Nicht alles, was glänzt, ist Gold. Gleichwohl ließ sich Mitte der Neunziger, noch während des großen Cruiser- und Chopper-Booms (von 1985 bis 1995 hatte sich die Zahl der Verkäufe in diesem Segment vervierfacht), fast alles, was chromglänzend daherkam, zu Geld machen. Bei Yamaha klingelte es seinerzeit aufgrund des enorm erfolgreichen Bestsellers XV 535 Virago mächtig in der Kasse, und auch der pompöse Großcruiser XVZ 1300 Royal Star ließ sich gut an den Mann bringen. Aber nicht so gut an die Frau und auch nicht an den kleinen Mann. Zu teuer und außerdem für viele Einsteiger eine Nummer zu groß. Ein Cruiser im Mittelgewicht musste also her, mit Auftritt und Showtalent wie ein Schwergewicht.

Niedrige Sitzhöhe, Starrrahmen-Look, breiter Hinterschlappen und ein beinahe schon abstrus langer Radstand von 1,61 Meter bei ihrem Debüt 1997 konnte die Drag Star getaufte 650er selbstbewusst neben der Royal Star auftreten. „Stoischen Geradeauslauf“ garantierte Hersteller Yamaha. Das stimmt, dafür ist das lediglich 40 PS starke und 231 Kilogramm schwere Bike etwas schwerfällig. Das noch „cruiserige“, schwerere Classic-Modell, das ihm 1998 zur Seite gestellt wurde, noch träger. Dennoch lässt sich auch heute noch mit der wertstabilen, 2007 aus dem Programm verabschiedeten Yamaha als Gebrauchte Geld machen.
Offensichtlich gibt es genügend Interessenten, die ausschließlich mit Bauch und Auge entscheiden. Und wenn das Chrom so richtig glänzt, lässt man sich von der hübschen Drag Star gerne blenden.
Besichtigung

Viel Chrom viel putzen. Diese einfache Regel gilt für Chopper und Cruiser, und deren strikte Einhaltung deutet auf insgesamt gute Pflege des Fahrzeugs hin. Glänzen etwa die zeitaufwendig zu reinigenden Drahtspeichen, ist das ein positives Zeichen. Während der Probefahrt alle Gänge durchschalten und auf heulende Geräusche achten, denn ein Getriebeschaden zieht hohe Folgekosten nach sich.
Zumindest im MOTORRAD-Langstreckentest erwiesen sich an der Testmaschine ein Gangrad und das Kegelrad des Kardans am Getriebeausgang als wenig ausdauernd. Auch wenn Berichten von Händlern und Werkstätten zufolge die XVS-650-Modelle als zuverlässig gelten, sollten Interessenten auf undichte Gabeldichtringe und Vibrationsschäden, etwa an der Auspuffanlage, acht geben. Außerdem alle Lager prüfen, denn manche Besitzer reinigen ihre Maschine zu unbedarft mit dem Dampfstrahler. Als Zubehör gefragt und deshalb beim Verkauf preissteigernd: Chrom-Zierteile, Satteltaschen sowie eine Cockpitscheibe.
Marktsituation

Auffallend groß ist das Angebot der Baujahre 1997 bis 1999, was ganz profan damit zusammenhängt, dass in diesen drei Jahren über die Hälfte aller XVS 650 verkauft wurde. Die Preise richten sich in erster Linie nach dem Pflegezustand, gefragt sind chromblitzende, nachweislich werkstattgepflegte Exemplare mit weniger als 20000 Kilometern um die 3500 Euro, die „Classic“ ist im direkten Vergleich etwas beliebter (und teurer). Neuere Fahrzeuge ab 2003 werden seltener inseriert, sind vergleichsweise teuer und werden überwiegend von Vertragshändlern angeboten.
Bei Privatanbietern sind oft interessantere Offerten auszumachen, etwa wenn ein Wiedereinsteiger (bei der XVS keine Seltenheit) seine Maschine losschlagen möchte, um auf eine größere umzusatteln, und zu Preisverhandlungen bereit ist. Verfügbarkeit auf dem Markt: hoch
Modellpflege

