Es war eine jahrelange Anschlagsserie. Auch ein Autofahrer wurde Opfer des Ölfallen-Täters. Handydaten und DNA-Tests blieben bisher ohne Ergebnis. Sah der Täter im Allgäu das Opfer sterben?
Es war eine jahrelange Anschlagsserie. Auch ein Autofahrer wurde Opfer des Ölfallen-Täters. Handydaten und DNA-Tests blieben bisher ohne Ergebnis. Sah der Täter im Allgäu das Opfer sterben?
Am 17. April 2013 ist es genau zwei Jahre her, dass Sepp Deniffel von einer kurzen Sonntagstour mit seiner alten Honda Fireblade nicht mehr heimgekommen ist. Seit jenem Palmsonntag 2011 ist Heike Deniffel eine junge Witwe. Seit Palmsonntag 2011 müssen ihre beiden Kinder (sieben und zwölf Jahre alt) ohne Vater aufwachsen. Der Tod von Josef Deniffel (damals 38), nur wenige Kilometer von seinem Wohnort Markt Rettenbach entfernt, hat als der „Allgäuer Ölfallen-Mord“ Schlagzeilen gemacht und bundesweit nicht nur unter Motorradfahrern für Entsetzen gesorgt.
Seit über zwei Jahren fahndet die Kripo. Erst als „Ermittlungsgruppe Ölfleck“ von Memmingen aus, später übernahm die deutlich größere Inspektion Kempten. Schnell war klar, dass Josef Deniffel zwar das zufällige Opfer einer Wahnsinnstat war, der Täter aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit genau so einen Unfall wie den von Josef Deniffel hatte herbeiführen wollen. Bereits in der Osterwoche 2011 sprach die Memminger Staatsanwaltschaft daher von einem „vorsätzlichen Tötungsdelikt“ - es war also Mord, wenngleich an einem zufälligen Opfer.
Das Bayerische Landeskriminalamt (LKA) wurde in die Ermittlungen eingebunden. Sogenannte Profiler erstellten ein Täter-Psychogramm. LKA-Experten in München gelang es, eine DNA-Spur zu isolieren. Gefunden wurde sie auf den Scherben der mit gebrauchtem Motorenöl gefüllten, grünen Wein- und weißen Sektflaschen. Sie ist eindeutig dem Werfer zuzuordnen. Ein Abgleich mit der BKA-Datenbank in Wiesbaden brachte jedoch keinen Treffer. Der Ölfallen-Attentäter, ein bisher unbeschriebenes Blatt, möglicherweise sogar jemand aus Josef Deniffels Nachbarschaft in Markt Rettenbach im Allgäu?
Im August 2011 fasste das ZDF den Fall in der Sendung „Aktenzeichen XY“ zusammen und rief mögliche Zeugen auf, sich zu melden. Eine von Polizei und Privatleuten ausgesetzte Belohnung summierte sich bald auf 50000 Euro, ein zweiter „Aktenzeichen XY“-Aufruf folgte. Neue Zeugenaussagen brachten aber keinen Durchbruch. 2012 ordnete die Staatsanwaltschaft schließlich einen Reihen-Gentest an. Parallel dazu wertete die Kripo Mobilfunkdaten aus: Personen, deren Handys zum Tatzeitpunkt in den Mobilfunkzellen um Markt Rettenbach eingeloggt waren, wurden zur DNA-Probe gebeten - ein Treffer und damit die Aufklärung schien nur eine Frage der Zeit. Zwei Jahre dauert diese Zeit nun schon.
Zum Täter hat die Fahndung bisher nicht geführt. Trotz hohem Fahndungsdruck, trotz rund 1200 genommener DNA-Proben. Stattdessen wurde erst nach und nach die ganze Dimension der heimtückischen Ölfallen-Attentate offenbar: Mittlerweile ist sich die Kripo sicher, dass die mysteriösen Ölflaschen-Würfe mit dem Tod des Markt Rettenbacher Feuerwehrmanns Josef Deniffel nur ihren bisherigen Höhepunkt erreicht haben. Denn die insgesamt zehn innerhalb von rund 30 Minuten an mehreren unübersichtlichen, schattigen Straßenabschnitten zerdepperten Altölflaschen bei Markt Rettenbach waren keine Einzeltat.
