Tuareg-Rallye 2013 Tunesien

Tuareg-Rallye 2013
:
Ein Redakteur im Eilschritt durch Tunesien

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Wüsten-Rallyes sind prägende Ereignisse, es befeuern sich ­Gegensätze wie Reisen und Renntempo – Lust und Frust liegen eng beieinander. Testredakteur Robert Glück schildert die Tuareg-Rallye 2013 aus seiner Sicht.

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Es läuft! Der sechste Wettbewerbstag der Tuareg-Rallye 2013 in Tunesien wurde eben gestartet, und ich brenne durch die niedrigen, aber sehr fie­sen, weil extrem weichen Dünen. Aus der vierten Startwelle ins Rennen gegangen, fällt es leicht, ein hohes Tempo zu fahren. Ich muss nur den Spuren der zwölf vor mir Gestarteten folgen und ab und zu einen Kon­trollblick auf meinen Tripmaster und mein Roadbook werfen.

Katapultartiger Flug über den Lenker

Den Spuren im Sand kann ich vertrauen, denn die Jungs vor mir stellen die Top Ten der Rallye dar, sind also schnell und sicher in der Naviga­tion. Eine Dreiergruppe kommt in Sicht, ich erkenne die Schweden mit ihren Husabergs. Ich robbe mich näher, überhole schließlich und freue mich wie Bolle in meinem Helm. „Heute läuft es! Nach drei Tagen der Demut und dem Lichtblick auf der gestrigen ­fünften Etappe kommt heute dein Tag! Du kannst endlich zeigen, was du wirklich drauf­hast!“ Kaum zu Ende gedacht, bohrt sich mein Vorderrad bis über die Radachse in die eigentlich harte, windzugewandte Seite einer Düne. Ein kurzer, katapultartig gestarteter Flug über den Lenker folgt.

Die Landung ist weich, die Erkenntnis klar: Die Wüste kennt kein Pardon. Einmal unaufmerksam, bestraft sie dich unerbittlich. Ich rappel mich auf, lege die KTM auf die Seite, hebe sie wieder auf und starte. Brenne weiter vor den Schweden durch das Wellenmeer aus Sand, bis bei Kilometer 32,2 auf dem Tripmaster der Motor ganz sanft und friedlich ausgeht. Kein Piff, kein Puff, er geht aus, als hätte ihm jemand den Zündstrom abgestellt. Nach unzähligen Star­tversuchen und einer immer schwächer werdenden Batterie ein banger Blick in den Luftfilterkasten. Der ist voller Sand, der Luftfilter komplett zugesetzt – die Indizien sind eindeutig: Der Motor hat Sand gezogen und keine Kompression mehr. Das bedeutet Motorschaden Nummer zwei und das endgültige Ende der Rallye für mich.

Vorbereitungen für die Rallye

Bereits Monate vor dem Start begannen die Vorbereitungen für den Trip. Neben der erforderlichen Anhebung der Grund­kondition durch Joggen, Radfahren oder Schwim­men gab es vor allem Logis­tisches zu klären. Der Startschuss vor dem Startschuss fiel mit der Abgabe der Nennung, dann begann die Organisiererei: Wer kommt mit? Wer macht den Rallye-Service während des Rennens? Welche Ersatzteile stellt der Service, welche muss man selbst einpacken? Wo treffen wir uns? Wer fliegt, wer fährt, wie viele Mietwagen werden für den Transfer vom Flughafen ins Biwak benötigt? Wer schraubt oder hilft vor Ort?

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Bei einer mehrtägigen Rallye ist die Ausrüstung das A und O.

In meinem Fall übernahm Robby La­bin­s­ky, ein KTM-Händler aus Fürth, den ­Service. Er transportierte das Rennmotorrad ab Fürth in seinem Lkw nach Duoz und wieder zurück. Außerdem lud er die Ersatzteilkiste, den Extra-Radsatz und die Klamottentasche, damit ich mit leichtem Gepäck nach Tunesien fliegen konnte. Kaum waren die Themen Service, An- und Abreise sowie Unterbringung in trockenen Tüchern, begannen die Feinheiten. Das Motorrad musste aufgebaut, die Sicherheitsausrüstung und wüstentaugliche Bekleidung besorgt werden. Endlose Telefonate wer was besorgt füllten die Abende im Winter, sorgten für steigende Vorfreude auf den eigentlichen Start Mitte März.

