„Mal sehen, wie lange es die TT noch gibt.“
Am 29. November 2024 feierte Helmut Dähne seinen 80. Geburtstag. MOTORRAD traf die lebende Legende zum Interview.
Das ist auch so a Gschicht. Eigentlich hatte ich mich bei Dornier beworben, als Flugzeugbauer. Aber um auf Nummer sicher zu gehen, machte ich auch eine zweite Aufnahmeprüfung bei BMW. Zu Dornier wären es 20 Kilometer mit dem Fahrrad gewesen, zu BMW dagegen bloß 4. Im 1. Lehrjahr gab es 36 Mark monatlich, im 3. Jahr 136 Mark. Das war damals schon wenig …
Im Sommer 1968, mit 23, wollte ich nach meinen ersten Geländeerfahrungen auch auf Asphalt fahren, auf dem Sudelfeld. Also vertraute ich mich Alex von Falkenhausen an. Er war Chef der Motorenentwicklung für Autos und Motorräder bei BMW und selbst Rennfahrer, zunächst im Geländesport auf BMW-Motorrädern, später mit BMW-Automobilen. Ich wollte nämlich den 600er-Rollenstößel-Motor einer R 69 S vom 24-Stunden-Rennen auf der Avus nutzen. Der lagerte noch im entwicklungseigenen "Museum", wie alle Motoren, die es nicht in Serie schafften.
Ich bekam den Motor! Aber weil in der größten Klasse maximal 500er erlaubt waren, musste ich ihn mir in meiner Freizeit fürs Rennen runterbüchsen, mit anderen Kolben und Zylindern. Nach dem Rennen schenkte mir Alex von Falkenhausen den Motor und sagte: "Machen Sie was draus!" Da blieb mir nichts anderes übrig, als weiter Rennen zu fahren. Zwei Wochen später wollte ich beim OMK-Junioren-Pokal antreten. Aber die Nennungsfrist war abgelaufen. Da half von Falkenhausen wieder und rief beim Rennleiter Kurt Busch vom ADAC Niederrhein an. Es ging: Ich wurde dann Fünfter auf der Südschleife.
Das war also Deine "Initialzündung"?Nicht ganz. Ich hatte noch gar kein Ziel. Ich wollte mich bloß mit anderen messen, das steckte schon zu Fahrradzeiten in mir. Die Amerikaner hatten nach dem Krieg so schicke Radl. Ich wollte auch eines. Die arme Mama hat’s möglich gemacht, mir ein gebrauchtes Radl gekauft, 25 Mark teuer.
Das war eher eine Mikrofamilie, meine Mutter Lotte, Oma Anna und ich. Als ich geboren wurde, war die Mama bereits Witwe: Mein Vater kam 1944 im Cockpit einer Messerschmitt Me 262, des ersten Düsenjägers, beim Absturz in die Danziger Bucht ums Leben. Mein Onkel flog Focke-Wulf FW 200 und Ju 52, wurde später Jagdflieger, überlebte zwei Notlandungen. Nach dem Krieg hatte die US-Luftwaffe in Neubiberg P 51 Mustangs stationiert und übte Luftkampf über München. Dorthin kehrten wir 1949 nach der Evakuierung während des Krieges zurück. Von Baby an habe ich mich für Flugzeuge interessiert. Mein erstes Wort war "Fieger", noch vor Mama. Das "l" klappte da noch nicht …
Warum wurdest Du dann nicht selber Pilot?Das war ja mein großer Traum! Aber meine Mutter verhinderte meine Bewerbung bei der Bundesluftwaffe. 1980, mit 35, machte ich den Pilotenschein, in meinem aktivsten Rennsport-Jahr: Ich fuhr national und Langstrecken-WM, organisierte die Dolomiten-Rallye. Keine Ahnung, wie ich das alles neben dem Beruf geschafft habe.
Oh ja, das stimmt, dank der Schräglagen. Und auf der Nordschleife kommt auch noch die 3. Dimension dazu. Wheelies inklusive – die liegen mir vom Endurofahren her. Trotzdem, die Fliegerei ist sehr viel komplexer, und man ist noch abhängiger von der Natur. Der erste Alleinflug war der spannendste Moment meines Lebens! 2019 verkaufte ich mein eigenes Flugzeug, das tut heute immer noch sehr weh.
