Im Januar 2016 trat die Euro 4-Norm für Motorräder in Kraft, die neu homologiert wurden. Seit Januar 2017 gilt die Norm für alle Motorräder, die neu zugelassen werden. Für 2020 steht mit der Euro 5 bereits eine weitere Verschärfung in den Startlöchern – zuerst für neue Typenzulassungen, also neue Modelle. Ab 2021 dann für alle Motorräder, die neu zugelassen werden. Die neue Abgasnorm für Motorräder umfasst im Wesentlichen zwei Punkte:
1.) Die Reduzierung von Abgaswerten (Euro 5)
2.) Standards für On-Board-Diagnose OBD II (Euro 5b)
Abgaswerte
Zu 1.): Im Vergleich zu den Euro 4-Vorgaben müssen die Abgaswerte um rund ein Drittel verringert werden. Der Übergang von Euro 4 zu Euro 5 sei bezüglich des Abgases kein so großer Schritt wie damals von Euro 3 zu Euro 4, erklärt Michael Ryland, Motorradtechnik-Chef bei Ricardo. Ricardo ist ein unabhängiger Technologieanbieter, dessen Techniker bereits seit Jahren an der Umsetzung von verschiedenen Euro 5-Vorgaben arbeiten. Sie waren auch maßgeblich an der Entwicklung des BMW-Sechszylinders für die K-Reihe beteiligt.

Doch obwohl es von Euro 4 zu Euro 5 ein überschaubarer Schritt sein soll, werden die Herausforderungen für die Konstrukteure immer komplexer. Denn der Einsatz von relativ einfachen Mitteln, wie Katalysatoren oder der Umstellung von Vergaser auf Einspritzung, reicht längst nicht mehr aus. "Jetzt geht es darum, Lösungen zu finden, die technisch am Motorrad noch umsetzbar sind und bezahlbar bleiben."
Variable Steuerzeiten und Turbolader können dazu gehören, da die Technik durch die Entwicklung in der Autoindustrie immer kompakter und bezahlbarer wird. Vor allem bei sportlichen Motorrädern, bei denen es auf keinen Fall zur Leistungseinbußen kommen darf, sind derart technische Lösungen naheliegend. Bei kleineren und Mittelklasse-Motorrädern wird wohl einiges über die Literleistung gelöst werden. Das bedeutet, dass die Hubräume größer werden, die Leistung aber nicht proportional ansteigt. KTM macht es mit seiner Mittelklasse-Duke gerade vor – für die 790 Duke steht bereits die 890 Duke R bereit, auf die höchstwahrscheinlich auch eine 890 Duke Standardvariante folgen wird. Bei Triumph dürfte die Tiger von 800 auf 900 cm³ zugelegen und auch die Honda Africa Twin tritt mit vergrößertem Hubraum an.
On-Board-Diagnose OBD II
Zu 2.): Beim On-Board-Diagnose-System geht es darum, dass das Motorrad selbst alle abgasrelevanten Faktoren überwacht, wie beispielsweise Katalysatoren und Fehlzündungen. Bei Autos ist OBD II seit 1996 Pflicht, Motorräder bekommen nochmal eine Schonfrist bis 2024. Ursprünglich war OBD II in Motorrädern für 2020 geplant, die technische Umsetzung erweist sich allerdings als äußerst schwierig, was die EU-Kommission als Anlass zum Aufschub nahm. Wie die zweite Stufe der Euro 5-Abgasnorm heißen wird, ist noch nicht klar – wir nennen sie einfach wie beim Auto "Euro 5b".
Neue Gesetzgebung für Lautstärke ab 2024

Auch neue Grenzwerte für die maximale Lautstärke von Motorrädern und neue Messverfahren, um die Geräuschentwicklung zu überprüfen, sind erst für 2024 vorgesehen. Die Regelungen werden nicht Bestandteil der Abgasnorm sein, aber eine gesonderte Gesetzgebung, die die Lautstärke wirkungsvoller begrenzt als die derzeit gültige EU-Geräuschverordnung UNECE-R 41.04, ist wahrscheinlich. Ob es um einen niedrigeren Fahrgeräuschgrenzwert als den aktuelle von 77 dB(A) geht oder um einen breiteren Gültigkeitsbereich und neue Prüfverfahren, ist noch nicht klar.
Interview
Interview mit Christoph Gatzweiler, der als Technik-Chef des deutschen Industrie-Verbands Motorrad in die Verhandlungen zwischen Herstellern und EU eingebunden ist. Der ersten Euro 5-Stufe sieht er gelassen entgegen.
Die neuen Grenzwerte sind schon eine ganze Weile bekannt, somit sollte es zu keinen größeren Problemen bei der Umsetzung kommen.
Es gibt die EU-Kleinserie mit erleichterten Vorschriften oder auch noch nationale Genehmigungen. Trotzdem bleiben die neuen Vorschriften zur Euro-4/5 gerade für kleinere Marktteilnehmer eine echte Herausforderung.
Grundsätzlich gesehen wäre die Luftkühlung technisch weiterhin möglich, allerdings dürfte dieses Konzept in Zukunft wohl eher die Ausnahme darstellen.
Die Vorschriften der EU schränken die Bauart eines Motors nicht ein. Sie legen nur die Messlatte fest. Grundsätzlich ist das Abgasverhalten auch von der Betriebstemperatur abhängig und die ist mit Wasserkühlung leichter zu regeln. Aber wenn beispielsweise die Betriebstemperatur eines Motors nicht zwangsläufig eine zusätzliche Kühlung erfordert, könnte theoretisch auch die einfache Luftkühlung ausreichen.
Für den Zweitakter wird es zwar immer schwieriger, aber er wurde ja auch schon mehrfach totgesagt und ist trotzdem immer noch da! Da bleiben wir einfach optimistisch.
Fakt ist, es wird nicht so bleiben, wie es ist. Es erscheint aus unserer Sicht aber wenig sinnvoll, den allgemeinen Geräuschwert von 77 dB(A) noch nennenswert weiter zu senken. Viel wichtiger wäre die Überarbeitung der zusätzlichen Anforderungen, die nämlich einen breiteren Bereich der Betriebszustände abdecken sollen. Hierzu muss es eine nachhaltige Lösung geben, die auch von der Industrie bis 2024 oder 2025 umgesetzt werden kann.
Nein, wenn der Gesetzgeber beim Fahrzeuggeräusch nichts völlig Überzogenes fordert, sollte es wie bei der Stufe Euro 4 zu keiner signifikanten Preissteigerung kommen.
Fazit
So einschneidend wie der Wechsel von Euro 3 auf Euro 4 ist das Update auf Euro 5 nicht. Trotzdem, je niedriger die Werte, desto aufwendiger der Weg dort hin. Das stellt nicht nur die Hersteller vor Herausforderungen, sondern auch die Werkstätten und Entwickler der Prüf- und Messverfahren.