+++ Jetzt die neue Horex in der serienreifen Version in Dortmund auf der Motorradmesse bewundern. +++ Eine Gruppe Motorrad-Enthusiasten will dem Markennamen Horex neues Leben einhauchen. Ein 200-PS-Motorrad soll für Furore sorgen.
Horex – was für ein Name, was für eine Tradition! Kann die Marke, die in den 50er-Jahren zu den großen Motorradherstellern gehörte, je wieder aufleben? Diese Frage erübrigt sich seit Juni 2010. Denn als am 15.6. die neuen Eigner der Markenrechte an die Öffentlichkeit traten, hatten sie längst in aller Heimlichkeit agiert: die Marke gesichert, eine Website gestaltet, eine Agentur engagiert und die wichtigsten Motorradjournalisten nach München-Oberschleißheim ins Luftfahrtmuseum eingeladen; ein würdiger Rahmen für die Präsentation der ersten neuen Maschine.
Hinter Horex stecken drei ehemalige Hewlett-Packard-Manager. Chef ist Clemens Neese, ein vom Premium-Gedanken beseelter, unheimlich überzeugender Macher-Typ, dem man sofort abnimmt, dass er weiß, was er tut. Finanzchef Frank Fischer muss es ebenso wissen, denn er sorgte dafür und soll es noch einige Jahre tun, dass der neu gegründeten Horex GmbH die Mittel zur Verfügung stehen, um eine Serienproduktion zu starten und am Leben zu halten. Und dann ist da noch Fritz Rombach, ein in Ehren ergrauter Vertriebsmann, der sich um die Geschäftsentwicklung und das Händlernetz kümmert. Drei Männer, die mit ihren sechs Beinen mitten im Leben stehen. Drei Männer, die man nicht so einfach als Spinner abtun kann. Dazu ist das ganze Projekt auch schon zu weit gediehen, viel zu viel Geld ausgegeben und viel zu seriöse Menschen und Firmen im Umfeld eingesetzt worden. Aber davon später.
Was soll da 2011 als Horex auf den Markt kommen? Ein 200-PS-Kracher mit sensationellem VR6 -Motor und Kompressor. Das Ganze auch noch als eher zahm gestalteter Roadster, der dem gemütlichen Spazierenfahren näher steht als dem ultrabrutalen Beschleunigen. Einen Namen hat die neue Horex noch nicht, aber wenn man sich die Eckwerte vor Augen führt, dürfte mindestens ein „Imperator“ auf dem Tank der Neuen prangen.
Die einzylindrige Horex Regina war in den 1950er-Jahren die meistgebaute 350er der Welt.
Clemens Neese hat sich den VR6-Motor für Einspurfahrzeuge patentieren lassen. Der große Vorteil dieser Bauweise ist der geringe Platzbedarf. Mit keiner anderen Konfiguration lassen sich sechs Zylinder so dicht packen. Nachteil: Einlass- und Auslasskanäle liegen sehr eng beieinander, große Querschnitte und optimale Füllungsgrade sind schwer zu erreichen. Weil die Zylinderachsen verschränkt sind, können die Kolben nicht radialsymmetrisch zu ihrer Längsachse ausgeführt werden: Der Kolbenboden sitzt schräg auf dem Kolbenhemd. So richtig große Kolben passen bei der Kompaktbauweise auch nicht in den Block.
Der neue Horex-VR6-Motor spreizt die Zylinder, wie die VR6-Motoren von VW, um 15 Grad. Die je drei Ventile pro Brennraum sind radial angeordnet. Drei obenliegende Nockenwellen betätigen die 18 Ventile, die mittlere sechs Einlass- und drei Auslassventile. Die Einlasskanäle verlaufen senkrecht geführt, damit Ventile und Steuerung Platz finden.
Die gut 1200 cm³ Hubraum würden genügen, um leistungsverwöhnte Zeitgenossen zufriedenzustellen. Ein dicker roter Kompressor soll denen auch noch den Kitt aus der Brille blasen. Der per Zahnriemen von der Kurbelwelle angetriebene Radialverdichter spricht ohne Verzögerung an; ihn unterstützt ein im Luftfilterkasten integrierter Ladeluftkühler. Technologischer Overkill? „Nein“, sagt Clemens Neese, „Premium-Technik für Premium-Ansprüche. Horex stand immer für technisch anspruchsvolle Maschinen, das soll als Markenkern auch heute und in Zukunft so sein.“
Bauen wird die Motorprototypen Rupert Baindl, genialer Schöpfer ultrastarker Einzylindermotoren und des Neander-Diesel-Twins. Er hat schon den ersten frei saugenden VR6 fertig; kein anderer in Deutschland kann so etwas zum Laufen bringen. Mutig auch die Kraftübertragung: Erstmals in dieser Leistungsklasse soll ein Zahnriemen eingesetzt werden. Das konventionelle Sechsganggetriebe wirkt dagegen geradezu banal. Gabel, Räder und Bremsen werden gute Stangenware sein; das reicht ja auch für höchste Ansprüche.