Welche sind Deine Lieblings-Rennstrecken?Nordschleife, Isle of Man und Spa-Francorchamps, in dieser Reihenfolge. Bergrennen mochte ich nicht so besonders, obwohl ich nur zwei nicht gewann, bei denen ich antrat. Um 12 Minuten bergauf zu fahren musste man das ganze Wochenende opfern. Dabei kann ich gut alleine fahren, nur gegen die Uhr. Das half mir bei der TT, da wird in 10 Sekunden Abstand losgefahren. Es gibt Rennfahrer, die brauchen erst andere um sich herum, um sich zu steigern.
Nun, bei der TT 1994 brach ich mir den Haxen: Ölverlust über die Entlüftung zwang zu zwei langen Boxenstopps mit Entölung von Mann und Maschine. Der Reifen blieb trocken. Statt aufzugeben, fuhr ich weiter. So musste ich oft Langsamere überholen. Dabei kam ich vor Quarry Bends nicht mehr auf die Ideallinie und geriet am Kurvenausgang ganz knapp an den eckigen Randstein. Das war’s dann. Ursache war übrigens ein Kolbenfresser im hinteren rechten Zylinder, dem letzten im Kühlkreislauf des Honda-V4. Der erste Schlüsselbeinbruch war in Zeltweg 1984. Da überfuhr ich in voller Schräglage etwas Schwarzes – Highsider. 28 Jahre später kam der zweite Schlüsselbeinbruch beim Oldtimer-GP in Schotten. Ich wurde in einer Karambolage von hinten abgeschossen.
Wie geht es Dir aktuell gesundheitlich?Gut! Nur mit dem Kreuz ist es ein Kreuz. Ein Erbstück meiner Mutter. Mit 29 hatte ich meinen ersten Bandscheibenvorfall mit OP. Ich konnte weder sitzen noch liegen. Zwei Jahre später folgte die zweite OP, 2007 die fünfte. Jetzt ist es umgekehrt: Gehen und Stehen macht Ärger. Dazugekommen ist Skoliose, eine Verkümmerung der Wirbelsäule. Von 1,90 Meter bin ich auf 1,82 Meter geschrumpft. Ich komme ohne Tabletten aus, und auf dem Motorrad geht’s mir am besten!
Mit 60 hatte ich da gar keine Bedenken, doch mit 70 dachte ich plötzlich: "Jetzt bist du ein Greis." Nun werde ich 80 und fühle mich gut. Muss an meiner tollen Frau liegen.
Wie ist Dein Fahrstil auf der Straße?Rund, geschwungen, harmonisch. Ein bisschen wie Skifahren. Kurven versuchen, im größtmöglichen Radius, Kombinationen auf dem kürzesten Weg zu durchfahren. Blickführung ist das A und O. Alles wie auf der Nordschleife halt …
Gut! Es macht mir immer einen Mordsspaß, wenn andere Freude haben. Mir gibt man als Instruktor gern schwierige Fälle. Ich hatte mal einen absoluten Anfänger auf Rennstrecken dabei. Ihm sagte ich: "Kannst du hinter mir bleiben, ist es gut. Wenn nicht, musst du bitte rausfahren." Nach einer halben Runde zeigte ich ihm den Daumen hoch. Hinterher sagte er: "Das war das beste Erlebnis meines Lebens, Wahnsinn, was ich dort erlebt habe, mit Helmut zu fahren." Dafür mach’ ich das.
Wie viele Motorräder besitzt Du selbst?Noch 3: die Eckert-Honda RC 30, meine Renn-BMW R 90 S und meine BMW R 80 GS Basic. Die habe ich 1996 neu gekauft. Den Vorschlag hatte ich BMW schon lange gemacht, noch mal eine leichtere GS mit sportlichem Design zu bauen. Letzteres blieb leider aus, stattdessen wurde der alte G/S-Scheinwerfer samt Instrumenten herausgekramt. Ich machte sofort 1000er-Zylinder drauf, fahre sie nun mit 40er-Vergasern und 1.065-Kubik-Kit von Siebenrock. Klasse, wie gut das geht.
Als ich eine NSU Quickly hatte, rückte ich immer bei Glatteis aus – da gingen Powerslides mit 1,2 PS. Da träumte ich immer davon, dass das mit wahnsinnig viel Leistung auch bei Trockenheit gehen müsste. Heute gibt es das serienmäßig, aber ich trau mich das nimmer. Ich glaube, dass heute im Grand Prix derjenige gewinnt, der das beste Setup hat. Fahrbarkeit heißt das Zauberwort. Auf der Nordschleife zählt Leistung schon. Meine Honda RC 30 brachte in Zuvi-Ausführung 124 PS. Roland Eckert überholte bei seinen Superbikes nach jedem Rennen die Köpfe. Mit frisch gereinigten Ventilen waren es 130 PS. Diese Mehrleistung spürte man!
