Ducati Desert X Rally für 21.590 Euro

Ducati Desert X Rally im ersten Fahrtest
:
Lange Federwege, V2 und 110 PS für 21.590 Euro

Ducati will mit der Rally die Desert X auf ein neues Level heben. Bei Sitzhöhe und Preis gelingt es zweifellos. MOTORRAD fuhr das Top-Modell.

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Es ist nicht verbrieft, ob Fahrer einer Ducati DesertX bislang Geländegängigkeit vermisst haben. Viele dürften es jedoch nicht gewesen sein: Echte Enduro-Raddimensionen in 21/18 Zoll, konsequente Enduro-Ergonomie und reichlich bemessene 230/220 Millimeter Federweg (pari etwa mit Yamahas Ténéré World Raid) senden eine eindeutige Botschaft – die DesertX mag’s dreckig. Zumal, kein Geheimnis, man als Besitzer einer solch stolzen Investition wahlweise Crashbudget oder Sattelfestigkeit mitbringen sollte, wenn die Offroad-Ambition über geschotterte Parkplätze und Hoteleinfahrten hinausgeht. Wirklich Wüstes, sind wir ehrlich, stellt nur eine kleine Minderheit mit einem solchen Motorrad an.

Fahrbericht: Ducati DesertX Rally 8:32 Min.

Ducati Desert X Rally

Wenn Ducati nun also mit der Rally eine verschärfte, offroadaffinere Variante der DesertX in die Showrooms schiebt, kann man davon ausgehen, dass dies weniger aus Not oder Nachfrage heraus geschieht. Schon eher: weil man nicht nur auf den Rennstrecken dieser Welt, sondern überall den heiligen Performance-Anspruch unter Beweis stellen will. Recht so! Und verlangt nicht ein ungeschriebenes Gesetz, dass es von jedem Motorrad eine krassere Version geben muss? Weil: Mehr hilft mehr!

In jedem Fall darf die Ducati DesertX Rally, deren wesentliche Neuerung ein noch potenteres Fahrwerk ist, als Fehdehandschuh nach Mattighofen verstanden werden. Die einstellbare KYB-Forke hat einen Standrohrdurchmesser von 48 statt 46 Millimetern und ist in Closed-Cartridge-Bauweise konstruiert, wird in einer gefrästen Gabelbrücke geführt und verfügt über ellenlange 250 Millimeter Federweg. Hinten eine vergleichbare Aufwertung: KYB-Monoshock, 46er-Kolbendurchmesser, High- und Lowspeed-Druckstufeneinstellung, hydraulisch einstellbare Federbasis, nun satte 240 Millimeter Travel. Ein jetzt einstellbarer Lenkungsdämpfer von Öhlins, stabilere Takasago-Excel-Felgen (gefräste Naben, hinten vier Zoll, Schläuche), Kohlefaser-Motorschutzplatte und ein hochverlegter Frontfender komplettieren mit dem robusten "Erzberg"-Dekor die Maßnahmen. Alles andere an Bord, etwa das große Elektronik-Gedeck mit sechs Fahrmodi und IMU, der 21-Liter-Tank, und Bolognas heimlicher Champion, der breitbandig-charakterstarke 937-Kubik-Twin mit 110 PS, setzen wir als bekannt voraus.

Fahrbericht: Ducati Desert X 3:32 Min.

So fährt die neue Ducati Desert X Rally

Nun ran? Nein rauf! Selbst wenn Ducati trotz potenteren Fahrwerks stolz verkündet, die Rally wiege nur ein Kilo mehr als die Basisversion (211 Kilo ohne Sprit, macht voll knapp 230), haben wir es hier mit einem ausgewachsenen, vor allem hohen Motorrad zu tun. Man selbst, an guten Tagen 1,70 Meter hoch, hat das Klettern mittlerweile als Normalität angenommen, schätzt Bodenfreiheit, Platz zum Turnen und eine gute Spielübersicht mehr als etwa einen erreichbaren Seitenständer. Wer allerdings gern festen Boden unter einem oder gar beiden Füßen hat, sollte eine gewisse Statur mitbringen.
Raus aus der Stadt – Marrakesch übrigens – ist alles da, wo man es erwartet. Der aus Monster, Hypermotard und Co. bekannte L-Twin bleibt ein prächtiger Alleskönner mit gutem Benimm, Schmalz an der richtigen Stelle und reichlich Desmo-Charakter.

