Gebrauchtkauf Suzuki VX 800

Gebrauchtkauf Suzuki VX 800

Ist die neu? Nein, nur mit Sanso gewaschen, blah, blah, ähem und räusper, foinsapp, knitter, extrem viel Hust, ja, ja, die Gabel - hat echt gelitten, irgendwie zu weich geworden und ausgelaufen, quitsch, gurgel.

Ich war ein Chopper: Diesen Offenbarungseid leistet die VX 800 quasi an jeder Ecke. Er ist als Erklärung zu verstehen, als Entschuldigung dafür, daß ihr gestählter, 238 Kilogramm schwerer Astralkörper stumpf wie Bohnenstroh in enge Kurven sticht, um dann, urplötzlich, mit dem Vorderbau abzuklappen. Gar nicht so arg lustig. Doch - ohne Schmarrn, die VX kann wenig dafür: Sie stammt tatsächlich von einem Chopper ab. Angesichts dessen ist - das muß man Suzuki lassen - noch ein richtig gutes Motorrad aus ihr geworden.


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Trotzdem hätte der Zweizylinder im Lauf der Jahre von der Bürde seiner merkwürdigen Fahrwerksgeometrie befreit werden müssen - einmal kurz gegen die Wand gefahren, schon erledigt. Denn 59 Grad Lenkkopfwinkel, 14,2 Zentimeter Nachlauf, 1555 Millimeter Radstand und über sechs Meter Wendekreis gehören nun mal unter die Obhut eines Easy Riders.VS 750 Intruder, so hieß er, der Stammvater der durchaus reiselustigen Nackedei. Von ihm erbte sie nicht nur die Rahmengeometrie, sondern auch den 45-Grad-V-Motor. Für seinen Einsatz als Touristenschlepper wurde der Vierventiler leicht aufgemöbelt: Drei Millimeter mehr Bohrung ergaben 805 Kubik, 75 Grad Hubzapfenversatz (vorher 45) eine gehobene Laufkultur. Stichwort: Massenausgleich, sprich weniger Vibrationen.

Sein Debüt gab der umgepolte der Tropfentanker Ende 1989 auf dem Mailänder Salon. Und die Welt war begeistert: sooo schööön, so nackt, so retro. Man bedenke: Kawasaki Zephyr und Konsorten weilten noch im Unbekannten. Die meisten Motorräder hüllten sich derzeit in bunt bemalte Plastikschalen. Technik-Appeal war noch nicht so recht angesagt. In direkter Konkurrenz zur VX standen lediglich die rustikale BMW R 80 selig und die etwas dralle Honda NTV 650. Verglichen mit denen schnitt die ranke, schlanke, schwarz gewandte Suzuki schon beim Sehtest besser ab.

m Rahmen diverser MOTORRAD-Vergleichstests schob sie sich ebenfalls ins Rampenlicht, gewann einen Titel nach dem anderen, vor allem wegen ihres allzeit leistungsbereiten Motors. Die Drehmomentstärke der 61-PS-Version vermag die Herzen der Twin-gos bis heute zu erwärmen. Doch verpulvert die VX ihre Kraft nicht allein im Keller, sie macht auch nach oben raus gewaltig Dampf, dreht fröhlich bis an den roten Bereich.Beifall ernteten 1990 auch das spurstabile Fahrwerk und freilich der sensationell niedrige Preis von 9990 Mark. So ließ sich selbst ein weißblau eingefärbter Kollege zu den bewegenden Worten hinreißen: »Wer je mit der VX 800 nach Assisi pilgern durfte, wird demütig am wahren Glauben zweifeln: BMW hat ernsthaft Konkurrenz bekommen, die VX dürfte ein Verkaufsrenner werden.« Er hatte recht. Rund 1700 Exemplare setzte Suzuki im ersten Jahr ab, etwa 1550 im zweiten.

Allerdings mußten nicht sonderlich viele Monde verstreichen, bis zweifelsfrei feststand, daß der Dumping-Preis auf Kosten der Qualität ging. So rostete die VX schon bald voller Hingabe vor sich hin. Am liebsten um die Auspuffanlage herum. Aber auch Schwinge, Rahmen und Fußrastenhalterungen wurden vom roten Pilz befallen. Dieses chronische Suzuki-Leiden ist nur mit ordinären Putzmitteln zu lindern: Lappen und Anti-Korrosionsspray. Angegammelte Chrom-Teile können nach einer Behandlung mit dem Wunderbalsam Nevr-Dull zu neuem Glanz erstrahlen. Doch Vorsicht: Lassen Sie sich beim Gebrauchtkauf vor allem nicht von blitzenden Schalldämpfern blenden, denn oft sind die Tüten an einer gut versteckten Stelle zwischen Rahmenhalterung und Verbindungsrohr hinüber. Dort, wo kein Feudel dieser Welt - ohne Demontage des Systems - vorbeikommt. Hinsehen lohnt.

