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Honda CB 750 Four

Die CB 750 war ihrer Zeit weit voraus - die Konkurrenz hechelte hinterher.

Diese Japaner. Zwar verkaufte Honda Anfang der sechziger Jahre den Amerikanern einige kleine, flinke und anspruchslose Motorrädchen - aber mußte man diese Firma wirklich ernst nehmen? Man mußte. 1967 nämlich setzte Firmengründer Soichiro Honda zum großen Sturm an: Die Bastion der hubraumstarken Motorräder, bisher ein Hoheitsgebiet von amerikanischen und europäischen Firmen, sollte fallen.

Das Unglaubliche: Die neue CB 750 tauchte 1969 gleich in einer solchen Perfektion in Deutschland auf, als habe Honda schon seit Jahrzehnten nichts anderes gemacht, als Motorräder mit 67 PS und einer Endgeschwindigkeit um die 200 km/h zu bauen - und das mit damals 6500 Mark auch noch recht preisgünstig. Das Ziel von Honda war erreicht, die Festung war gefallen, denn es gab tatsächlich nichts Vergleichbares auf dem Markt. Die Konkurrenz war entweder teurer (MV Agusta 750 S: 13 000 Mark), langsamer (BMW R 75/5: 175 km/h) oder hatte einen Rahmen aus Brezelteig (zum Beispiel Kawasaki H1 »Mach III«).Zuerst wurde der US-Markt beliefert, von den rund 35 000 Maschinen des ersten Jahrgangs landeten nur ganze 80 Stück in Deutschland. So rankten sich hierzulande zunächst schaurige Legenden um die CB 750: Wenn man bei Vollgas den Mund öffne, würde es die Lunge zerreißen. Oder sie ließe, laut »Playboy«, schon im Leerlauf Taubeneier auf entfernten Giebeln platzen.

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So schlimm war es natürlich nicht. Aber wie man steife und trotzdem leichte Fahrwerke baut, die leistungsstarken Motoren gewachsen sind, sprach sich in Japan bekanntermaßen erst Mitte der 80er Jahre herum. Bei den Reifen war die Sache nicht viel anders: Es zeigte sich schnell, daß Alltagsreifen für solch hohe Beanspruchungen erst noch entwickelt werden mußten. Heute gibt es sie: Der Originalreifen von Bridgestone ist besser als sein Ruf, zeichnet sich aber mehr durch Langlebigkeit als durch überragende Haftung aus. Der auch gern gefahrene Avon ist da besser, bringt aber eine gewisse Zappeligkeit ins Fahrwerk. Die besten Allround-Eigenschaften werden der Paarung Metzeler Laser ME 33/ME 77 zugeschrieben.

Der Motor geriet wirklich sehr robust. Laufleistungen von über 100 000, selbst 200 000 Kilometern sind keine Seltenheit. Die typischen technischen Macken halten sich in engen Grenzen. Bei Motorrädern mit hoher Laufleistung springt der vierte Gang unter Vollast gern raus. In diesem Fall hilft endgültig nur das Tauschen des Zahnradpaars und der Schaltgabel und -walze. Ein ziemlicher Aufwand, denn dazu muß der Motor raus.

Doch nicht nur dafür - selbst das Nachziehen der Zylinderkopfschrauben funktioniert nicht bei eingebautem Motor. Bei der CB 750 Four ziemlich ärgerlich, da die Kopfdichtung einen ausgeprägten Hang zur Transpiration aufweist. So greift der anfänglich fleißige Schrauber zur doppelseitig beschichteten Original-Dichtung von Honda, um seiner Four das lästige Schwitzen endgültig abzugewöhnen.

Bis dahin läuft alles gut, das Handbuch schreibt vor, die Schrauben mit 28 Nm fest-, leider aber auch nach 1000 Kilometern nachzuziehen. Und dazu muß der Motor eben wieder raus. Da sich für diesen nochmaligen Akt nur die wenigsten begeistern können, die Folge: Durch das Setzen von Dichtung und Schrauben läßt die Pressung nach, die Nahtstellen schwitzen. Die Hilfe für Faule: Selbst Werkstätten ziehen gleich kräftig mit 36 Nm fest, die Restzugspannung nach dem Setzen genügt dann meist noch, um dichtzuhalten.Die ersten Modelle waren als Kettenfresser bekannt - die als Erstausrüstung verwendeten Rollenketten waren besonders bei mangelnder Pflege der Leistung nicht gewachsen, rissen und durchschlugen das Motorgehäuse. Hier lohnt durchaus also ein Blick unter den Ritzeldeckel, um verräterischen Spuren von Kaltmetall auf die Schliche zu kommen. Später wurde wohlweislich das Kurbelgehäuse um das Ritzel herum verstärkt und die CB 750 K1 mit einer automatischen Kettenschmierung ausgestattet: Durch eine Bohrung in der Getriebe-Ausgangswelle tropfte stetig Motoröl auf die Kette. Spätestens seit der Erfindung von O-Ring-Ketten kommt dieser Dauerschmierung aber kaum noch Bedeutung zu und wurde daher von ihren Besitzern meist stillgelegt - die K5 war übrigens die letzte, die serienmäßig tropfen durfte.