Er tut nach Modus das, was er soll: urbanen Alltag, Tour, Sport. Mit ihm als zentralem Darsteller verbreitet die Rally-Variante der DesertX auf Asphalt Fahrspaß – umso mehr, je miserabler dieser ausfällt. Als Nebeneffekt von reichhaltigem Federweg und überragend smoothem Ansprechverhalten des KYB-Fahrwerks ist eine Rally die wahrscheinlich komfortabelste Ducati, noch vor jeder Multistrada. Doch das war nicht Entwicklungsziel, und für derlei Belanglosigkeit sind wir nicht hier. Ein staubiger Schlenker in den hohen Atlas, gefolgt von ausgedehnter Dollerei in der berühmten Steinwüste von Agafay zeigt in der Tat ein immenses Offroad-Potenzial. Stehend gefahren finden die Beine perfekten Anschluss an den Tankflanken, liegt der hohe Lenker gut zur Hand, bieten griffige Rasten tollen Halt. Das Motorrad ist in Längsrichtung einwandfrei ausbalanciert, der Enduro-Fahrmodus lockert die Zügel der Assistenz angemessen, und so stellt sich direkt ein lässig-flotter Swing ein.

MotoVlog: Ducati DesertX 12:30 Min.

Neues Fahrwerk, angepasste Fahrmodi

Genug, um eine überaus hochwertige Arbeitsweise des Fahrwerks zu erspüren: In bester Sportenduro-Manier (wo Kayaba-Cartridge-Gabeln einen ausgezeichneten Ruf genießen) nutzt die Rally ihren Federweg, bügelt wattig die Piste glatt, vermittelt damit viel Traktion und Sicherheit, ohne Reserven missen zu lassen. Sachdienlich, wie entspannt, aber präzise der Motor im "Enduro"-Modus ans Werk geht. Die hier gebotenen 75 PS sind, wenn man ehrlich ist, ein wunderbares Maß Leistung auf losem Untergrund. Wer sich von Verfolgern absetzen will oder einfach gern Staub aufwirbelt, kann wie üblich entweder ein anderes Mapping wählen (Tipp: volle Leistung, sanftes Ansprechen) oder gleich den "Rally"-Modus. In dem wurde die TC-Kennlinie, wie immer bei Ducati acht Stufen, für den als OEM-Bereifung verfügbaren, grobstolligeren Pirelli Scorpion Rally (nicht STR) angepasst. Als 50/50-Reifen passt der gut zum Charakter der Maschine: Weniger Stolle wäre zu wenig, mehr flöge dir auf Asphalt beim Einsatz von 110 PS um die Ohren.

Rundes Paket, nicht nur das der Elektronik

Letztlich stellt das gewohnt weitreichend konfigurierbare, voll offroadtaugliche Elektronikpaket, zu dem auch ein Enduro-Modus für das ABS gehört, eine zentrale Stärke der DesertX dar. Der Quickshifter ist offroad eine echte Hilfe, ein Lenkungsdämpfer ist hier ohnehin Pflicht. Bedenken angesichts einer Motorschutzplatte aus Kohlefaser sind nicht angebracht. Das ist kein Blingbling-Carbon, sondern ein wirklich robustes Teil – im Vergleich zu Alu ändert sich eigentlich nur die Tonlage beim Einschlag. Gleiches kann man von den Handguards leider nicht behaupten. Die windigen Spitzgussteilchen haben außer Wetterschutz bestenfalls kosmetischen Nutzen. Woher wir wissen, dass sie bei der kleinsten Berührung Schaden nehmen? Sagen wir nicht. Dieser Hinweis sei aber erlaubt: Die DesertX Rally verlangt für halbwegs angemessene Fortbewegung eine zupackende Hand. Sie wirkt länger als andere Maschinen der Kategorie, ihr Schwerpunkt ist höher, ihr Rahmen steifer. All das macht sie nicht weniger potent, eher im Gegenteil. Aber physischer und vor allem in langsamen Passagen kniffliger. Auch im Adventure-Segment ist die Ducati also eher das rassige Rennpferd und weniger das gutmütige Muli.

Fazit

91 Zentimeter Sitzhöhe, 21 590 Euro: fraglos kein Motorrad für die breite Masse. Höchstwahrscheinlich kein Motorrad, das viele benötigen. Für alle Schmerzfreien, die mit ihrem Adventurebike die nächste Rallye ansteuern, bringt das Fahrwerks-Upgrade handfeste Vorteile. Schließlich gibt es ja noch Menschen, die nie eine Basis-Ducati kaufen würden.

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