Gesetzliche Bestimmungen für Rückspiegel
So viel Spiegel muss sein

Rückspiegel am Motorrad sind ein Muss, allerdings gibt es bei der Anbringung Spielraum. Aber es gibt einiges zu beachten. Wir haben bei Polizei und Verkehrsanwälten nachgefragt.

Rückspiegel unterm Lenker am Motorrad Harley-Davidson-Forty-Eigh Detail
Foto: Rossen Gargolov

"Ein generelles Verbot für unterhalb des Lenkers angebrachte Rückspiegel gibt es nicht", so die Auskunft der Pressestelle des Polizeipräsidiums München. Das heißt aber nicht, dass Rückspiegel unterhalb des Lenkers grundsätzlich erlaubt sind. Wenn du auf der sicheren Seite sein willst, dann gibt es zu diesem Thema einiges zu beachten, was nicht nur für hängende Rückspiegel gilt.

Da ist zum einen der Paragraph 56 der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung (§ 56/I StVZO), der besagt, dass Kraftfahrzeuge Spiegel oder andere Einrichtungen für indirekte Sicht haben müssen, die so beschaffen und angebracht sind, dass der Fahrzeugführer alle für ihn wesentlichen Verkehrsvorgänge beobachten kann. Und was heißt das konkret?

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Blickwinkel darf 55 Grad nicht übersteigen

Christian Janeczek vom Deutschen Anwaltverein erläutert hierzu folgendes: "Es ist in der EU-Richtlinie (97/24/EG vom 1.4.2000) geregelt, dass der Blickwinkel vom Fahrerauge (waagrechte Linie nach vorn) zum Spiegel 55 Grad nicht übersteigen darf. In welcher Höhe – ob über oder unter dem Spiegel– ist in der EU-Richtlinie nicht geregelt. Wenn Hersteller ein Modell auf den Markt bringen, das serienmäßig mit Spiegeln unterhalb des Lenkers ausgestattet ist, dann haben die hierfür in der Regel eine ABE und sind damit auch legal", so die Auskunft des Verkehrsrechtsexperten.

Rückspiegel unterm Lenker am Motorrad Harley-Davidson-Forty-Eigh Detail
Rossen Gargolov
"Wenn Hersteller ein Modell auf den Markt bringen, das serienmäßig mit Spiegeln unterhalb des Lenkers ausgestattet ist, dann haben die hierfür in der Regel eine ABE und sind damit auch legal.", so die Rückmeldung eines Experten vom Deutschen Anwaltverein.

So prüft die Polizei

Ok, 55 Grad Blickwinkel maximal. Und wie überprüft das bitteschön die Polizei bei einer Verkehrskontrolle? Gar nicht: "Eine exakte Überprüfung des Neigungswinkels erfolgt durch die Polizeibeamten nicht", so die Rückmeldung der Münchner Polizei auf unsere Anfrage. Das Entscheidende beim Führen eines Kraftrades sei, dass der Fahrer alle für ihn wesentlichen Verkehrsvorgänge beobachten kann. Dies sei auch Gegenstand bei der Überprüfung der Rückspiegel. Hierfür stellt sich ein Polizeibeamter in zwei bis drei Meter Entfernung hinter das Motorrad und prüft, ob der Fahrer alle wesentlichen Verkehrsvorgänge wahrnehmen kann, erläutert die Polizei. Weiterhin heißt es in der Antwort: "Eine Verwarnung erfolgt nur dann, wenn der Kradfahrer den Polizeibeamten nicht wahrnehmen kann. Dies hätte eine Verwarnung in Höhe von 15 Euro wegen Verstoßes gegen § 56 StVZO zur Folge."

In Österreich prüft die Polizei beispielsweise, ob auf "einem nicht runden Spiegel auf der spiegelnden Fläche ein Kreis mit einem Durchmesser von 78 mm aufgezeichnet werden kann", wie unter Ziffer 7.1.1.3. der ECE-R81 beschrieben.

Europäische Regelung für Rückspiegel an Krafträdern

Wie ein Rückspiegel genau beschaffen sein muss, ist in der europäischen Regelung Nr. 81 (ECE-R81) definiert. Grob gilt: Die Rückspiegel müssen einstellbar sein, dürfen keine verletzungsgefährdenden Kanten aufweisen und die spiegelnde Fläche darf 69 Quadratzentimeter nicht unterschreiten. Wer sich für die zur Typengenehmigung notwendigen Krümmungsradien, Abrundungsradien und Reflexionsgrade begeistern kann, darf gerne die "Regelung Nr. 81 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa" studieren. Oder beim Kauf einfach auf das ECE-Prüfzeichen achten, das die Hersteller bekommen, wenn sie die EU-Vorschriften erfüllen.

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Anbringung der Rückspiegel am Motorrad

Wichtig für den Fahrzeughalter sind die Hinweise zur Anbringung der Rückspiegel, wenn er seine Serienspiegel durch andere ersetzen möchte. Hierfür schreibt die Regelung Nr. 81 vor: "Rückspiegel sind so anzubringen, dass sie sich bei normaler Benutzung nicht bewegen" und vom Fahrer "in normaler Fahrhaltung eingestellt werden können."

Außerdem müssen die Spiegel mindestens 28 Zentimeter Abstand zur Fahrzeugmitte haben, wobei hier in einer waagrechten Linie von der Mitte der spiegelnden Fläche bis zur Mitte des Lenkkopfes gemessen wird.

Wie viele Rückspiegel müssen es sein?

In der ECE-R81 ist geregelt: Bei zweirädrigen Fahrzeuge mit einer bauartbestimmten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 50 km/h reicht ein Rückspiegel aus (in Ländern mit Rechtsverkehr auf der linken Fahrzeugseite). Alle zweirädrigen Fahrzeuge mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit über 50 km/h müssen mit zwei Rückspiegeln ausgestattet sein, einer auf der rechten und einer auf der linken Fahrzeugseite. Wobei das laut deutscher Straßenverkehrs-Zulassungsordnung (StVZO) nur für Motorrädern ab Erstzulassung 1. Januar 1990 gilt. Vorher genügte noch einer links.

Fazit

Ein generelles Verbot für unterhalb vom Lenker angebrachte Rückspiegel gibt es nicht. Um aber im legalen und bußgeldfreien Bereich zu bleiben, muss die deutsche Straßenverkehrs-Zulassungsordnung sowie die europäischen Regelung Nr. 81 beachtet werden – hierfür am besten auf das ECE Prüfzeichen achten, dann sollten die Vorschriften erfüllt sein. Für die Polizei ist bei einer Verkehrskontrolle wichtig, dass der Motorradfahrer alle für ihn wesentlichen Verkehrsvorgänge beobachten kann.

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Erscheinungsdatum 15.09.2023