In Deutschland müssen Motorräder alle zwei Jahre zur Hauptuntersuchung (HU). Bei bestandener HU gibt’s die frische Plakette aufs Kennzeichen geklebt. Das gilt bislang für alle motorisierten Zweiräder mit mehr als 50 cm³ Hubraum, für Krafträder, die bauartbedingt schneller als 45 km/h fahren sowie für die meisten Trikes oder Quads. Jedes Land in der EU regelt bisher selbst, welche Zweiräder regelmäßig zum "TÜV" müssen, weshalb in manchen Ländern gar keine periodischen technischen Inspektionen (PTI) für Motorräder vorgesehen sind und in anderen wiederum erst ab einer gewissen Hubraumgrenze.
PTI ausnahmslos für alle Zweiräder
Das will das Europäische Parlament nun ändern: Regelmäßige technische Inspektionen für ausnahmslos alle Motorräder und Mopeds in jedem Mitgliedstaat stehen auf der Wunschliste – unabhängig vom Hubraum. Am 26. April 2021 fasste das Europäische Parlament einen Beschluss, in dem es die Europäische Kommission auffordert, ein neues Verkehrssicherheitspaket und die Richtlinien dazu auszuarbeiten. Hierzu werden Beiträge aus verschiedenen Ländern und Lobby-Vertretern erwartet. Wenn die Europäische Kommission dann einen Vorschlag zur tatsächlichen Änderung der Gesetzgebung vorlegt, wird dieser erneut im Europäischen Parlament erörtert. Das wird zwar einige Zeit dauern, aber dass es generell zu Änderungen für einige Länder kommen wird, ist damit fast sicher.
In manchen EU-Mitgliedsstaaten wird es schon ab dem 1. Januar 2022 enger für Motorrad- und Rollerfahrer. Nämlich dort, wo 125er derzeit noch ohne regelmäßige technische Prüfung betrieben werden dürfen. Hier ist der Stichtag für die neue Regelung der 1. Januar 2022, ab dem alle Motorräder ab 125 cm³ regelmäßig zur technischen Inspektion müssen.
Lobby-Bericht als Grundlage
Am 25. Februar 2021 forderte der Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr (TRAN) die Europäische Kommission auf, einen Gesetzesvorschlag für eine verpflichtende periodische technische Inspektion (PTI) einzubringen. Den Forderungen des TRAN-Ausschusses liegt eine Studie zugrunde, die ein Konsortium von Instituten und technischen Prüfunternehmen verfasste. Sie alle würden von einer solchen Neuregelung profitieren. Die FEMA bezeichnet ihn als "sehr schlechten Bericht", denn als Grundlage wurden lediglich die Unfallzahlen von Kleinkrafträdern in verschiedenen Regionen Spaniens vor und nach der Einführung von PTI herangezogen. Diese Ergebnisse wurden dann einfach auf alle motorisierten Zwei- und Dreiräder in ganz Europa hochgerechnet. Die FEMA kritisierte, dass der Bericht nicht zu generellen Schlussfolgerungen für alle Mitgliedstaaten dienen könne.

"Die FEMA hat die Mitglieder des Europäischen Parlaments gebeten, nicht auf der Grundlage von Annahmen, sondern auf der Grundlage von Fakten zu entscheiden," und verweist darauf, dass weniger als ein Prozent der Unfälle mit einem motorisierten Zweirad, durch einen technischen Defekt verursacht werden. Dass der EU-Verkehrsausschuss dennoch die Europäische Kommission aufforderte, einen Gesetzesvorschlag zu einem neuen Verkehrssicherheitspaket vorzulegen, sei der engagierten Lobbyarbeit vieler technischer Prüfunternehmen zu verdanken, so die FEMA.
Konsequenzen für einzelne EU-Länder
Was sind die Konsequenzen, wenn die Europäische Kommission die Wünsche des Europäischen Parlaments in Rechtsvorschriften umsetzt? Je nach EU-Mitgliedsstaat, gibt es vier verschiedene Szenarien, die die FEMA folgendermaßen ausführt:
- Für Länder, die bereits PTI [periodische technische Inspektion] für Motorräder und Mopeds haben, wird sich nichts ändern. Diese Länder sind Kroatien, Litauen, Spanien, Italien und Österreich.
- Länder, in denen es noch keine PTI für Moped- und Leichtmotorräder (kleiner als 125 cm³) gibt (die Mehrheit der europäischen Länder), aber PTI für Motorräder mit einem Hubraum von mehr als 125 cm³, werden die PTI auch auf kleiner Zweiräder ausweiten.
- Wenn ein Land überhaupt keine PTI für angetriebene Zwei- und Dreiräder hat, wird PTI für kleine Zweiräder und größere Motorräder eingeführt.
- Schließlich werden Länder, die nicht vorhatten, PTI für Motorräder einzuführen (Irland, Finnland und die Niederlande), zu einem späteren Zeitpunkt PTI für alle angetriebenen Zwei- und Dreiräder einführen müssen.
Fazit
Periodische technische Prüfungen für ausnahmslos alle sind womöglich sinnvoll. Eine vertrauensvolle und unabhängig erarbeitete Grundlage würde der Sache und der Diskussion aber besser stehen. Denn wenn wir uns genauer anschauen, wer das neue "Verkehrssicherheitspaket" maßgeblich vorantreibt, fällt es schwer, zu glauben, dass hier nur die Fahrzeugsicherheit und nicht auch der Profit im Vordergrund steht. Hierbei handelt es sich nämlich ausnahmslos entweder um Institutionen, die mit Fahrzeugprüfungen zu tun haben oder deren Forschung Bezug zum Thema Fahrzeugprüfung hat.
Maßgeblich sind das: CITA (Internationaler Ausschuss für die Inspektion von Kraftfahrzeugen), CVH (Center for Vehicles of Croatia), die DEKRA (Fahrzeugprüfgesellschaft), das Institut für Wirtschaftsforschung und Consulting, IERC GmbH (2003 als privates Forschungsinstitut von Prof. Dr. Wolfgang H. Schulz gegründet) sowie das ISVA-UC3M (Institut für Kraftfahrzeugsicherheit, das zur Universität Carlos III in Madrid gehört).