Die für diesen Test angeforderten Motorrad-Textilkombis sollten universell sein. Und zwar in zweierlei Hinsicht: Die Kombi muss für jede Motorradtour taugen, egal ob Regen, Sonne oder Schnee. Und universell passend sein: Die Kombis sollen zusätzlich zu den Standardgrößen auch in einer Passform für außergewöhnliche Körpermaße erhältlich sein. Neben den normalen Größen, meistens angeboten im Bereich von 48 bis 66, umfasst das die sogenannten Kurz-, Bauch- und Langgrößen. Diese passen dann auch jenen Motorradfahrern, die verhältnismäßig kurze Gliedmaßen, einen üppigeren Bauchumfang oder eben lange Gliedmaßen bei schmalem Körperbau besitzen. Dass unsere Ergebnisse genauso aber auch für all jene relevant sind, die mit normalen Größen bestens zurechtkommen und nur bei trockenem Wetter unterwegs sind, versteht sich von selbst. Testfeld: 5 Kombis unter 1.000 und 5 Anzüge über 1.000 Euro.
Facts zum Textilkombi-Test
Wasserdichte Innenjacke vs. Dreilagen-Laminat
Nicht ganz zufällig entscheidet genau diese Preisgrenze (1.000 Euro) über die Machart: Die 5 günstigeren Kombis setzen allesamt auf eine herausnehmbare wasserdichte Innenjacke bzw. -hose (wobei diese bei Alpinestars und obenrum auch bei Rev’it sogar jeweils über der Kombi getragen werden kann). Die 5 teureren Kombis hingegen wählen alle ein Dreilagen-Laminat: Hier ist die vor Nässe schützende Membran direkt mit dem Außenmaterial verschweißt.
Die Auswirkungen sind wie folgt: Laminat-Kombis fühlen sich generell etwas steifer an, so wie eine Hardshelljacke im Vergleich zu einer aus Softshell. Dadurch sind sie auch ohne zusätzlichen Schutz wasserdicht. Bei Kombis mit entnehmbarer Membran hingegen kann sich das Außenmaterial bei Nässe vollsaugen, zudem sind sie durch die Kombination aus mehreren Einzelschichten oft schwerer und bei warmen Temperaturen müssen Thermofutter und Klimamembran irgendwo verstaut werden.
Welche Lösung besser oder schlechter ist, lässt sich pauschal nicht sagen. Hier hat jeder seine eigenen Vorlieben – was sich entsprechend auch in der Wahl der persönlichen Favoriten unserer Tester zeigt: Während der eine Redakteur eine günstige mehrlagige Kombi zum Favoriten kürt, würde der andere zur teuren Laminatkombi greifen. Auf den Plätzen zwei und drei sieht es aber genau andersrum aus. Sprich: Die Beliebtheit einer Kombi hängt nicht von Preis oder Machart ab. Und damit ist der Test erstaunlich fair. Denn universell einsetzbar und passend sind sie alle.
Was macht eine gute Kombi aus?
- Kragen: Ein hoher Kragen schützt vor Fahrtwind und bei Regen vor Wassereinbruch, zugleich darf er aber kein Würgegefühl auslösen. Bei heißen Temperaturen praktisch: wenn er flatterfrei geöffnet werden kann.
- Umbaumöglichkeiten: Manche Anzüge sind von Natur aus wasserdicht, andere erst mit Innenjacke (S. 123), dazu kommen viele Anzüge mit Thermofutter. Entsprechendes Umziehen sollte unterwegs schnell und unkompliziert möglich sein. Wichtig sind dann auch verstellbare Gurte zur Weitenregulierung.
- Frontreißverschluss: Ein mehrlagiges Labyrinth schützt vor Nässe, darf aber nicht zu wulstig sein.
- Taschen: Es muss nicht zig Verstaumöglichkeiten geben. Im Regelfall reichen zwei große (und wasserdichte!) Außentaschen an der Jacke (z. B. fürs Smartphone), dazu zwei (gepolsterte) Innentaschen für Papiere und Geldbörse. Eine Tasche vorn am linken Ärmel verstaut Kreditkarte oder Kleingeld – praktisch bei Mautstationen.
- Übergang Jacke/Hose: Gegen Wassereinbruch hilft hier eine großzügige Überlappung (ohne Falten zu werfen!) und ein langer Verbindungsreißverschluss. Wer diese feste Verbindung von Jacke und Hose nicht mag, findet im Lieferumfang mancher Kombi auch Hosenträger.
- Protektoren: Zur Minimalausstattung gehören satt sitzende, CE-geprüfte Aufpralldämpfer für Schultern, Ellbogen und die Knie. Am besten sind obendrein Hüfte und Rücken durch anständige Protektoren geschützt. Brustprotekoren sind noch eher selten, dafür eignen sich mittlerweile viele Kombis auch für ein Airbag-System.
Material und Membran
Nicht frieren, nicht schwitzen und trocken bleiben. Wie Wander- und Outdoorbekleidung muss auch eine Textilkombi diese drei Anforderungen meistern, zusätzlich aber auch noch Aufprall- und Abriebschutz bieten. Vor Schlägen schützen Protektoren, vor Abrieb das Obermaterial aus widerstandsfähigen Kunstfasern. In manchen Anzügen übernimmt dieses Textilgewebe zudem auch die Aufgabe von Nässeschutz und Atmungsaktivität: Dazu wird das Obermaterial auf der Innenseite mit einer Membranschicht verschweißt (Laminat). Alternativ ist das Außenmaterial bestenfalls wasserabweisend, wirklich wasserdicht wird die Kombi jedoch erst durch eine zusätzliche Membranjacke. Diese wird in der Regel wie auch das Thermofutter druntergezogen, bei manchen Herstellern passt die Membran aber auch wie eine Regenjacke drüber.