Horex Imperator mit wegweisenden, damals revolutionärem Zweizylindermotor.
Nicht jeder wird beim Anblick der neuen Horex gleich auf ein 200-PS-Monster tippen. Der Designer Peter Naumann ging neue Wege und entwarf ein sehr friedvolles Motorrad. Ungewöhnlich wirkt die horizontale Teilung des Tanks, dessen untere Hälfte der Rahmen ist. Die braune Sitzbank wird nicht jeden begeistern, wirkt aber wertig. Man braucht ein paar Tage, um sich an die Linie zu gewöhnen, dann hat man verstanden: Die Horex ist ein Roadster für den solventen Genießer, der nicht gleich jedes verfügbare Pferdchen galoppieren lässt. Sie protzt nicht mit billigen Effekten, sondern soll lange hochwertig wirken. Naumann, der für BMW am C1 und für MZ an der 1000 S gewirkt hat, lehnt sich nirgends an, sondern hat etwas Eigenständiges geschaffen. Die Horex gefällt nicht jedem, aber jeder erkennt sie sofort.
Für die Fahrzeugauslegung holte sich Clemens Neese einen renommierten Produktplaner: Hennes Fischer, in den frühen 80ern MOTORRAD-Mitarbeiter und seither in Yamaha-Diensten, hilft bei der Positionierung und Planung des Roadsters und der folgenden Modellpalette. Sukzessive sollen zusätzliche Modelle auf den Markt kommen: Tourer, Sportler, Sauger, VR4 – es gibt viele Ideen.
Neue Zeiten brechen also an für die fast 90 Jahre alte Marke Horex. Sie werden mit den alten nichts zu tun haben. Auf der Kölner Intermot wird die Horex zum ersten Mal für die Weltöffentlichkeit zu sehen sein. Ende 2011 soll die Serienproduktion anlaufen. Zu Redaktionsschluss gab es noch keinen Produktionsstandort, und auf dem Prüfstand rennt gerade mal ein Sauger. Noch steht enorm viel Arbeit an und man kann diesen Zeitplan als Himmelfahrtskommando ansehen. Allerdings: Keiner hätte vor einem halben Jahr gedacht, jemals wieder eine neue Horex zu Gesicht zu bekommen. Bisher haben Clemens Neese und seine Mitstreiter alles durchgezogen. Möge ihnen der riesige Rest nun auch noch gelingen.
Clemens Neese, CEO der Horex GmbH.
Herr Neese, wie kommt man auf die Idee, ein völlig neues Motorrad zu bauen?
Neese: Ich bin Maschinenbauingenieur, Motorenfan und seit frühester Jugend leidenschaftlicher Motorradfahrer. Seit vielen Jahren beobachte ich die technische Entwicklung der Branche. Viele gute Ideen im Umfeld der Motorradtechnik werden gar nicht oder nicht rechtzeitig beachtet. Freunde und Unterstützer haben mich ermutigt, über ein neues, anderes Motorrad nachzudenken und eine Vision zu entwickeln.
Warum ausgerechnet die Marke Horex?
Neese: Für uns war sehr früh klar, dass Horex perfekt zu unserem Projekt passt. Markenname und Historie komplettierten unsere Vision wie die letzten fehlenden Steine eines Puzzles. Horex entstand nach dem Ersten Weltkrieg aus dem Flugmotorenbau und aus der unternehmerischen Initiative von Fritz Kleemann. Er hat von Anfang an clevere Antriebsideen verfolgt und innovative, hochwertige Fahrzeuge gebaut.
Was macht die Horex aus?
Neese: Die Maschine hat ein eigenständiges Design, das nicht schon morgen seine Faszination verliert. Einzigartig sind der Motor, die Aufladung, die Ladeluftkühlung, der Riemenantrieb in dieser Leistungsklasse, der ergonomisch konturierte Brückenrahmen mit integriertem Druckgaskanal und viele weitere Details.
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