Ich ziehe mein Mobiltelefon aus dem Rucksack und rufe die Rennleitung an. Rainer, der Organisator der Rallye, ist selbst am Apparat und nimmt meine GPS-Koordinaten auf. Er bittet um Geduld, da im Dünenfeld der heutigen Etappe bereits jetzt, nur knapp 60 Minuten nach dem Start, viele Teilnehmer technische Probleme haben oder aufgeben und geborgen werden müssen. Ich schicke zur Sicherheit noch eine SMS mit meinem Standort an die Orga und klettere auf die Düne, vor der meine KTM verendet ist.

Bereits am ersten Tag saugt die KTM EXC Sand

Während kräftiger Wind den Dünenkamm abträgt, lasse ich die letzten Tage Revue passieren. Eigentlich wollte ich bei meiner dritten Teilnahme an der Tuareg-Rallye endlich mal ohne Defekt das Ziel ­erreichen. Wollte einfach nur pannenfrei durchfahren, Tunesien und die Landschaft genießen. Und dann das: Bereits am ersten Tag saugt meine KTM EXC Sand an und verweigert den Dienst. Fast 5000 Euro waren zu diesem Zeitpunkt ausgegeben, nur um nach neun Kilometern mit defektem Motor im Wüstensand zu sitzen.

Es folgte die Suche nach Ersatzteilen im Biwak. Zylinder und Kolben meiner 525er waren platt, Ersatz musste her. Auf Rallyes fährt man ­vorzugsweise KTM-Modelle, da für sie in jedem Biwak alles aufzutreiben ist. Die regel­bestätigende Ausnahme erlebte ich: Weder am Abend des ersten noch am gesamten zweiten Rallye-Tag konnte ich die Teile auftreiben. Frust stellte sich ein, bis der legendäre Rallye-Mechaniker Thorsten Kaiser breit grinsend auf mich zukam und mir gebrauchte Teile vermachte, die er „irgendwo ganz unten“ in einer seiner Kisten gefunden hatte. Meine Freude war groß, vor allem, als kaum fünf Stunden später mein Motorrad wieder lief und ich zurück im Rennen war.

Einem ordentlichen vierten Fahrtag, der auf einem Rundkurs rund um die originalen Filmkulissen des ersten „Star Wars“-Teils ausgetragen wird, folgte die erfolgreiche ­fünfte Etappe. Diese mit harten – für eine Wüsten-Rallye viel zu harten – Enduro-Sektionen gespickte Tageswertung durchfliege ich mit Warp 9, was mich in eine hervorragende Startposition am sechsten Fahrtag bringt. Und dieser Tag sollte meiner werden, sollte mich den Frust des Motorschadens vergessen lassen.

"Als Individualreisender müsste ich jetzt Angst bekommen"

Ich warte nach wie vor auf den Berge-Truck. Der Wind hat nachgelassen, ohne Schatten und so kurz vor Mittag wird es jetzt richtig mollig auf der Düne. Andere Rallye-Teilnehmer sind schon lange nicht mehr vorbeigekommen, Stille und Weite umgeben mich. Und ich genieße sie. Der Wettbewerb, das Rennen, die Kosten – all das scheint meilenweit weg, ja gar in einem anderen Leben zu sein. Als Individualreisender müsste ich jetzt Angst bekommen und mich irgendwie um Rettung bemühen. So aber kann ich mich darauf verlassen, dass Rainer den Berge-Truck an meinen Standort schickt, ich früher oder später wieder sicher im Biwak einkehren.

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Brotfertige Helden suchen Schatten am Berge-Truck.

Stunden später im Camp macht sich doch wieder der Frust breit. Während die Teamkollegen euphorisch vom Tag berichten, Luftfilter tauschen und Öl oder Reifen wechseln, kann ich nur deprimiert rum­hocken und ihnen zuhören. Dann ein innerer Arschtritt: „Häng hier nicht rum, mach dich nützlich!“ Genau, schließlich sind die anderen ja noch im Rennen. Ich betanke Motorräder, helfe bei den anstehenden ­Arbeiten, genau so, wir mir die Jungs bei meiner Motorreparatur vor zwei Tagen ­geholfen haben. Alle für einen, einer für alle! Genau deswegen liebe ich den Rallye-Sport. Diese Mischung aus Wettbewerb und Reise, aus individueller Höchstleistung auf der Etappe und Teamgeist im Fahrer­lager ist es, die begeistert und mehr wiegt als alles andere. Die Komplexität des Sports ist ­enorm. Einerseits muss man schnell ­fah­ren können, andererseits das Material schonen. Man muss navigieren, schrauben und abwägen können, wann sich Risiko lohnt und wann es auf jeden Fall zu vermeiden ist.

