Bislang unter dem rassigen Plastikkleid versteckt, offenbart der Blick auf den entüllten Supersportler R1 jede Menge Technik-Highlights.
Bislang unter dem rassigen Plastikkleid versteckt, offenbart der Blick auf den entüllten Supersportler R1 jede Menge Technik-Highlights.
Man liest es einmal. Zweimal. Dreimal. Ungläubig sucht man nach vergleichbaren Werten, doch man findet keine. 177 Kilogramm Trockengewicht für eine 150 PS starke Tausender- der Hammer. Doch Papier ist geduldig, und es wäre nicht das erste Mal, daß Vorschußlorbeer schnell verwelkt.
Wie kommts, daß die 21490 Mark teure YZF R1 gegenüber der alten YZF 1000 mehr als 30 Kilogramm leichter seon soll? »Konsequente Umsetzung der Rennsporterfahrung und Gewichtseinsparungen an jeder Schraube, an jedem Detail« erklärt Hennes Fischer, einer der Yamaha-Produktplaner.
Stattliche 9,5 Kilogramm spart der komplett neu gezeichneten Motor. Er fällt durch zwei übereinander angeordnete Getriebewellen 81 Millimeter kürzer aus als der alte YZF 1000-Fünfventiler. Die ebenfalls leichtere Kupplung ist jetzt nach oben, direkt hinter die Zylinderbank gerückt, während die Abtriebswelle des Sechsgang-Getriebes darunter angeordnet wurde. So gebündelt und kompakt wurde bislang noch kein Großserienmotor zusammengepfercht.
Beibehalten wurde die elektonisch angesteuerte EXUP-Auslaßsteuerung, die dem jetzt nicht mehr ganz so kurzhubigen (74 x 58, statt bisher 75,5 x 56 Millimeter) Kraftpaket einen Zuwachs an Drehmoment und Durchzugskraft sichern soll.
Ein Ventildeckel aus Magnesium, die abgespeckte Kurbelwelle mit geringeren Massen und der jetzt ins Morogehäuse eingegoßene Zylinderblock mit verschleißfester Beschichtung anstatt Graugußbuchsen, sind die weiteren Merkmale der brandneuen Yamaha-Konstruktion.
Eine radikale Fastenkur auch am Fahrwerk: Mit dünnwandigen Felgen, einer luftigen Nabe und leichten Bremsscheiben reduzierte sich das Gewicht der Dreispeichenräder vorn um rund ein halbes, an dem jetzt sechs Zoll breiten Hinterrad sogar um 1,6 Kilogramm. Diese Einsparungen zählen doppelt: Zum einen gehen sie vom Gesamtgewicht ab, zum anderen werden sie den rotierenden und ungefederten Massen zugeordnet. Leichte Räder verbessern zudem das Handling bei hohen Geschwindigkeiten durch ihre geringeren Kreiselkräfte. Drei Fliegen mit einer Klappe also prima. Erfreulich auch, daß die schwere Bremszange am Hinterrad, die bis dato viele Yamaha-Modellen verunzierte, jetzt endgültig ausgedient hat. Zierlich und leicht steht das neue einteilige Bauteil der R1 gut zu Gesicht. Schon fast zerbrechlich mutet die feingliedrige Umlenkkinematik zwischen Schwinge und Federbein an bei genauer Betrachtung ergibt sich eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem der CBR 900 RR.
Am Chassis selbst übertrug Yamaha dem extrem kompakten Vierzylinder einen Großteil der tragenden Funktion. Vorn über voluminöse, aber dünnwandige Alu-Form- und Gußteile mit dem Lenkkopf verbunden, reduziert sich der um 1,2 Kilogramm leichtere Deltabox-Rahmen im Schwingenbereich auf außergewöhnlich schlanke, hohlgegossene Aluminium-Teile. Die kurzen Abstände der durchgehenden Motorbolzen des Motorgehäuses ergeben eine hohe Torsionssteifigkeit ohne zusätzlichen Balast. Und noch eine Auffälligkeit: Während an der rechten Seite die Verschraubung Zylinder/Rahmen nur einfach ausfällt, wirken links zwei kräftige Befestigungsaugen im Gußteil den hohen Zugkräften der Antriebskette entgegen.
Ein am Hauptrahmen verschweißtes, schnörkelloses Rahmenheck aus Alu-Vierkantrohren schließt sich an und trägt trotz aller Sportlichkeit einen Sozius-Notsitz spazieren. Der Nachteil der einteiligen Konstruktion: Bei einer Beschädigung der Heckpartie läßt sich das Rahmenheck nicht austauschen. Eine Verschraubung wäre, auch wenn sie ein paar Gramm Gewicht mit sich bringt, die praktischere Lösung.
Pfiffig und konsequent erfolgt die Übertragung der Schaltkraft: Anstatt einer mehrfach gekröpften Schubstange, überträgt an der R1 ein durch den Rahmen geführtes Gestänge die Schaltbewegungen direkt zur weit oben im Motorgehäuse plazierten Schaltwalle.
Und noch ein Lichtblick. Yamaha nimmt bei der R1 endlich Abschied von den dünnen Radachsen. Großzügige Durchmesser sorgen für eine optimale Versteifung von Upside-down Gabel und Zweiramschwinge. Ungewöhnlich lang, reduziert die mit Oberzügen versteifte Hinterradführung die Reaktionsmomente des Kettenzugs beim Lastwechsel und im Beschleunigungsvorgang. In Verbindung mit einer clever ausgetüftelten Positionierung von Schwingendrehpunkt und Antriebsritzel soll damit die Traktion des 190er Hinterradreifens verbessert werden. Selbst wenn der große Erfolg im Rennsport derzeit auf sich warten läßt, profitiert die R1 wie kein anderes Yamaha-Modell vom millionenteuren GP-und Superbike-Engagement.
Bevor Sie jetzt überstürzt Ihre Fireblade verschachern, atmen Sie durch und warten aufs nächste MOTORRAD. Die Testcrew wird den Überflieger dann um die Ecken treiben. Und die Antwort auf die provokante Frage suchen, ob 150 PS im Ultralight-Chassis überhaupt noch fahrbar sind.