Motorradjeans stehen für Komfort und Leichtigkeit. So sind sie vorwiegend im Sommer eine gute Wahl – doch auch eine sichere? Schließlich muss Schutzkleidung schützen und darf sich nicht in Wohlgefallen auflösen. MOTORRAD ließ die Fetzen fliegen und fuhr mit 18 einlagigen Bikerjeans zum Härtetest.
Monolayer-Jeans im Test
Übersicht Monolayer-Jeans
Hintergrundinfos zum Test einlagiger Motorradjeans
Unterschied Jeans und Motorradjeans
Schäden an der Jeans können große Schäden am menschlichen Körper verursachen. Denn wo das Denim durchgescheuert ist, reibt der Asphalt als Nächstes auf der Haut – mit unschönen Folgen. Daher versuchen die Hersteller, die Abrieb- und Reißfestigkeit ihrer Motorradjeans mit speziellen Kunstfasern zu verbessern. Bekanntestes Beispiel ist Kevlar, eine Aramid-Faser aus dem Hause DuPont. Das charakteristisch gelbe Material kennt man von Schnittschutzhandschuhen, schusssicheren Westen, Fahrzeugpanzerungen – oder eben als Schutzschicht in Biker-Jeans. Aramid, eine Wortfusion aus aromatisches Polyamid, ist vereinfacht gesagt eine sich wiederholende Aneinanderreihung von bestimmten chemischen Strukturen, wobei diese Ketten untereinander starke Wasserstoffbrücken bilden. Oder zusammengefasst: Aramid-Fasern sind mechanisch hochbelastbar, abrieb- und reißfest. Daher werden sie in Motorradjeans eingesetzt. Teils als die angesprochene eigenständige und daher offensichtliche Schutzschicht, teils weniger gut wahrnehmbar als Teil des Gewebes – oder gar überhaupt nicht sichtbar als Bestandteil innerhalb der Fasern.
Unterschied einlagige und mehrlagige Motorradjeans
Jeans sind hart im Nehmen, das war schon immer so. Dennoch hat es lange gedauert, bis sich die einstige Arbeitshose auch als Schutzkleidung ins Gespräch bringen konnte. Doch dann irgendwann war es so weit: Neben Lederkombi und Textilanzug war auf dem Motorrad plötzlich auch die Kevlar-Jeans erlaubt. Diesen Namen verdankt sie dabei ihrem typischen Aufbau. Außen, sichtbar: regulärer Denim, also das klassische, aus weißem Schuss- und blauen Kettfäden gewebte Jeansgewebe. Und darunter, als zweite Schicht: das an seiner gelben Farbe klar erkennbare Aramid-Gewebe, bekannt unter dem Markennamen Kevlar. Dieses schreitet dann zuverlässig zur Tat, wenn der Asphalt den baumwollenen Oberstoff durchgescheuert hat. Der Nachteil an der Sache: Solche Kevlar-Jeans sind vergleichsweise schwer, warm und unkomfortabel.
Nun kommt aber der Auftritt der einlagigen Motorradjeans. Diese nutzen die robusten Fasern nicht in einer zweiten, eigenständigen Schicht, sondern verarbeiten sie direkt im Jeansstoff an sich. Diese kann weiterhin Kevlar sein, doch alternativ kommen mittlerweile viele andere Materialien infrage. Chemisch handelt es sich oftmals um Polyamid oder Polyethylen, das unter Markennamen wie Nylon, Cordura, Dyneema oder Armalith vertrieben wird. Manche davon sind wesentlich reiß- und abriebfester als Aramid, dafür aber hitzeempfindlicher – beispielsweise beim kurzen Kontakt mit dem heißen Krümmer.
Über die Schutz- und Komfort-Eigenschaften entscheidet auch die Art der Verarbeitung: So können die Hightech-Fasern beispielsweise schlicht einen der Baumwollfäden im Gewebe ersetzen. Ebenso ist es möglich, solche Fasern früher im Fertigungsprozess direkt in das Garn zu integrieren. So wird dann beispielsweise der komplette Stoff aus Baumwoll-umhüllten Kunststofffäden gefertigt. Dieses Gewebe besitzt dann sehr homogene Eigenschaften und kann auf der sogenannten Darmstadt-Maschine entsprechend der Norm auf Abriebfestigkeit geprüft werden. Nicht berücksichtigt werden dabei aber weitere Bestandteile der Hose wie Knöpfe, Nähte und Protektoren. Gerade diese entscheiden in ihrer Wechselwirkung aber über die tatsächliche Schutzfunktion einer Motorradjeans – weshalb MOTORRAD ganz praxisnah alle 18 Testteilnehmer über den Asphalt zog. Bis die Fetzen flogen.