Und dann ist da noch die brutale, unmittelbare Härte des Rennens und der Wüs­te, die dich innerhalb einer Sekunde Demut lehrt. Rallyefahren ist eine Schule fürs Leben, prägend und ansteckend. Und ehrlich: Egal wie viele Motorschäden ich noch haben werde, ich werde immer weiter Rallyes fahren. Komme was wolle!

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Tuareg Rallye 2013 PS-Redakteur Rob Glück brennt durch die tunesische Sandhölle

Tuareg-Rallye 2013 Ankunft und Vorbereitung

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Tuareg-Rallye 2013 Tag 1

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Tuareg-Rallye 2013 Tag 2

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Tuareg-Rallye 2013 Verbindungsetappe

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Tuareg-Rallye Stage 5

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Tuareg-Rallye 2013 Stage 6

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Die Ausrüstung

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Fast unzerstörbar: Viertelzoll- Zyklop-Ratschensatz von Wera.

Sicherheit geht in jedem Wettbewerb vor: Meinen Körper schütze ich durch Bekleidung z. B. von Scott. Der Oberkörper-Panzer mit Rückenprotektor und auch Knie­schoner, Handschuhe und Brille stammen aus diesem Haus. Ebenso der Dual-Raid-Anzug mit Camelbak in der Jacke und abnehmbaren Ärmeln für heiße Tage.

Signalraketen, zwei Telefone, Verbandspäckchen

Beim Helm gibt es nur zwei Kriterien: Sicher und vor allem bequem muss er sein – seit drei Jahren verlasse ich mich da z. B. auf Motocross-Helme von Shark. Mindestens ebenso schüt­zens­wert wie der Kopf sind die Füße, ohne die im Ernstfall gar nichts mehr geht. Die Tech 8-Stiefel von Al­pine­stars sind hier meine erste Wahl, vor allem wegen der her­aus­nehmbaren Innenschuhe. Die vorgeschriebene Sicherheits­ausrüstung, die auf jeder Etappe am Mann sein muss, packe ich in einen Trans Alpine-Rucksack von Deuter mit 30 Liter Volumen und extra Camelbak-Fach. Schließlich müssen Signalraketen, zwei Telefone, Verbandspäckchen, vier Liter Trinkwasser, Landkarte, Kompass, Vesper und leichte ­Ersatzteile wie Sicherungen ja irgendwo untergebracht werden.

Was kostet eine Rallye-Teilnahme?

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Das Neufahrzeug hat sich auf 2500 Kilometer etwas abgenutzt.

Die harte Wahrheit zuerst: Wer an einer Wüsten-Rallye teilnimmt, darf sich glücklich schätzen, wenn er sein Motorrad in einem Stück wieder nach Hause bringt. Schäden durch Stürze gehören zwingend ins Budget, ein Motorschaden sollte berücksichtigt, der Totalverlust des Fahrzeugs im Hinterkopf behalten werden. Wer so ein Worst-Case-Szenario auf dem Schirm hat, wird zumindest nur positiv überrascht.

5000 Euro sollte man budgetieren

Für eine Hobby-Rallye wie die Tuareg (www.tuareg- rallye.com) mit sechs bis sieben Fahrtagen und ca. 2500 Kilometern Strecke in Nordafrika soll­te man 5000 Euro budgetieren. Die Kosten im groben Überblick:

  • Nenngeld und op­tionale Hotelübernachtung: 1850 Euro
  • Rallye-Service inklusive Motorradtransport ab und zurück nach Deutschland: 800 bis 1000 Euro
  • Hin-/Rückflug nach Tunis­ und Mietwagen (Tunis –Douz): 600–700 Euro
  • Reifen & Mousse: 700 Euro
  • Benzin für Motorrad und Mietwagen ­etwa 500 Euro

Die Umbaukosten zur Umrüs­tung einer gewöhnlichen En­duro in einen rallyetauglichen Renner mit Navigationsuten­silien, großem Tank und zweitem Radsatz belaufen sich auf ­mindestens 2500 Euro.

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