Wie so häufig, wenn man sich auf eine Probefahrt freut, spielt das Wetter verrückt. Beim Start vom Hof des Suzuki-Händlers Werner Hiller in Stuttgart, bei dem MOTORRAD die gebrauchte 1200er-Bandit entdeckte, macht das Märzwetter dem April schon alle Ehre: Sonnenschein mit Schneeflocken. Temperatur: knapp fünf Grad. Wenigstens bleibt die Straße trocken. Und die Bedenken, ob der fast fünf Zentner schwere Brocken so will, wie sich der Fahrer das vorstellt, werden schon bei der ersten Sitzprobe kleiner.
Trotz der Sitzhöhe von 82 Zentimetern ist der sichere Bodenkontakt mit den Füssen gewährleistet, die relativ schmale Bank machts möglich. In touristisch bequemer Sitzpostion gehts raus auf die Straße. Der Bandit-Treiber auf Jungfernfahrt ist angenehm überrascht, wie leicht und relativ handlich sich die 1200er bereits auf den ersten Metern bewegen lässt.
Diese GSF 1200 S, also das mit einer kleinen Verkleidung ausgestattete Bandit-Modell, Baujahr 1998, hat knapp 6000 Kilometer auf dem Tacho und besitzt als Extra einen Vergaser-Kit der Firma Sigmund (Telefon 06201/44 336), dem per TÜV-Gutachten eine Leistung von 110 statt 98 PS und ein Drehmoment von 110 Newtonmetern (Serie 91) attestiert wird.
Außer beim Anfahren kann man die ersten vier Stufen des harmonisch abgestimmten, sich leicht und präzise schaltbaren Fünfganggetriebes außerhalb der Stadt vergessen. Ist der letzte Gang erst einmal eingelegt, reicht das zwischen 30 km/h und allen übrigen auf der Landstraße erlaubten Tempi völlig aus. Das Triebwerk gibt seine Leistung auch im letzten Gang souverän ab. Diese Leistungscharakteristik überträgt sich auf den Piloten, Hektik oder Nervosität kommen auf der Bandit nicht auf. Allerdings sollte der Big-Bike-Neuling nicht zu hemdsärmelig am Gasgriff drehen, damit das Vorderrad am Boden bleibt.
Vorsicht also beim Kauf: Manche GSF 1200 werden von ihre Fahrern streetfightermäßig hart rangenommen. Häufige Wheelie-Eskapaden ruinieren das Lenkkopflager. Als langlebigere Alternative gelten eingeklebte Lager der Firma Schwarz, Telefon 07181/41766, für zirka 200 Mark. Eine ganz andere Bandit-Klientel sind die Tourenfahrer, bei denen das relativ seltene, weil neu rund 1600 Mark teure GSF 1200 SA-Modell mit Antiblockiersystem besonders gefragt ist.
Ganz speziell von Langstreckenfahrern geschätzt wird das robuste Triebwerk, so manches Exemplar übersteht 70000 Kilometer ohne Revision. Vielfahrer schätzen auch die Laufleistung von rund 10000 Kilometern der serienmäßig montierten Michelin Macadam-Reifen. In Schräglage bieten die Michelin jedoch wenig Rückmeldung. Das Vorderrad wirkt, als müsse es erst überredet werden, die avisierte Linie einzuhalten. Außerdem irritiert im ersten Moment das Aufstellmoment beim Bremsen in Schräglage, das aber mit dem breiten Lenker gut zu parieren ist. Sportlich ambitioniertere Piloten bemängeln zudem den Grip, speziell bei Nässe, und weichen auf Bridgestone BT 56 SS, Pirelli MTR 21/22 oder Metzeler ME Z3 aus, die aber alle nur etwa 5000 Kilometer halten.
Interessant für Tourenfahrer: die an der gefahrenen Bandit montierte Verkleidungsscheibe von MRA, die etwas höher ist als das Original und so besseren Schutz bietet. Zudem ist sie mit 89 Mark beträchtlich günstiger. So ausgerüstet, lassen sich mit der S-Version selbst längere Autobahnpassagen bei Urlaubsfahrten problemlos zurücklegen. Übrigens gerne auch zu zweit, falls der Beifahrer nicht allzu langbeinig ist. Für Gepäck jedenfalls bleibt dann immer noch ausreichend Platz.
