"Fahren im Gelände war schon immer meine große Leidenschaft", sagt Johann Förg mit blitzenden Augen. Der Inhaber einer Firma für Industriewartung in Augsburg ist schon seit über 40 Jahren MOTORRAD-Abonnent und fährt seit 1975 Enduro. Mit nun 60 Jahren ist er fahrerisch ruhiger geworden, hat sich sogar schon mal Prospekte von E-Bikes kommen lassen. Natürlich mit Yamaha-Antrieb, denn Johanns Herz gehört von Anfang an dieser Marke. Sein Weg startet auf der Zweitaktenduro DT 250. Es folgen die Viertakt-Dampfhämmer XT 500, XT 550 und später die Belgarda-TT bis hin zur TT-R. Trial-Maschinen und EML-Moto-Cross-Gespanne mit XS 650-Motor komplettieren Johanns Motorradkarriere.
Wenn nun dieser Zweizylinder in die TT-R passen würde?
Freizeit, das bedeutet für den sympathischen Augsburger fahren und schrauben. Sowohl an den Motorrädern wie auch am Fahrkönnen gibt es immer was zu verbessern. Und so wachsen sie zusammen, Johann und seine Maschinen. Irgendwann platzt die Garage aus allen Nähten. Doch wie um alles in der Welt kann man seine Schätze verkaufen, wenn man so viel mit ihnen erlebt hat? Eines Abends im Herbst 2015 steht Johann mal wieder vor seinem Offroad-Fuhrpark. Versonnen blickt er auf das schön restaurierte EML-Gespann mit dem herrlichen XS 650-Twin, der auf 1000 Kubik aufgebohrt ist. Daneben steht die TT-R seines Sohnes. Plötzlich kommt Johann die Idee: Wenn nun dieser charakterstarke Zweizylinder in die TT-R passen würde? Fieberhaft vermisst der gelernte Industriemechaniker den Twin. Er wird passen, da ist sich Johann sicher.
Kurz darauf findet er im Netz einen originalen XS-Antrieb, den er wieder herrichtet. Dann baut er sich einen Motorständer, den man in Höhe und Neigung verstellen kann. Er zerlegt die TT-R und baut sie um den Motor herum wieder auf. Der Rahmen muss vorne verstärkt werden, was nicht ganz ohne Schweißen abgeht. Zu Johanns Freude führt sein Sohn die notwendigen Schweißarbeiten fachgerecht und professionell aus.
Was für ein Sound!
Die Kettenflucht wird mit einem 8-mm-Offset-Ritzel ausgeglichen, und selbst der 280-mm-Federweg an der Hinterhand kann mit etwas Aufwand beibehalten werden. Kompliziert gestaltet sich auch der Übergang von den beiden Vergasern zum Original-Luftfilter, denn der TT-R-Rahmen ist verdammt eng geschnitten.
Weil der originale Tank und die originale Sitzbank nach den Modifikationen nicht mehr passen, entschließt sich Johann, die Optik seiner Traumenduro an jene der legendären XT 500 anzupassen. Also muss ein originaler XT-Tank her, eine Sitzbank wird genauso akribisch angefertigt wie alle notwendigen Halterungen. Johann verwendet viel Hirnschmalz darauf, dass alle Teile zu Wartungszwecken leicht zu demontieren sind.
Bei der Elektrik helfen die freundlichen Mitarbeiter vom XS-Laden, ziehen einen neuen Kabelbaum ein und bauen die Zündung auf kontaktlos um. Dann wird das Motorrad wieder zerlegt, alle Teile pulverbeschichtet, lackiert oder foliert. Nach dem Zusammenbau steht Johann ergriffen vor der Enduro seiner Träume.
Dann der große Moment: Nach drei, vier Tritten auf den Kickstarter läuft der Twin. Was für ein Sound! Johann fährt seine Geheimstrecken und ist begeistert. Der Twin drückt mächtig von unten raus, was auch der kürzeren Übersetzung geschuldet ist. Das 158 Kilo schwere Motorrad lässt sich spielerisch dirigieren, die Ausfahrten sind purer Genuss. Immer wieder aufs Neue.
Zweizalinder der GR 650 in die XT 550
Irgendwann ist die Saison vorbei. Johann liest in alten MOTORRAD-Heften und stolpert über den Test der Suzuki GR 650 von 1983. Zu dieser Zeit fuhr Johann eine XT 550 und ärgerte sich über das schnelle Absterben des Singles im Gelände. Der Zweizylinder der Suzuki GR hat eine variable Schwungmasse. Johann hatte seinerzeit die Idee, diese Technik in den Einzylinder der XT 550 einzubauen, um ihn auch im Drehzahlkeller besser fahrbar zu machen. Eine Idee, die er nicht realisierte.
Aber jetzt: Weil noch eine zweite TT-R von seinem Sohn rumsteht, beschließt er, auch den GR-Twin in den Yamaha-Rahmen zu transferieren und eine zweite Traumenduro aufzubauen. Während der legendäre XS 650-Motor als klassischer Parallel-Twin viel Drehmoment von unten, aber auch rustikale Vibrationen liefert, machte Suzuki seinen GR-Zweizylinder mit 180-Grad-Hubzapfenversatz zum Gegenläufer, um die Massenkräfte zu reduzieren. Da so aber weniger Dampf im unteren Drehzahlbereich anstand, griffen die Suzuki-Ingenieure in die Trickkiste: eine geteilte, am linken Kurbelwellenstumpf angebrachte Schwungscheibe. Unterhalb von 2500/min sind beide Teilscheiben aktiv. Die zusätzliche Schwungmasse sorgt für tolle Laufkultur und reichlich Bums aus dem Keller. Oberhalb dieser Drehzahl klinkt eine Fliehkraftkupplung die Zusatzscheibe automatisch aus, und es bleibt nur die Hauptscheibe. Jetzt kann die GR frei hochdrehen.
Untenrum trialmäßig auf der Drehmomentwoge klettern, darüber schnelles Hochdrehen. Traumhafte Charakteristika für eine Enduro, oder? Also kauft Johann eine gebrauchte GR und startet Herzoperation Nummer zwei. Der Suzuki-Motor verlangt größere Eingriffe in die Rahmenkonstruktion der TT-R, als das bei der XS-Transplantation der Fall war. Johann baut den Rahmen jetzt vorne zweischleifig auf und macht den unteren Rahmenteil abnehmbar. So kann das haarscharf eingepasste Herz schnell ausgebaut werden.
Auch für diesen Umbau findet der Tüftler pfiffige Detaillösungen: Lithium-Ionen-Batterie unter dem Rahmenheck, per Magnet fixierter Benzinhahn, Elektrik im alten TT-R-Öltank (bei beiden Bikes) und vieles mehr. Die Optik der Traumenduro Nummer zwei wird eigenständig, lässt mehr gestalterische Freiheit. Ein DT 400-Alutank gibt der Maschine die spezielle Note. Bald geht es los. Die Prospekte für E-Bikes verbrennt Johann im Werkstattofen.