1997 Parallel zur erfolgreichen XV 535 Virago schickt Yamaha den Cruiser XVS 650 Drag Star (Typ 4VR/XR) mit artverwandtem Motor für 11990 Mark (6117 Euro) mit 34 und 40 PS auf den Markt.
1998 Debüt der XVS 650 A Drag Star Classic (Typ VM02). Die Neue kostet 13790 Mark (7035 Euro), wiegt 14 Kilogramm mehr als die Standard-XVS-650 und unterscheidet sich durch Stahlblech-Kotflügel, umhüllte Gabelstandrohre, ein 16- statt 19-Zoll-Vorderrad, 130er- statt 100er-Reifen vorn sowie aufgepolsterte Sitzkissen. Beide Modelle erhalten verchromte Motorseitendeckel und ein Sekundärluftsystem.
2001 Modellpflege XVS 650: modifizierter Bremszylinder vorn, größere Bremsscheibe und Sintermetallbeläge, Gabelprotektoren, Scheinwerfer geändert, Fußrastenposition um drei Zentimeter nach hinten verlegt. Modellpflege Classic: Trittbretter mit Schaltwippe, neuer Lenker und neue Armaturen, geänderte Bremsbeläge. Preise (beide jetzt Typ VM03): 14300 Mark (7295 Euro) und für Classic 15700 Mark (8010 Euro).
2003 Die Standard-XVS-650 wird für 6490 Euro angeboten und am Jahresende aus dem Programm genommen.
2004 Die Classic (Typ VM04) kostet 7495 Euro, fährt mit neuen Schalldämpfern und ungeregelten Katalysatoren auf (wegen Euro-2-Norm). Weitere Neuerungen: Wegfahrsperre, Warnblinklichtanlage, anders geformte Sitzbank.
2007 Zum letzten Mal im Programm für 7007 Euro.
Technische Daten (Typ 4VR/XR; Modelljahr 1997)
Motor
Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-70-Grad-V-Motor, zwei Ventile pro Zylinder, Nasssumpfschmierung, Vergaser, keine Abgasreinigung, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, Kardan.
Bohrung x Hub 81 x 63 mm
Hubraum 649 cm³
Nennleistung2 9 kW (40 PS) bei 6500/min
Max. Drehmoment 51 Nm bei 3000/min
Fahrwerk
Doppelschleifenrahmen aus Stahl, Telegabel, Dreieckschwinge aus Stahl, Zentralfederbein, direkt angelenkt, verstellbare Federbasis, Scheibenbremse vorn und hinten.
Drahtspeichenräder 2.50 x 19; 3.50 x 15
Reifen 100/90 S 19; 170/80 S 15
Maße + Gewichte
Radstand 1610 mm, Lenkkopfwinkel 52 Grad, Nachlauf 153 mm, Federweg v/h 140/86 mm, Sitzhöhe* 680 mm, Gewicht vollgetankt* 231 kg, Zuladung* 176 kg, Tankinhalt/Reserve 16/3 Liter.
Fahrleistungen (MOTORRAD 1/1997)
Höchstgeschwindigkeit**147 km/h
Beschleunigung 0100 km/h7,3 sek
Durchzug 60100 km/h7,5 sek
Verbrauch4,9 l/100 km (Landstraße), 6,9 l/100 km (bei 130 km/h), Normal
Tests in MOTORRAD
XVS 650 Drag Star: 1/1997 (T), 3/1997 (VT), 8/1997 (34-PS-VT), 15/1997 (Einsteiger-VT), 20/1999 (LT), 11/2000 (VT)
XVS 650 Drag Star Classic: 7/1998 (VT), 22/1999 (VT)
LT=Langstreckentest, T=Test, VT=Vergleichstest, Nachbestellungen unter Telefon 0711/182-1229