Unterschied zwischen Baumwolle, Kunstfasern und Leder
In Biker-Jeans auf die Rennstrecke? Unvorstellbar. Für guten Abriebschutz bitte in Leder packen! In Biker-Jeans auf Weltumrundung? Auch unvorstellbar. Gegen Hitze, Nässe und Kälte schützt am besten die Textilkombi. Doch auch die Motorradjeans hat Paradedisziplinen. Wo kann sie sich hervortun, und wie unterscheiden sich die verschiedenen Materialien im Falle eines Unfalls? MOTORRAD klärt auf.
Jeans sind wie eingangs erwähnt hart im Nehmen. Die "Blue Jeans" war ursprünglich einfach eine Arbeitshose, auch wenn die Modewelt den charakteristischen Look irgendwann selbst bei Polyester-Hosen imitierte. Denim, das vergleichsweise schwere Gewebe aus indigoblau gefärbten Baumwollfäden, ist im wahrsten Sinne von Natur aus abriebfest, hitzebeständig und schwer zu reißen – allerdings altert Baumwolle und wird irgendwann brüchig.
Noch abriebfester, hitzebeständiger und reißfester ist ein anderer Naturstoff: Leder. Textilfasern wie beispielsweise Polyester oder Polyamid können da nicht mithalten. Darum schmilzt eine Textilkombi bei übermäßigem Asphaltkontakt und offenbart schnell große Lücken. Die Qualitäten der textilen Tourenklamotte liegen woanders: Atmungsaktivität und gleichzeitig Nässeschutz zum Beispiel. Daher gibt es immer mehr Bekleidungsstücke, die auf einen Mix aus Textilgewebe und Ledereinsätzen setzen. Ebenso hat auch die Kombination von Jeansstoff und Kunstfasern Vorteile, daher ergänzen zweilagige Motorradjeans den Baumwollstoff um eine zweite Schicht aus reiß- und abriebfesten Kunstfasern wie Aramid oder UHMWPE (Ultrahochmolekulargewichtiges Polyethylen).
Einlagige Motorradjeans verweben hingegen Hightech-Fasern direkt im Denim: Der Jeansstoff wird hier also entweder aus gefärbten Baumwollfäden und speziellen Kunstfasern gewebt, oder sie spinnen Natur- und Kunstfaser bereits zu einem einheitlichen Garn, aus dem dann das Gewebe hergestellt wird. Vorteil der einlagigen Motorradjeans ist vor allem der Komfort: Sie sind luftiger und leichter als die zweilagigen Lösungen. Wenn jedoch ein Loch entsteht, so geht dies sofort ganz durch. Bei zweilagigen Motorradjeans entstehen Löcher im Oberstoff zwar schneller, darunter schützt dann aber die besagte zweite Schicht aus Aramid. Jedoch nur dann, wenn diese an der betroffenen Stelle auch wirklich eingenäht ist. Viele Hersteller setzen aber nur auf Doppelungen an Oberschenkeln und Gesäß.
UHMWPE statt Aramid, einlagig oder mehrlagig?
UHMWPE: ultrahochmolekulargewichtiges Polyethylen. Mit blau gefärbter Baumwolle umwickelt entsteht daraus ein Faden, der mit weiteren UHMWPE-Fäden verwebt werden kann. Bekannt sind solche Gewebe unter Namen wie Armalith oder Dyneema. Da hier die Fäden und somit das Gewebe besonders widerstandsfähig sind, kann in der Jeans auf eine zusätzliche Abriebschutzschicht verzichtet werden. Dies kommt der oftmals gewünschten knackigen, jeanstypischen Passform entgegen. Durch den gleichmäßigen und insgesamt dünneren Aufbau bieten einlagige Jeans daher oft – aber nicht immer! – ein komfortableres Tragegefühl und bessere Belüftung. Passform, Belüftung und Komfort im Alltag und beim Fahren sind übrigens auch wichtige Kriterien in unserem Test.