Hinhören ebenfalls, da sich die Prallbleche und inneren Krümmerrohre der Zwei-in-zwei-Anlage häufig lösen und scheppernde Geräusche von sich geben. Dies gilt besonders für die Jahrgänge 1990 und 1991. Ab 1992 wurden bessere Teile verbaut.

Von Anfang an erwies sich auch die Einscheibenbremsanlage vorn als Billiglösung und von der Masse der VX überfordert: »Dummerweise kann keine zweite Scheibe nachgerüstet werden, aber man muß ja auch noch etwas für die nächste Modellpflege in petto haben«, stand bereits im ersten Test. Doch von einer zweiten Scheibe, geschweige denn einer umfassenden Modellpflege fehlt bis heute jede Spur. Dafür zeigen fast alle VX-Bremsscheiben deutliche Riefen und Verfärbungen. Und im Zubehörhandel floriert das Geschäfte mit Stahlflex-Bremsleitungen, die wenigstens für einen besseren Druckpunkt sorgen. Kostenpunkt um die 120 Mark. Die Fahrwerksspezialisten Wirth und White Power freuen sich ebenfalls ein Loch in den Bauch, denn die Gabelfedern des Naked Bikes sind ziemlich lasch geraten, schlagen häufig absolut ungeniert durch. Suzuki hat bis dato nichts dagegen unternommen. Also erbittet die gebeutelte VX-Gemeinde Hilfe von den Stoßdämpfungs-Päpsten: Die gibt´s gegen den Obolus von grob 170 Märkern in Form härterer Komponenten und anderen Gabelöls.

Wer eine VX der ersten Dekade, das heißt: Baujahr 1990, 1991 und 1992 in die Finger bekommt, sollte dringend danach fahnden, ob die Maschine mit einem Unterdruckbenzinhahn ausgerüstet ist. Anfangs verbaute Suzuki nämlich eine herkömmliche On-Off-Hebelage. Wird der Hahn einer solchen beim Abstellen der Maschine nicht abgedreht, lastet der gesamte Flüssigkeitsdruck auf den Schwimmernadelventilen, denen das auf Dauer zu viel werden kann. Und erst einmal nicht mehr ganz dicht, sind diese gewissenlosen Gesellen imstande die Zylinder zu fluten. Eine unschöne Sache, die einen Motor mitunter zur Selbstzerstörung treiben kann. Nachdem einige diesbezügliche Schäden aufgetreten waren, ließ Suzuki den Hahnenschrei verlauten: Es wurde eine kostenlose Umrüstung angeboten. Kann aber sein, daß die ein oder andere VX den Appell nicht vernahm, denn man verzichtete auf eine rufschädigende Rückrufaktion, die Sache wurde sehr diskret geregelt, von Mensch zu Mensch sozusagen. Hauptsächlich bei Grauimporten besteht die Gefahr, daß sie noch mit einem mechanischen Benzinhahn herumkutschieren. Allerdings lief die Umbaumaßnahme seinerzeit auch an der hochoffiziellen MOTORRAD-Langstreckenmaschine vorbei. Was selbiger glücklicherweise nicht schadete. Sie hielt die 50 000-Kilometer-Distanz anstandslos durch. Bei der anschließenden Sektion des Motors kam ein erfreulich intaktes Inneres zum Vorschein. An den Kolben waren zwar starke Reibspuren zu erkennen, trotzdem hätte die Maschine weiterarbeiten können. Übrigens keine Seltenheit: Das Triebwerk verfügt über eine beachtliche Ausdauer. Wie zahlreiche Leser-Zuschriften bestätigen, sind 70 000 Kilometer problemlos drin.

Diverse Kleinteile geben dagegen schon nach 10 000 Kilometern den Geist auf: Mit Gabeldichtringen beispielsweise geht so manche VX äußerst verschwenderisch um. Hohe Fertigungstoleranzen gewähren Staubpartikeln immer wieder freundlich Einlaß, bis die Dichtungen durchknallen und das Ölgesabbere neuerlich beginnt. Hier gibt´s nur eine wirksame Gegenwehr: Faltenbälge. Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner.

Eine Suzuki VX 800 äußerlich in Schuß zu halten kostet einige Mühe, dafür spart man eben bei der Anschaffung. Auch heute verlangen die Heppenheimer noch keine 12 000 Mark für den Zweizylinder. Ein guter 1993er Jahrgang wird im Kleinanzeigenmarkt zwischen knapp 7000 und 8000 Märkern gehandelt, und ein 1990er Modell hat laut eurotax/Schwacke noch einen Wert von viereinhalb Riesen. Und jetzt: Viel Glück beim Fischen zwischen den rund 7800 zugelassenen Vauixen, denn die meisten Leute bleiben an ihrem Chopper-Sprößling hängen.

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