Nicht ganz so leicht läßt sich der Getriebeausgangslager-Sitz kontrollieren, denn dazu müssen Kette und Ritzel abmontiert sein. Kann man bei leichtem Wackeln an der Welle stärkeres Spiel spüren als es sich für ein Kugellager gehört, ist meistens der Lagersitz aufgeweitet - ein Fall für den Spezialisten. Schuld daran sind zu stramm gespannte Ketten und ein zierlich gestalteter Lagersitz. Erst für die K6 wurde eine standfeste Lösung gefunden.

Ältere Maschinen können durchaus noch 0,5 bis einen Liter Öl auf 1000 Kilometer verbrauchen, ohne daß am Motor etwas faul ist. Schuld sind fertigungs- und verschleißbedingte Paßungenauigkeiten - von der heutigen Fertigungs-Präzision träumten damals die Ingenieure noch.

Eine schlechte Vergasersynchronisaton ist meist daran zu erkennen, daß die Kupplung auffällig klappert. Besonders die Ur-CB 750 (ohne Zusatz) mit ihrem spinnenbeinigen Vierfach-Bowdenzug verlangt häufig nach dieser Einstellung. Aber auch die Gestänge der Vergaserbatterien von K0 bis K7 bedürfen mehr Zuwendung, als es bei den heutigen Maschinen üblich ist. Manchmal allerdings sind auch ausgeleierte Nieten des Kupplungskorbs am Klappern schuld - Pfennigartikel, aber leider nicht einzeln erhältlich. Der Austausch gegen einen neuen Korb, Kostenpunkt rund 300 Mark, half einigen Lesern auch nur kurze Zeit. Scheinbar werden die Nieten durch unrunden Motorlauf losgeschüttelt - wegen schlechter Vergasersynchronisation, siehe oben. Als dritte Möglichkeit kommt schließlich eine gelängte Primärkette in Frage, die dann nötige Reparatur ist eine größere.

Ein anderes Geräusch in dieser Gegend kann von einem losen Anlasserfreilauf kommen. Ein Tropfen Schraubensicherung hilft hier größeren Schäden vorzubeugen.

Die Ölführung der Trockensumpfschmierung ist verwinkelt und erzeugt dadurch einen hohen Druckverlust, weshalb, aber recht selten, Gleitlagerschäden durch Ölmangel auftreten können. Die Geräusche ausgeleierter Lager sind zwar recht typisch, dennoch ist es für einen Laien nicht ganz einfach, zwischen den schon von Haus aus lauten mechanischen Geräuschen des Motors dieses spezielle knirschende Schlackern herauszuhören - fachmännische Hilfe wird daher empfohlen. Um diesem Schaden vorzubeugen, sollte hin und wieder das Ölansaugsieb kontrolliert und gereinigt werden. Wenn die Öldruckkontrolleuchte errötet, ist es da meist schon zu spät - so sind Öldruckanzeigen und Ölthermometer in diesem Zusammenhang ganz brauchbare Frühindikatoren. Sinkender Öldruck und rapide steigende Temperatur rufen nach besonderer Aufmerksamkeit: Paßt man nicht auf, sind Pleuellager, Kolben und Primärketten in akuter Gefahr. Je nach Umfang kann eine komplette Überholung des Motors mit Aufbohren auf ein Übermaß bis zu 2500 Mark kosten.

Das Fahrwerk ist komfortabel ausgelegt, in puncto Handlichkeit und Schräglagenfreiheit allerdings nicht mehr auf dem neuesten Stand. Doch zum sportlichen Fahren war eigentlich auch nicht das K-Modell, sondern die 1970 aufgelegte CB 750 F gedacht: mit weitgehend gleicher Technik, aber leichterem Vier-in-eins-Auspuff und längeren Federbeinen, die mehr Schräglage ermöglichten, da die älteren CB noch gern und hart mit dem Hauptständer aufsetzten. Ab der K6 wurden dann auch die Vier-in-vier-Modelle mit dem modifizierten Fahrwerk ausgerüstet.