Die unverkleidete N-Version, bei Puristen dieser Stilrichtung beliebter, scheint eher dem kurzen Spurt auf der Landstraße und der Show des Gesehenwerdens verpflichtet. Für entsprechenden Aufmerksamkeitswert sorgen breitere Felgen, raffinierte Lackierungen und alle Spielarten der Streetfighter-Richtung. Viele Gebrauchtmaschinen sind also nicht mehr original, deshalb vor einem Kauf drauf achten, ob alle Änderungen eingetragen sind.
Das wohl am häufigsten getauschte Teil an der 1200er-Bandit, ohne dass das alte defekt wäre, ist der Schalldämpfer. Nicht etwa, weil das Original bei schneller Gangart früh aufsetzt, sondern weil sich viele Bandit-Treiber mehr Leistung wünschen. Die nominell 98 PS starke GSF 1200 hat zwar von Haus aus, wie diverse Test-Exemplare bewiesen, häufig rund zehn Prozent mehr Leistung, doch beim Test von 16 Nachrüst-Schalldämpfern (MOTORRAD 22/1998) übertrafen alle die mit 109 PS gemessene serienmäßige Anlage trotz EU-Abnahme, der Großteil um rund 10, im Extremfall um 15 PS. Und auch im Fahrgeräusch lagen sie teils erheblich über dem Original.
Wenn das hintere Federbein bei Fahrern über 85 Kilogramm im Lauf der Zeit in der Dämpfung zu wünschen übrig lässt, wird ebenfalls gern auf Zubehörteile zurückgegriffen, etwa auf das mit 800 Mark preisgünstigere und besser abzustimmende Technoflex-Federbein (Firma Wilbers, Telefon 05921/6057). Die für sportlichere Fahrweise oft als zu weich empfundene Telegabel wird häufig einer Kur mit progressiven Gabelfedern aus dem Zubehör, zum Beispiel von Promoto (Wilbers, Satz zirka 140 Mark) unterzogen.
Und was kostet nun die gebrauchte Suzuki GSF 1200 S der Firma Hiller? 12500 Mark zwar kein Schnäppchen, aber mit den Extras ein solides Angebot. Eine Alternative wäre vielleicht noch eine fabrikneue Bandit, die als Graue in der S-Version für zirka 13000 Mark angeboten wird.
Technische Daten - Suzuki GSF 1200 S
Technische DatenMotorLuft-/ölgekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei obenliegende kettengetriebene Nockenwellen, vier über Schlepphebel betätigte Ventile pro Zylinder, kontaktlose Zündanlage, vier Mikuni-Gleichdruckvergaser, 0 36 mm, keine Abgasreinigung, Hubraum 1157 cm3, Nennleistung 72 kW (98 PS) bei 8500/min, Fünfganggetriebe,E-Starter, Sekundärantireb über O-Ring-KetteFahrwerkDoppelschleifenrahmen aus Stahlrohren, mit geschraubtem, rechten Unterzug,Telegabel, Standrohrdurchmesser 43 mm, mit verstellbarer Federbasis,,Hinterradschwinge aus Alu-Profilen, Zentralfederbein, über Hebelsystem angelenkt, mit verstellbarer Federbasis und Zugstufendämpfung, Doppelscheibenbremse mit Vierkolbensätteln und schwimmnd gelagerten Bremsscheiben vorn, O 310 mm, Scheibenbremse hinten, O 240 mm, Alu-Gußräder, Federweg vorn/hinten 130/120 mmMaße und GewichteSitzhöhe 820 mmTankinhalt/Reserve 19/3LiterGewicht vollgetankt 238 kgService-Intervalle alle 6000 kmTestwerteHöchstgeschwindigkeit solo/mit Sozius 205/196/hBeschleunigung 0-100 km/h solo/mit Sozius 3,4/4,8sVerbrauch 6,3 Liter NormalErsatzteil-PreiseSturzteileKupplungsarmatur 297 MarkHanbremsarmatur 256 MarkLenker 127 Markein Rückspiegel 103 Markein Blinker vorn 55 MarkTachometer 298 MarkDrehzahlmesser 407 MarkGabelstandrohr 313 MarkSchutzblech vorn 232 MarkVorderrad 689 MarkSchalldämpfer 1045 MarkTank, lackiert 910 MarkRahmen komplett 2475 MarkVerkleidung komplett mit Scheibe 761 MarkVerschleißteileKettenkit 405 MarkBremsbeläge vorn, komplett 159 MarkBremsscheiben vorn 941 MarkLuftfilter 51 MarkÖlfilter 20 MarkFederbein hinten 826 MarkStärken und SchwächenStärkenRobustes, exposives TriebwerkSouveräne KraftentfaltungHandliches TourenfahrwerkSehr gutes Preis-/LeistungsverhältnisSchwächenZu weiche TelegabelZylinderkopf-Dichtungs-ProblemeMäßige LackqualitätTest in MOTORRAD1Test 10/1995Kurztest 3/1966Vergleichstest 5/1996Vergleichstest 6//1996ABS-Vergleich 16/1997Vergleichstest 12/1998Vergleichstest 22/1999Reifenfreigaben Typ GV 75 Avorn hinten120/70 ZR 17 180/55 ZR 17Michelin Macadam 90 X; Bridgestone BT 56; BT 57Metzeler ME Z1/Z2A; Z3; Z4; Pitelli MTR 01/O2 S Corsa;/Fußnoten:1Tests können beim Verlag bestellt werden, Telefon siehe Kasten auf Seite xxx.
