedoch unbedingt sichergestellt werden, dass weder Vorderrad noch Kotflügel mit der oberen Gabelbrücke, Kühler oder gar Motor kollidieren können! Insgesamt sorgen diese Maßnahmen für eine Verbesserung der Standsicherheit leichter Solisten, Fahrverhalten und Komfort mit voller Zuladung verschlechtern sich allerdings meist spürbar.
Baumeln die Beine jetzt noch immer in der Luft, geht es im nächsten Schritt der Sitzbank ans Polster. Bei relativ breiten Bänken sollte nicht nur die Höhe des Schaumstoffs reduziert werden, sondern auch die Breite (siehe nebenstehenden Kasten). Auf diese Weise kann die Sitzhöhe locker um bis zu fünf Zentimeter verringert werden. Allerdings verändert sich hierdurch oftmals auch der Abstand zum Lenker nachteilig.
Wenn all diese Maßnahmen noch immer nicht zum Ziel führen, müssen dem Bike die fehlenden Zentimeter bis zum Boden durch Modifikationen an den Radaufhängungen abgerungen werden (siehe Kasten Seite 126/127). Diese Arbeiten verändern die Fahrwerksgeometrie und gehören daher in Profi-Hände. Bei den Umrüstkits von Alpha Technik muss der fachgerechte Einbau für die in jedem Fall erforderliche TÜV-Abnahme ohnehin mit Stempel und Unterschrift der Werkstatt bestätigt werden.
Falls das Federbein bei älteren Motorrädern bereits Verschleißerscheinungen zeigt, empfiehlt sich anstelle des Einbaus geänderter Umlenkhebel die Montage eines neuen, kürzeren Federbeins mit angepasster Dämpferabstimmung. Egal, ob mit anderen Hebeln oder kürzerem Federbein, die Sitzhöhe verringert sich – je nach Motorrad – mit Werten zwischen 30 und 60 Millimetern beachtlich. Nicht zu Verachten sind aber auch die Einbußen der Schräglagenfreiheit sowie die benötigten Kräfte beim Aufbocken auf den Hauptständer. Bei einigen Bikes fällt er sogar ganz weg, bei anderen Modellen müssen Haupt- und Seitenständer lediglich gekürzt werden. Letztlich können auch die Fußrasten einen optimalen Bodenkontakt erschweren. Die sind speziell bei vielen Allroundern genau dort angebracht, wo kurze Beine nach Halt suchen. Dieser Punkt sollte also bei einem Umbau ebenfalls einkalkuliert werden.
Anbieter
Sitzbank-ArbeitenAlbig-Throne, Telefon 07032/74587Engel Motorradtechnik, Telefon 06392/2626Götz , Telefon 07476/933150Jungbluth, Telefon 02425/901470Kahedo, Telefon 07476/2305Moto Dress, Telefon 030/2142221Petri, Telefon 07435/1389Rapp, Telefon 07445/1409Schmid, Telefon 07428/1513Sitz & Design, Telefon 06131/42055Sitzbankschmiede Steinike, Telefon 06151/44776Zimmermann Motorsport, Telefon 07485/1094TieferlegungssätzeAlpha Technik, Telefon 08036/300720Wilbers Products, Telefon 05921/6057Kürzere FederbeineBitubo,Telefon 08036/300720Öhlins, Telefon 08669/8480White Power, Telefon 05941/920780Wilbers Products, Telefon 05921/6057UmbautenMotorradhändler haben auch Fahrschulen in ihrer Kundschaft. Viele Händler haben sich daher schon mit Tieferlegungen beschäftigt oder gar eigene Umbaumöglichkeiten entwickelt. Deshalb