BMW Connectivity - Vernetzung zwischen Fahrer und Motorrad
Digitalisierung des Motorradfahrens

Bei der BMW R 1200 GS kann künftig ein Bildschirm das gewohnte Cockpit ersetzen. Mithilfe von BMW Connectivity kann der Fahrer telefonieren, navigieren, Musik hören und einiges mehr. Wir haben den BMW Motorrad-Entwicklungschef Prof. Dr. Karl Viktor Schaller über die Digitalisierung des Motorradfahrens und dessen Zukunft allgemein befragt.

Digitalisierung des Motorradfahrens
Foto: BMW
BMW Motorrad
BMW Motorrad-Entwicklungschef Prof. Dr. Karl Viktor Schaller.

MOTORRAD: Wie, glauben Sie, kommt die von BMW angebotene Vernetzung von Motorrad und Smartphone bei den deutschen Motorradfahrern an?

Prof. Dr. Karl Viktor Schaller: Grundsätzlich sehr gut, wenn auch vielleicht nicht bei jedem. Der durchschnittliche GS-Käufer ist heute Ende 40, da mag der eine oder andere dabei sein, der mit der Vernetzung von Smartphone und Motorrad nichts anfangen kann. Aber die Generationen, die nachkommen, das sind alles „Digital Natives“. Für die stellt sich die Frage „Connectivity ja oder nein“ gar nicht. Für die ist es selbstverständlich, dass sich ihr Handy mit dem Fahrzeug verbindet.

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MOTORRAD: Sehen Sie da keinen Unterschied zwischen Motorrad- und Autofahrer?

Prof. Dr. Karl Viktor Schaller: Nein. Im Gegenteil. Ich sehe Verbindungen. Denn der Nutzer wird künftig sogar erwarten, dass sich die Playlist, die er gerade im Auto hört, automatisch lädt, wenn er aufs Motorrad umsteigt, und er nahtlos weiterhört, also „seamless connectivity“. Connectivity ist generell ein wichtiges Feature für BMW-Kunden von morgen und übermorgen. Das wird alle Wettbewerber betreffen.

MOTORRAD: Was entgegnen Sie dem Argument, dass die Möglichkeiten, die Connectivity bietet, vom Verkehr ablenken?

Prof. Dr. Karl Viktor Schaller: In puncto Sicherheit setzen wir uns selber enge Grenzen und überlegen sehr genau, was geht und was nicht. Tippen unter der Fahrt geht zum Beispiel nicht. Sobald man losfährt, sind die entsprechenden Einstellungen blockiert.

MOTORRAD: Was glauben Sie, wie viele BMW Motorräder ab sofort mit Connectivity-Ausstattung bestellt werden?

Prof. Dr. Karl Viktor Schaller: Das können wir bei der großen GS schon ganz klar sagen: Hier sind es weit über 90 Prozent, und ich erwarte, dass es bei den Midsize-Fahrzeugen ähnlich wird.

MOTORRAD: Wann kommt das Head-up-Display, also das Bild im Helmvisier?

Prof. Dr. Karl Viktor Schaller: Da sind wir dran, aber das ist ein sehr komplexes Thema. Hier geht es auch darum, freischwebende dreidimensionale Bilder zu erzeugen, und das auch noch farbig. Es wird kommen, aber dazu kann ich keinen konkreten Termin nennen.

MOTORRAD: Mal in die andere Richtung gedacht: Wie lang geben Sie dem Verbrennungsmotor noch?

Prof. Dr. Karl Viktor Schaller: Ich gehe davon aus, dass wir steigende Elektromobilitätsanteile haben werden, aber wir fahren noch sehr, sehr lange mit dem Verbrennungsmotor. Der Umstieg wird sich segmentspezifisch abspielen. Das heißt, wir werden zuerst in der urbanen Mobilität auf Elektrofahrzeuge umsteigen, für diesen Zweck sind auch die Reichweiten von Elektro-Scootern durchaus ausreichend. Dann kommt das Commuting-Segment, wo von Pendlern schon nennenswertere Strecken gefahren werden, und dann erst die reinen Spaßprodukte wie unsere GS, auf die sich die Kunden setzen möchten, um am Tag 800 Kilometer zu fahren. Das wird rein elektrisch schwierig. 400 Kilometer sind vielleicht machbar; aber dann hat das Motorrad ein so hohes Gewicht, dass der Spaß auf der Strecke bleibt.

MOTORRAD: Warum sind Verbrenner den Akku-Fahrzeugen immer noch so meilenweit voraus?

Prof. Dr. Karl Viktor Schaller: Das ist rein physikalisch bedingt. Wenn Sie einen Liter Benzin dabei haben und verbrennen, dann brauchen Sie dafür 15 Kilogramm Luft und erzeugen 16 Kilogramm Abgas. Die Luft haben Sie aber nicht dabei, sie ist einfach da. Alles was Sie dabei haben, ist ein Reaktionspartner mit einem knappen Kilogramm Gewicht. Beim E-Fahrzeug haben Sie beide Reaktionspartner immer dabei, und wenn die Batterie leer ist, ist sie genauso schwer wie vorher.

Sonderausstattung BMW Connectivity

Ab Herbst 2017 bietet BMW für neue R 1200 GS und R 1200 GS Adventure „Connectivity“ als neues, aufpreispflichtiges Feature. 600 Euro wird das System offenbar kosten, das dann das bisherige Cockpit durch einen 6,5 Zoll großen und farbigen TFT-Bildschirm ersetzt und sich während der Fahrt durch den weiterentwickelten Multi-Controller von der linken Armatur aus bedienen lässt. Laut Pressemitteilung hat BMW in der Entwicklung auf „geringstmögliche Ablenkung vom Verkehrsgeschehen“ Wert gelegt.

BMW Modelljahr 2018

Mit dem "Connectivity"-System lässt sich das Smartphone mit dem Motorrad verbinden. Ein Kommunikationssystem im Helm vorausgesetzt, lassen sich eingehende Anrufe etwa über den Multi-Controller mit einem einfach Klick annehmen oder wegdrücken. "Connectivity" kann in den Kontakten des Handys suchen und Telefonnummern wählen. Im Handy gespeicherte Musik kann abgerufen werden, der Fahrer kann per Controller einzelne Titel direkt anwählen.

Ab Herbst für BMW R 1200 GS und GS Adventure

Das Display des "Connectivity"-Systems kann mithilfe einer kostenlosen App auch als Navi verwendet werden und gefahrene Routen aufzeichnen. Die Pfeildarstellungen liefern laut BMW „punktgenaue Abbiegehinweise“ inklusive Fahrspur-Führung. Nur „für anspruchsvolle Tourenfahrer“ empfiehlt BMW weiterhin den „Motorrad Navigator“, also das BMW-eigene Navi als Zusatzinstrument.

Und, ach ja, Geschwindigkeit und Drehzahl kann "Connectivity" wenn’s denn sein muss auch anzeigen, sowie die Soll- und Ist-Werte der Reifendrücke vorn und hinten. Angeboten werden soll das neue BMW-Connectivity ab Herbst 2017 zunächst in den Modellen BMW R 1200 GS und R 1200 GS Adventure. Allerdings als Sonderausstattung gegen Aufpreis. Wer will, kann also weiter die gewohnten Tacho-Drehzahluhren und den Bordcomputer haben - fast schon anachronistisch.

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Erscheinungsdatum 15.09.2023