Markt - Suzuki GSF 1200 /S/ Bandit
Der Bestand von in Deutschland zugelassenen großen Bandit ist mit mehr als 15000 Exemplaren (seit 1995) reichlich. Die Schwacke-Gebrauchtpreisliste notiert für das GSF 1200 S-Modell: 1995 (40 900 Kilomter) 7500 Mark; 1996 (32 500 Kilometer) 8400 Mark; 1997 (24 100 Kilometer) 9300 Mark; 1998 (15 700 Kilometer) 11400 Mark. Neupreis: zirka 16000 Mark. Das unverkleidete N-Modell kostet etwa 700 Mark weniger, das SA-Modell mit ABS (seit 1997) rund 1600 Mark mehr. Dieses Frühjahr haben die Suzuki-Händler gut geordert, also auch auf Sonderangebote von Neumaschinen achten. In Konkurrenz mit der großen Bandit stehen die Yamaha XJR 1200 (seit 1999 XJR 1300) und die ZRX 1100 von Kawasaki. Alle drei Nackten haben ihren speziellen Anhängerkreis. Die populärste aber ist und bleibt die Bandit wegen ihres gut 2000 Mark geringeren Anschaffungspreises.
Lesererfahrungen
Seit September 1997 habe ich über 20000 Kilometer abgespult. Reparaturen keine. Verschleiß: drei Satz Reifen und ein Kettenkit. Mit einem Superbike-Lenker für mehr Handlichkeit, einem Metzeler ME Z1/Z2 für mehr Grip sowie progressiven Gabelfedern und einem Bugspoiler ist dieses Bike eine Wucht. Weiterhin habe ich einen Schalldämpfer von BOS montiert, der für einen besseren Sound und Drehmomentverlauf sorgt.Michael Brendler, OlpeKeine Pannen, keine Probleme nach 20 000 Kilometern, nur Fahrspaß ohne Ende. Der Motor ist ne Wucht, die Bremsen sind gut, und nachdem das Heck um zirka fünf Zentimeter angehoben wurde, ist auch die leichte Unruhe in schnellen Kurven weg. Die Originalbereifung wurde nach 12000 Kilometern gegen Pirelli MTR 01/02 getauscht. Jetzt ist die Bandit noch handlicher, dafür hält der Hinterradreifen nur noch 6000 Kilometer. Im Lauf der Zeit kam eine Lenkerverkleidung von Metisse, ein Bugspoiler, ein anderer Kotflügel und Lenker hinzu.Uwe Seiß, WaßmannsdorfDie Bandit taugt zu allem, ob Kurvenhatz, Showbiken in der Stadt oder die ausgedehnte Gebirgstour. Die Sitzposition ist auch für große Fahrer passabel, obwohl die Sitzbank etwas breiter sein könnte. Meiner Sozia mute ich eh nicht mehr als 150 Kilometer zu, da die Bank zu kurz und die Fußrasten zu hoch montiert sind. Fahrwerk und Bremsen sind guter Durchschnitt, selbst in Extremsituationen neigt die Bandit nicht zu unkontrolliertem Fahrverhalten. Der montierte Remus-Viper-Carbon-Dämpfer ergab ein leichtes Leistungsplus. Beschleunigungs-Freaks wärmstens empfohlen: das nicht ganz legale Titan-Kettenblatt (Firma Polo) mit 47 Zähnen zu 89 Mark. Größtes Manko der Bandit: Ein schiefer Blick genügt, um den Lack trübe werden zu lassen.Michael Meinel, Cloppenburg