Die richtige Größe finden
ondergröße ist der Oberbegriff für alles, was von der normalen Passform einer Kombi abweicht. Ob es sich nun um eine Kurzgröße, eine Bauchgröße, eine Langgröße oder einfach nur um acht X vor dem L handelt. Die Unterschiede zwischen zwei Herstellern fallen aber teilweise größer aus als zwischen Normal- und Sondergröße ein und desselben Herstellers. Daher helfen Erfahrungswerte, das Anprobieren vor Ort im Laden sowie das Nachschauen in der Größentabelle des gewünschten Herstellers.
Kurzgrößen nennen sich beispielsweise 24 oder 28 und lehnen sich an den genau doppelt so großen Nummern der Normalgrößen an. Im Falle der 28 entspricht die Passform also grob einer 56, allerdings fällt sie an Armen und Beinen etwas kürzer und am Bauch etwas fülliger aus. Bei Langgrößen ist es andersherum, Ärmel und Beine sind länger geschnitten. Allerdings lassen sich Langgrößen nicht ganz so einfach aus der regulären Größe ableiten, mit mal zwei ist es meist nicht getan. Manchmal muss noch zwei dazugezählt, oftmals auch abgezogen werden. Besser daher wie gesagt: Abmessen und in der Größentabelle des gewünschten Herstellers nachschlagen.
Mitunter finden sich dort auch nur für die Jacke oder nur für die Hose Sondergrößen, andere Hersteller haben eigene Kennzeichnungen wie „Größe 52, Länge C1“ (Rukka) oder sogar extrakurze Größen (Stadler).
Zum Thema Sicherheit
Die Zertifizierungsreform der vergangenen Jahre soll es Käufern einfacher machen, die für sie passende Motorradbekleidung mit einer dem geplanten Einsatzzweck entsprechenden Schutzfunktion zu finden. Über das jeweilige Schutzlevel einer Kombi gibt seither ein eingenähtes Etikett Auskunft, darauf zu finden: ein stilisierter Motorradfahrer und darunter Buchstaben und der Verweis auf die Norm EN 17092. Der Buchstabe C steht hier für reinen Aufprallschutz, also beispielsweise eine Mesh-Weste mit Protektoren. Klasse B bedeutet reinen Abriebschutz, also keine Protektoren. Und Klasse A schließlich bietet beides, Aufprall- und Abriebschutz. Mehr A (bis zu drei) bedeuten mehr Schutz, aber meist auch etwas weniger Komfort. AAA erreichen gute Lederkombis, teilweise aber auch schon Textilbekleidung. In der Regel liegen diese jedoch bei A oder AA. Was das genau bedeutet, wird in der beigelegten Herstellerinformation erklärt.
Ein weiterer großer Unterschied im Hinblick auf die Sicherheit liegt in der Wahl der Protektoren. Diese unterscheiden sich nicht nur in Form und Farbe, sondern vor allem auch in Aufbau, Material, Flexibilität und Schlagdämpfung.
In diesem Vergleichstest lagen alle Protektoren im geforderten Rahmen (d. h. unter 35 Kilonewton Restkraft für Level 1), einige Hersteller verbauen sogar Schützer der Stufe 2. Unterschiede gab es im Test darüber hinaus in der Abdeckung und im Komfort.
So testet MOTORRAD
Für den Praxistest, der vor allem Auskunft über Passform, Komfort, Bewegungsfreiheit und Belüftung gibt, wurden die Anzüge ausgiebig am Jahresanfang in Italien getestet. Frühlingshafte Bedingungen am Idrosee bei Temperaturen zwischen 12 und 20 Grad Celsius ermöglichten umfassende Eindrücke der Tourentauglichkeit. Als Testmotorräder dienten drei Bikes aus dem MOTORRAD-Dauertest-Fuhrpark: Aprilia Tuono 660, Ducati Multistrada V4 S und die Triumph Tiger 900. Bereits zuvor wurden alle Anzüge in der Redaktion Probe getragen, um die beste Passform der zugeschickten Testmuster auszuwählen. In diesem Rahmen wurde außerdem Lieferumfang und Protektorenausstattung erfasst, zum Teil waren unsere Kombis nämlich bereits mit aufpreispflichtigen Nachrüstprotektoren ausgestattet.
Um die Regentauglichkeit exakt vergleichen zu können, kam für den Nässetest der Wasserschlauch in der MOTORRAD-Tiefgarage zum Einsatz. Mehrere Minuten simulierter „Dauerregen“ musste der Anzugträger auf der Moto Guzzi V85 TT über sich ergehen lassen, dabei wurde eine Minute lang speziell auf Schwachstellen wie Lüftungsöffnungen und Reißverschlüsse gehalten. Bei jedem der genannten Abschnitte: ausführliche Testprotokolle mit Notenschema, die am Ende noch durch viele handschriftliche Plus- und Minus-Punkte ergänzt wurden. Alle subjektiven Faktoren wurden von zwei Testfahrern anhand zuvor festgelegter Protokollkriterien bewertet, zum Teil noch ergänzt durch Eindrücke anderer Redakteure.