Wie beurteilst Du die Tourist Trophy auf der Isle of Man – als ehemaliger TT-Sieger?Beim Fahren dort steht über allem höchste Konzentration, das Wissen, dass man bei der TT nicht stürzen darf. Es gibt einfach kaum Sturzräume, dazu Bruchsteinmauern, Telefonhäuschen und Telegrafenmasten unmittelbar an der Strecke. Mal sehen, wie lange es die TT noch gibt. Wenn dort immer wieder so viele Fahrer sterben, kommt die Veranstaltung unter Druck.
Du fuhrst Rennen auf gefährlichen Strecken, TT und Nordschleife. Engagierst Du dich deshalb für Unterfahrschutz an Leitplanken?MEHRSi leistet viel für die Sicherheit aller Motorradfahrer. Das unterstütze ich sehr gerne.
1976 auf der Isle of Man: Helmut Dähne auf BMW R 90 S – legendärer Sieg in der Production-Klasse bis 1.000 Kubik.
Helmut Dähne – Vita privat und rennsportlich
Helmut Dähne wurde am 29. November 1944 in Altenmarkt an der Alz im Chiemgau geboren. Er absolvierte bei BMW eine Lehre als Kfz-Mechaniker. Später entwickelte und testete er für Metzeler Motorradreifen, gab Reifenseminare und arbeitete als PR-Manager. Helmut Dähnes einzigartige Rennkarriere erstreckte sich über vier Jahrzehnte. Von 1965 bis 1971 bestritt er Geländefahrten und beteiligte sich an Motocross-Wettbewerben. Sein erstes Straßenrennen war 1968 das Sudelfeld-Bergrennen. 1970 wurde er Sieger des OMK-Pokals.
15 Mal Zuvi-Meister
Helmut Dähne gewann 127 von 385 gefahrenen Rennen und stand nach 201 Läufen auf dem Podest. In der 1000er-Klasse der Deutschen Serien-Meisterschaft (einst Zuvi) wurde er 15 Mal Meister, 1973 gewann er den ersten Serien-DM-Titel. Bei 30 Teilnahmen an den 1000 Kilometern von Hockenheim gewann Helmut Dähne 18 Mal. Sein erstes internationales Rennen waren 1972 die 200 Meilen von Imola – auf einer von ihm selbst aufgebauten Formel-750-BMW (2021 im Museum am Timmelsjoch verbrannt).
Sieg auf BMW bei der Isle of Man TT 1976
Helmut Dähne startete ab 1972 insgesamt 26 Mal auf der Isle of Man: Bis 1977 auf BMW R 90 S (an deren Entwicklung er mitarbeitete) – einer umlackierten R 75/5 mit Teilen der R 90 S. Ab 1978 auf Eckert-Honda. 1976 gewann er mit der Boxer-BMW die Production TT und wurde dort noch zweimal Zweiter, 1984 und 1986.
Ewiger Rekord auf der Nürburgring-Nordschleife
Auf der Nürburgring-Nordschleife hält Helmut Dähne den ewigen Rundenrekord mit 7.49,72 Minuten, aufgestellt 1993 bei einer Zuvi-Veranstaltung mit seiner Eckert-Honda RC 30 mit V4-Motor. Seit 1994 werden dort keine offiziellen Motorradwettbewerbe mehr ausgetragen. Helmut Dähne hat 1.095 Rennrunden auf der Nordschleife errechnet, inklusive Test- und Trainingsrunden insgesamt sogar 4.000 bis 5.000 Runden – rund 100.000 Kilometer!
Helmut Dähne mit BMW, Eckert-Honda, Metzeler und Sabine
Im Eckert-Team feierte Helmut Dähne internationale Rennerfolge. Gegen sechs Werksteams der Endurance-WM wurde er 1980 WM-Dritter und bester Privatfahrer. Seinen letzten Podestplatz holte Helmut Dähne mit 61 Jahren bei den 1000 Kilometern von Hockenheim 2006. Seit 2018 ist Helmut Dähne zum ersten Mal verheiratet, mit Sabine Lang (56). Die beiden lernten sich während ihrer Arbeit für Metzeler kennen. Ihre gemeinsame Hochzeitsreise führte sie durch Neuseeland – auf einer BMW GS.
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