Zweilagige Jeans wiederum haben in Sachen Sicherheit den Vorteil, dass sich die beiden Lagen leicht unabhängig voneinander bewegen und somit die auftretenden Kräfte besser verteilen können. Zwar reibt sich hier die obere Schicht schneller auf, dafür folgt noch eine zweite Schutzschicht. Zumindest dort, wo eine solche vernäht ist – oft leider nur an besonders gefährdeten Stellen wie Gesäß, Hüfte und Knie, die Schenkel bleiben dann zwischen Knieprotektor und Stiefelschaft vergleichsweise ungeschützt.
Schutzstandards und Europäische Norm
Die Europäische Norm 17092 legt fest, wie Motorradschutzkleidung als solche zertifiziert werden kann. Je nach den erreichten Werten werden Jacken und Hosen in eine von fünf Klassen eingeteilt: C steht dabei für reinen Aufprallschutz, B für reinen Abriebschutz und A für beides zusammen. Beim kombinierten Abrieb- und Aufprallschutz bietet Klasse A den höchsten Komfort und die niedrigste Schutzstufe; AA bedeutet mehr Sicherheit, AAA ist nochmals eine Steigerung. Dies geht allerdings oftmals zulasten des Tragekomforts.
So testet MOTORRAD
Die noch relativ neue Klassifizierung von Schutzkleidung in die Level A, AA, AAA sowie B und C macht zwar eine grobe Unterscheidung einfacher, welche Klamotte sicherer sein soll als eine andere, doch was heißt das in der Praxis? MOTORRAD prüfte bis ins Detail.
Nur Hosen mit mindestens Schutzklasse A, besser aber AA oder sogar AAA wurden zum Test eingeladen. Das heißt, sie mussten sowohl Abrieb- als auch Aufprallschutz bieten, das stellt entsprechende Herausforderungen an den Stoff und die Protektoren. Da wir uns beim Test 2022 auf einlagige Motorradjeans fokussierten, kann den Abriebschutz keine ergänzende innenliegende Schicht übernehmen, wie es bei zweilagigen Motorradjeans der Fall ist. Stattdessen muss das Jeansgewebe selbst verstärkt sein. Daher schauten wir uns dessen Aufbau genauer an und erfassten Materialauswahl sowie Webart.
Entscheidend ist aber bekanntlich auf‘m Platz, in unserem Fall auf dem Flugplatz. Dort konnten wir die recht homogen asphaltierte Landebahn nutzen, um die Motorradjeans einem Stresstest bezüglich Abrieb zu unterziehen. Dazu wurde ein rund 30 Kilogramm schwerer, aus Sandsäcken in Aramid-Unterwäsche bestehender Dummy in die Motorradjeans gestopft, sodass er diese recht prall und ohne unnatürliche Faltenbildung ausfüllte. So sollte eine gleichmäßige Abnutzung gewährleistet werden, sobald es zum eigentlichen Test kam, dem Gleiten über Asphalt. Hier setzten wir dieses Jahr auf Hinterherziehen statt aus dem Auto werfen, um Vorder- und Rückseite kontrolliert belasten und so vergleichbare Aussagen zum Obermaterial treffen zu können.
Abwerfen bei Tempo 80 wäre zwar näher an der Realität eines echten Unfalls, allerdings auch ebenso schwer valide reproduzierbar wie reale Unfälle. Daher ermittelten wir einen anspruchsvollen Kompromiss aus zurückzulegender Strecke und Geschwindigkeit: Die Vorderseite jeder Jeans beschleunigte am Transporter hängend von 0 auf 30 km/h und bremste wieder ab, das Ganze auf einer Strecke von 50 Metern. Die Jeans-Rückseite legte dieselbe Strecke zurück, allerdings mit 40 km/h als Maximalgeschwindigkeit – also mit größerer Beschleunigung und Bremskraft. Dieses Prozedere lässt sich zwar nicht eins zu eins auf eine konkrete Sturzgeschwindigkeit umrechnen, sorgt aber für eine hohe Vergleichbarkeit zwischen den Testteilnehmern. Und obwohl die Geschwindigkeiten niedriger waren als beim Abwurftest, wie wir ihn beim letzten Jeans-Vergleichstest durchführten, war die rutschend zurückgelegte Strecke diesmal länger.
Ergänzt wurde der Abriebtest und eine Ermittlung der Schlagdämpfungswerte der verbauten Protektoren. Außerdem hatte jede Jeans anschließend noch eine unheilvolle Begegnung mit Machete, Kofferwaage und Feuerzeug, um Schnitt- und Reißfestigkeit sowie Hitzebeständigkeit zu ermitteln.