sollte der Vertragshändler der erste Ansprechpartner bei einer geplanten Sitzhöhenreduzierung sein. Darüber hinaus bieten folgende Händler Umbauten an:Hiller, Telefon 0711/650440 (mehrere Suzuki-Modelle)MaSto, Telefon 03724/855864 (BMW R 80/100 GS, R 80/100 R)Mayer, Telefon 07181/41422 (Honda SLR 650, Vigor; Suzuki GS 500 E, SV 650; Yamaha XJ 600 S/N)MTC, Telefon 07161/9141636 (Yamaha-Modelle)Speer, Telefon 07121/959310 (Suzuki DR 650 SE, SV 650) Stauch, Telefon 0711/701918 (zahlreiche Honda-Modelle)Importeure japanischer 400er-MotorräderMotorrad-Zentrale Dasing, Telefon 08205/96200 (Gebrauchte 400er und Ersatzteile)Japan Speed Motorrad Staudinger, Telefon 08031/44930Motorrad Wagner, Telefon 06408/3414 (Spezialisiert auf Einfuhr aller in Japan erhältlichen 400er- und 250er-Motorräder; Ersatzteillager)UGT-Bikes Schindler, Telefon 07621/934717ZTK Erlebniswelt Könemann, Telefon 05193/964301
Umbau-Methoden
Wenn die Füße trotz abgepolsterter Sitzbank und Absenkung per Federbasis am Federbein den Boden noch immer nicht erreichen, werden tiefergreifende Arbeiten an Gabel und Hinterradaufhängung notwendig. Hierbei gibt es je nach Modell verschiedene Möglichkeiten, die Sitzhöhe abzusenken. Am einfachsten gestaltet sich die Tieferlegung, wenn das Bike bereits serienmäßig über eine weitere Federbeinaufnahme verfügt wie einige Suzuki-Modelle (DR 650 SE, XF 650 Freewind). Das Versetzen des Federbeins ist hierbei ohne viel Aufwand kostengünstig zu bewerkstelligen, muss jedoch wie jede der nachfolgend beschriebenen Tieferlegungsmaßnahmen in die Papiere eingetragen werden.So auch das nachträgliche Bohren einer weiteren Federbeinaufnahme (1), mit der zum Beispiel das Motorradhaus Mayer den Yamaha-XJ 600-Modellen mit direkt angelenktem Federbein zu einer um 30 Millimetern reduzierten Sitzhöhe verhilft (380 Mark inklusive Einbau und TÜV-Abnahme). Vorn sorgen bei allen Umbauten entweder weichere Federn (2) oder etwas weiter durch die Brücken geschobene Gabelholme für eine an das abgesenkte Heck angepasste Balance. Vorsicht: Mehr als 10 Millimeter »Luft« sind aber bei Straßenmotorrädern in der Regel nicht drin! Wird das Federbein über ein progressiv wirkendes Hebelsystem angelenkt, verwenden die Anbieter von Tieferlegungssätzen meist geänderte Schub- oder Zughebel zur Verringerung der Sitzhöhe. Modellabhängig fallen diese Umbau-Kits unterschiedlich aus: Bei der Honda CBR 600, Typ PC 35 (3), reichen längere Hebel für eine Absenkung um 40 Millimeter, während den Kits für die Yamaha YZF-R6 (40 Millimeter) (5) und Suzuki SV 650 (50 Millimeter) (7) eine Distanzscheibe zur Begrenzung des Federbeinhubs beiliegt (alle von Wilbers, 129 Euro). Für die Yamaha YZF 750 R (30 Millimeter, 169 Euro) (6) sieht auch Alpha Technik einen Hubbegrenzer vor, während beim Umbau der Yamaha XJ 600 (30 Millimeter, 225 Euro) (4) geänderte Federbeinaufnahmen sowie modifizierte Vorspannhülsen für die Gabel zum Einsatz kommen.