Erst Anfang Februar 2013 gab die Polizei bekannt, dass mittlerweile ganz ähnliche Altölfallen aus den Jahren 2007, 2008 und 2010 bekannt geworden waren. Allesamt gelegt, indem meist grüne, mit Altöl gefüllte Flaschen an kurvigen Abschnitten auf die Fahrbahn geworfen worden waren. Stets entweder an einem Samstag, Sonntag oder Feiertag. Bis auf eine Ausnahme immer zu Beginn der Motorradsaison. Alle in einem Bereich vom nördlichen Bodenseeraum übers Allgäu bis hoch ins Donaumoos. Und, auch das hat die Polizei ermittelt, immer bei schönem Wetter. „Ob der oder die Täter 2009 ausgelassen haben, ist unklar“, sagt der Kemptener Kommissar Christian Owsinski. „Vielleicht wissen wir nur nicht davon, weil die Feuerwehr oder eine Straßenmeisterei irgendwo Ölflecken beseitigt hat, aber nach mehreren Jahren niemand mehr eine Verbindung zu den jetzt bekannt gewordenen Fällen herstellt.“ Auf die folgenlos gebliebenen Ölfallen von Leibertingen, Schwendi und Bad Schussenried (siehe Karte) war die Polizei nur gekommen, weil sich ein Feuerwehrmann und ein Polizeibeamter im Februar 2013 nach Zeitungsberichten über die erfolglose Spurensuche von Markt Rettenbach wieder an die Flecken erinnert hatten. Immerhin: Nun steht fest, dass die Polizei einen über Jahre aktiven Serientäter sucht. Und Honda-Fahrer Josef Deniffel war nicht das erste Opfer.
Der Hinweis kam, ebenfalls im Februar 2013, von einem Mitarbeiter der Straßenmeisterei Dillingen an der Donau. Der Mann meldete einen Autounfall, der bei der Kripo Kempten die Alarmglocken schrillen ließ: An einem Sonntagabend 2007 war ein damals 31 Jahre alter Autofahrer auf einer in einer Kurve gelegten Öllache ins Rutschen gekommen, das Auto hatte sich überschlagen und war auf dem Dach liegen geblieben. Der eingeklemmte Fahrer wurde schwer verletzt von der Feuerwehr aus dem Autowrack befreit. An der Unfallstelle sowie an sieben weiteren Stellen in der Nähe entdeckte die Feuerwehr Öllachen und grüne Glassplitter auf der Fahrbahn. Aus Gründen, über die man bisher nur rätseln kann, war der mysteriöse Flaschenwerfer im Jahr 2007 also auch im Spätherbst aktiv gewesen.
Im ganzen Jahr 2012, ein Jahr nach dem tragischen Tod von Josef Deniffel, wurden keine neuen, nach dem bekannten Muster gelegten Ölfallen entdeckt. Was laut Kripo jedoch nicht bedeuten muss, dass es keine gegeben hat. Spekulation ist, ob der unheimliche Flaschenwerfer 2012 aufgrund des hohen Fahndungsdrucks nach dem Tod des Motorradfahrers stillgehalten hat. Vielleicht hat er seine jahrelange Fallenserie aber auch aus einem ganz anderen Grund unterbrochen: Nach einer erst im November 2012 gemachten Aussage einer Zeugin geht die Kripo mittlerweile davon aus, dass der Täter nur wenige Minuten nach dem verhängnisvollen Sturz von Josef Deniffel an der Unfallstelle vorbeigekommen sein könnte. Er hat den Familienvater, der auf der Öllache weggerutscht und mit Helm und Oberkörper vorn links gegen den entgegenkommenden Kleinwagen einer älteren Dame aus seinem Heimatort geknallt war, möglicherweise auf der Straße sterben sehen. Hat er deswegen aufgehört? Entwarnung kann es nicht geben. Die Polizei weist auch 2013 auf das Risiko möglicher neuer Ölfallen hin und ruft vor allem Motorradfahrer zur Wachsamkeit auf.
Das Wohnhaus der Deniffels, früher Teil eines Bauernhofs, hat sich in den zwei Jahren seit Josefs Tod verändert. Mittlerweile ist der Hof gepflastert und eine neue Terrasse angelegt. „Das waren Sepps Kumpels vom MC Unterallgäu“, erzählt Heike Deniffel. „Sie hatten mir nach seinem Tod Hilfe versprochen, und sie haben ihr Wort gehalten.“ Auch zum MC-Sommerfest 2012 ist Heike wieder eingeladen worden: „Das war für mich keineswegs selbstverständlich. Ich bin seine Frau, und der Sepp ist nicht mehr da.“
Sepps Kutte mit den Abzeichen des MC Unterallgäu hat Heike Deniffel zum Andenken an ihren Mann einrahmen lassen. Sie hängt nun hinter Glas in der Wohnung. „Das ist meine Art, damit umzugehen.“ Um den Markt Rettenbacher Friedhof macht Heike Deniffel immer noch einen Bogen. Ihre Schwiegermutter Elfriede geht auch nach zwei Jahren immer noch fast jeden Tag hin. Den Verlust verarbeitet jeder auf seine Weise. Gemeinsam ist ihnen die Hoffnung, dass das Verbrechen doch noch irgendwann aufgeklärt wird.
Bei diesen fünf Tatorten (siehe Karte) ist die Polizei sicher, dass alle gefundenen Altöllachen vom selben Täter stammen: Immer waren es (meist grüne) Glasflaschen mit Schraubverschluss, vermutlich aus einem fahrenden Auto auf die Fahrbahn geworfen. Immer an unübersichtlichen, kurvigen Streckenabschnitten, stets an Wochenenden oder Feiertagen, immer mehrere Flaschen pro Tatort.
Wer hat ähnliche Beobachtungen gemacht? Sachdienliche Hinweise an die Kripo Kempten, Telefon 08 31/99 09-0