Kultbike Honda VF 1000 R

Kultbike Honda VF 1000 R
:
Vorreiter des V4-Konzepts

© markus-jahn.com

Die Honda VF 1000 R sollte 1984 die Welt der Supersportmaschinen aus den Angeln heben. Doch der V4-Bolide hat sich dabei schwer verlupft. Hier ist der Befund.

Kompletten Artikel anzeigen

So hatten sich die Marketing-Strategen die Präsentation der Honda VF 1000 R nicht vorgestellt. Ausgerechnet in MOTORRAD (Ausgabe 6/1984) wurde der V4-Supersportler mit der bis dahin höchsten Motorleistung eines Serienmotorrads, 122 PS im Prospekt, als „Blickpunkt“ vorgestellt. Redaktionskollege Hans-Peter Leicht fuhr die brandneue Honda und sezierte sie anschließend in aller Genauigkeit. Dabei entging ihm nicht, dass der Motor zwar mit Rennsport-Technologie aufgewertet wurde, in seinen Grundzügen aber auf der VF 750 F aufgebaut war. Und ausgerechnet in derselben Ausgabe musste die VF 750 F ihren Offenbarungseid leisten.

Nach 7700 Kilometern gingen die Nockenwellen mitsamt Doppelschlepphebel in die Binsen, weitere 18.000 km später förderte die Endkontrolle zwei komplett zerfressene Kolben zutage. In den Köpfen der Motorrad-Szene festigte dieses Desaster die Meinung, dass Honda besser beim Reihenvierzylinder geblieben wäre, anstatt sich an der exotischen Zylinderkonfiguration die Zähne auszubeißen. Zumal das Zugpferd von Honda mit 272 Kilogramm eher wie ein übergewichtiger Haflinger daherkam, der sich auch noch mit einem zu fetten 16-Zoll-Vorderrad und dem vor dem Lenkkopf montierten zweiten Wasserkühler im wahrsten Sinne schwertat. Auch wenn das grundlegende Konzept der Honda VF 1000 R auf dem richtigen Weg war – was durch die Sporterfolge des späteren Multi-Weltmeisters Freddie Spencer auf dem FWS 1000-Werksrenner bestätigt wurde –, war die Akzeptanz am Markt eher bescheiden.

Wo bleibt die erfolgreiche RCV 1000 mit Straßenzulassung?

Klar, wer wollte sich 1984 für 18.000 Mark einen Versuchsträger in die Garage stellen? Unbestätigten Zahlen zufolge wurden weltweit nur rund 10.000 Modelle der Honda VF 1000 R abgesetzt. Eine Panne erster Güte! Doch Honda wäre nicht Honda, wenn der größte Motorradhersteller der Welt nicht mit aller Macht und noch mehr Engagement sein V4-Konzept in den Markt gedrückt hätte. Bereits vier Jahre später überrollte die VFR 750 R, Kürzel RC 30, die Superbike-Szene mit einem 90-Grad-V4-Motor. Von den zigtausend begeisterten VFR 750 F-Touristen ganz zu schweigen.

Blickt man der Honda VF 1000 R von 1984 genauer unter den rot-blau-weißen Trainingsanzug, stellt man fest, dass die Honda-Ingenieure bereits damals mit technischen Finessen lockten, die heute zum technischen Standard gehören. Die Alu-Schwinge wurde nicht aus einzelnen Alupro­filen verschweißt, sondern als Gussformteil stabil, leicht und kostengünstig hergestellt.

© Jahn
Honda CB 1100 R und Honda VF 1000 R im Vergleichstest Die Serienableger der Langstrecken-Renner
© Jahn
Auf Achse: Honda VF 1000 R, Kawasaki GP Z 900 R, Suzuki GSX-R 1100 Technische Revolution

Schon damals Reifen mit radialer Karkasse

Und heute? Steckt jeder kostenbewusste Hersteller ein solches Gussbauteil ins Fahrwerk. Auf das Comstar-Hinterrad der Honda VF 1000 R montierte der Hersteller schon damals einen Reifen mit radialer Karkasse. Zwar noch nicht ausgereift, aber immerhin radial: heute unverzichtbare Grundlage hochgeschwindigkeitsfester Motorradreifen. Und wer bürstet schließlich an (fast) jedem Rennwochenende die Reihenvierzylinder-Konkurrenz in der MotoGP ab, dass die Heide wackelt?

Genau, die Herren Márquez und ­Pedrosa, unterstützt von der schieren Kraft ihrer 90-Grad-V4-Motoren made by Honda. Dem unterm Strich doch wohl besten Motorenkonzept für einen maximal kompakten, radikalen Supersportler. Deshalb ist es höchste Zeit, dass Honda endlich baut, was gebaut werden muss, mit der Honda VF 1000 R aber nicht gelang: eine erfolgreiche RCV 1000 mit Straßenzulassung. Mein Bausparvertrag ist schneller gekündigt, als der Händler „Vau-vier“ sagen kann.

Infos zur Honda VF 1000 R

Daten: Vier­zylinder-dohc-Viertakt-V4-Motor, 998 cm³, 122 PS bei 10.000/min, 92 Nm bei 8000/min, Fünfganggetriebe, Doppelschleifenrahmen aus Vierkant-Stahlrohr, Gewicht vollgetankt 272 kg, Reifen vorn 120/80 V16, hinten 140/80 VR 17, Tankinhalt 25 Liter, Höchstgeschw. 249 km/h, 0–100 km/h in 3,4 sek, Preis 1984: 18.218 Mark.

Literatur: Jürgen Gaß­ebner, „Honda, die Modelle mit V4-Motoren“. Motorbuch-Verlag, ISBN 978-3613016613.

Spezialisten: Wie bei allen Maschinen der 70er- und 80er-Jahre sind die Spezialisten etwas rar gesät. HKB-Motorrad in ­Pforzheim, Telefon 0 72 31/4 43 15 70, Joe’s Garage (Joe Liebmann) in Coburg, Telefon 0 95 61/3 41 16, Eckert Präzi­si­ons­teile (Roland Eckert) in Kupferzell, Telefon 0 79 44/9 15 00.

Marktsituation: Im Idealfall befindet sich die Honda VF 1000 R noch im Originalzustand. Mit etwas Glück lassen sich schon für 2500 Euro fahrbereite, gut erhaltene Exemplare auftreiben.

IG/Internet: www.vf1000r.de, www.rc30-club.de

Dieser Artikel kann Links zu Anbietern enthalten, von denen MOTORRAD eine Provision erhalten kann (sog. „Affiliate-Links“). Weiterführende Informationen hier.

Meist gelesen 1 Honda NS 400 R, Suzuki RG 500, Yamaha RD 500 3 Zweitakt-Legenden – Kickstart nach 40 Jahren 2 Lambretta G-Special 350 im Test Vespa-Rivalin aus Italien 3 Großer Honda-Rückruf für 2024/2025er-Modelle Öl-Leck bei Africa Twin, Transalp, Hornet & Co. 4 Massiver Rückruf – Harley-Davidson Softail Über 82.000 Harleys betroffen 5 Sondermodelle – Vespa Officina 8 Special Edition Vespa ehrt legendäre Piaggio-Werkstatt
Mehr zum Thema Klassiker