Enduros tieferlegen
Mittels gezielter Modifikationen rücken selbst hohe Enduro-Sitzbänke in erreichbare Nähe. Allerdings gehen die hierfür notwendigen Änderungen ordentlich ins Geld. So kostet beispielsweise der tiefgreifende Super-Moto-Umbau der Suzuki DR 550 SE von Speer mit kleinem 17-Zoll-Vorderrad knapp 1000 Euro. Neben dem 17-Zoll-Rad beinhaltet der Umbau noch eine abgepolsterte Sitzbank, zwei Straßenreifen sowie einen dem kleineren Durchmesser angepassten Kotflügel. Das Ergebnis kann sich aber mit einer Sitzhöhenreduzierung von 870 auf 760 Milimetern sehen lassen. Mit rund 1200 Euro beziffert die Firma MaSto die Kosten für die Tieferlegung der BMW R 80/100 GS ähnlich hoch. Änderungen am Rahmenheck sowie eine spezielle Sitzbank setzen die Sitzhöhe auf TÜV-geprüfte 770 Millimeter herab. Einen Sonderfall unter den Enduros stellt die nur noch auf dem Gebrauchtmarkt erhältliche Suzuki DR 350 SH dar. Bei ihr lässt sich die Sitzhöhe über einen Drehknopf, der drei Hydraulikzylinder beaufschlagt, um vier Zentimeter von 890 auf minimal 850 Millimeter verringern.
Abpolstern
Das Abpolstern einer Motorradsitzbank sollte man auch bei gutem handwerklichen Geschick besser einem Fachbetrieb überlassen. Stärkerer Beschnitt des originalen Sitzpolsters erfordert nämlich nicht nur einen neuen, maßgeschneiderten Bezug, sondern meistens auch den Einsatz spezieller Verbundschaumstoffe. Mit ihrer höheren Dichte kompensieren die in unterschiedlichen Härtegraden erhältlichen Schaumstoffe den Materialverlust. Sie gewährleisten auf diese Weise trotz reduzierter Auflage einen guten, auf das individuelle Körpergewicht angepassten Sitzkomfort. Dies gilt besonders dann, wenn gleichzeitig mit dem Abpolstern auch die Breite der Bank verringert wird.
Modelle
Die Auswahl an geeigneten Motorrad-Modellen für kleine Biker ist größer, als es zunächst den Anschein hat. Besonders Führerscheinneulinge orientieren sich bei der Suche nach einer Maschine häufig an der Sitzhöhe und landen deshalb fast zwangsläufig im tief angebrachten Sattel eines Choppers oder Cruisers. Erfahrenere Piloten, die eher eine flotte Fahrweise bevorzugen, finden allerdings auch unter den Naked Bikes oder Sportlern Maschinen, die ohne Umbauten selbst Menschen mit einer Körpergröße von weniger als 160 Zentimetern einen halbwegs sicheren Stand ermöglichen. Darunter befinden sich wahre Leckerbissen wie beispielsweise die leichtgewichtige Honda VFR 400 R mit einer Sitzhöhe von gerade einmal 750 Millimetern. Der einst sündhaft teure Sportler, den Honda ab 1991 für 19170 Mark zwei Jahre lang offiziell in Deutschland anbot, begeistert als erschwingliche Gebrauchte auch heute noch mit seinen technischen Details wie der Einarmschwinge sowie der Optik der großen Superbike-Schwester mit dem berühmten Kürzel RC 30. Weitere interessante Vierhunderter sind die hierzulande zeitweise ebenfalls offiziell angebotenen Suzuki GSF 400 Bandit, Kawasaki ZXR 400 und Honda CB 1. Letztere ist dank ihrer Sitzhöhe von lediglich 715 Millimetern noch immer ab und an in den Fahrschul-Fuhrparks anzutreffen. Die in Deutschland kaum bekannten Motorräder der in Japan überaus populären 400er-Klasse könnten also für all jene eine überlegenswerte Alternative darstellen, denen das Tieferlegen von Motorrädern ein Greuel ist. Wer mit dem Neu- oder Gebrauchtkauf eines dieser leichten und niedrigen Bikes liebäugelt, sollte sich an Firmen wie die Motorradzentrale Dasing oder Parallel-Importeure wie Wagner, UGT-Schindler, Könemann oder Staudinger wenden, die nicht nur reichlich Erfahrung mit der Einfuhr dieser Maschinen besitzen, sondern größtenteils auch die notwendigen Ersatzteile auf Lager haben.