Die leichte Kopflastigkeit verschwindet im Soziusbetrieb, denn die Maschine liegt zu zweit einfach besser als solo. Es empfiehlt sich allerdings, andere Stoßdämpfer als die Originalteile einzubauen - ganz vorn in der Beliebtheitsskala steht hier Koni. Bei der Gelegenheit sollten auch gleich die verschleiß- und wackelfreudigen Original-Kunststoff-Schwingenlagerbuchsen gegen solche aus Messing oder Bronze ausgetauscht werden. Ob es nötig ist, zeigt ein rüttelnder Griff an die Schwinge bei der Besichtigung. Nadellager sind teurer, brauchen aber weniger Pflege. Auch der Einbau von Kegelrollenlagern im Lenkkopf verbessert das Fahrverhalten spürbar - die Lebensdauer des originalen Schulterkugellagers ist arg eingeschränkt.

Wenn man schon mal auf Knien ist, lohnt sich ein Blick auf die Entwässerungsbohrungen der Auspufftüten unten in der Nähe der Krümmerenden. Sind sie verstopft, sind die Innereien meist verrostet. Dann steht mit über 1700 Mark teurer Ersatz ins Haus.

Die Schwenksattel-Scheibenbremse im Vorderrad war die erste ihrer Art in einem Großserienmotorrad. Sie war zwar besser als alle Trommelbremsen der damaligen Konkurrenz, erfordert nach heutigen Maßstäben allerdings eine weit vorausschauende Fahrweise. Zwar wuchs der Scheiben-Durchmesser mit der Zeit von 260 auf 295 mm an, aber annähernd zeitgemäß wird es erst, wenn man die zweite Scheibe nachrüstet, wie sie an den CB 750 F2 und F3 serienmäßig war. Die Halterungen an den Tauchrohren dafür sind vorhanden, eine Freigabe für die Nachrüstung gibt’s bei Honda in Offenbach und die benötigten Teile zu vertretbaren Preisen beim Gebrauchtteilehändler.

Stichwort Preise: Die frühen Baujahre, genauer gesagt die Modelle bis 1972, können im Topzustand bis 8000 Mark kosten, für eine K0 im absoluten Topzustand werden hin und wieder sogar schon bis 10 000 Mark verlangt. »Normale« gut gepflegte Exemplare mit relativ wenig Kilometern auf dem Tacho liegt dagegen irgendwo zwischen 4500 und 6500 Mark. Übrigens, wer vergebens eine K3, K4 oder K5 sucht, muß sich nicht wundern - diese drei Varianten wurden nämlich nie offiziell nach Deutschland importiert.

Eine rege Modellpflege führte dazu, daß in zehn Jahren der ursprünglichen CB 750 ohne Zusatz immerhin acht verschiedene K-Versionen, vier F-Varianten (F, F1, F2, F3) und eine Automatikversion (CB 750 A) auf den Weltmarkt folgten - eine ausführliche Modellgeschichte hierzu stand in MOTORRAD CLASSIC, Heft 3/1993. 1979 schließlich war das Ende des Motors mit der vereinsamten obenliegenden Nockenwelle gekommen, die Ablösung stand in der Form der CB 750 Bol d’Or auf der Matte, jetzt mit einem moderneren Doppelnockenwellen-Motor für die Zukunft gerüstet.

Die Honda CB 750 Four ist mit über 620 000 weltweit und über 35 000 in Deutschland verkauften Exemplaren ein Bestseller. Heute sind immerhin noch rund 4300 Stück beim Kraftfahrt-Bundesamt gemeldet. Bemerkenswert viele CB 750-Eigner übrigens besitzen mehr als ein Exemplar.

Klar, daß sich bei so viel Liebhaberei auch ein Markenclub gebildet hat: Ansprechpartner des Ersten Honda-CB-750-Four-Club Deutschland e.V. ist Uwe Scherer (Telefon 0 72 23/68 88). Auch eine Firma gibt’s, die sich fast ausschließlich mit der CB 750 Four beschäftigt: Sayonara Cycles in Köln, Telefon 02 21/5 46 18 33. Diese Einrichtungen sorgen auch für einen steten Nachschub an Ersatzteilen, obwohl so gut wie alles auch noch von selbst Honda zu beziehen ist. Vorsicht übrigens bei der Händler-Bestellung: Manchmal führte Honda Änderungen mitten in der Serie ein, so daß sich vor der Beschaffung das sorgfältige Studium des jeweils passenden Teilekatalogs empfiehlt.

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Erscheinungsdatum 15.09.2023