Grundlagen: Alternative Antriebe
Was uns in Zukunft antreiben könnte

Tanken war gestern. Und ist heute immer noch. Aber morgen? Sicher ist nur: Die Erölreserven gehen zur Neige. 2Räder blickt nach vorn, was uns in Zukunft antreiben könnte.

Was uns in Zukunft antreiben könnte
Foto: Foto: Aral

Grund zur Panik besteht noch nicht, aber Anlass zu Nachdenklichkeit sollten die folgenden Zahlen geben: Zwischen 40 und 80 Jahre, so glauben Experten, werden die globalen Erdölvorräte noch reichen, wenn der Verbrauch sich nicht drastisch reduziert. Fast 14 Millionen Tonnen Rohöl wurden 2008 weltweit gefördert und von der Menschheit verbraucht – täglich. Seit etlichen Jahren arbeiten Techniker und Forscher bereits daran, Alternativen zum weltweiten Energieträger Nummer eins zu finden, dem aus Erdöl gewonnenen Benzin. Doch die Kombination aus extrem hoher Energiedichte (ein Kilogramm Benzin speichert zwölf Kilowattstunden) einerseits und relativ einfacher Herstellung, Transport- und Lagerfähigkeit andererseits macht den Brennstoff bisher so einzigartig. Zum Vergleich: Kohle oder Methanol (Alkohol) bunkern nur etwa halb soviel Energie. Doch abgesehen von der Endlichkeit seines Treibstoffs hat der Verbrennungsmotor an sich noch eine Reihe gravierender Nach-
teile: Er produziert nicht nur klimaschädigende Abgase; zu rund zwei Dritteln geht die Energie aus dem Kraftstoff auch noch in Form von ungenutzter Wärme oder durch Überwindung von innerer Reibung verloren, anstatt direkt in Vortrieb umgesetzt zu werden. Höchste Zeit also, diesem Technik-Dinosaurier Lebewohl zu sagen? Schon. Aber wie, wenn die Räder weiter rollen sollen? Von den auf diesen beiden und der folgenden Seite vorgestellten Alternativen ist das Thema Elektroantrieb derzeit das hoffnungsvollste. Auch wenn Strom ebenfalls aus Öl hergestellt wird, aber eben nicht nur.

Unsere Highlights

Elektroantrieb

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Aus den USA, kostet in Deutschland 10000 Euro: Der E-Scooter hat 28 PS, ist bis zu 100 km/h schnell. Reichweite: gut 50 km. Akku an der Steckdose laden: drei Stunden, www.vectrix.de

Wer schon Gelegenheit hatte, ein E-Fahr-zeug zu steuern, wird das Erlebnis so
schnell nicht vergessen: geräuschlos und vom ersten Meter an druckvoll. Vor allem Letzteres ist für Motorradfahrer ein reiz-voller Gedanke. Denn die meisten Elektrofahrzeuge brauchen weder Kupplung noch Getriebe, das maximale Drehmoment steht vom Start weg zur Verfügung. Nicht nur
im Auto-, auch im Motorradbereich gibt
es bereits eine Menge funktionierender
E-Protoypen und sogar schon einige in Serie gefertige und käufliche Modelle (siehe rechts). Ihnen ist nur allen noch eines ge-
­meinsam: Geringe Reichweite. Denn noch gibt es keinen Akku, der eine große Menge Energie auf kleinem (und leichtem) Raum speichern kann – beim Motorrad ein noch viel größeres Problem als im Auto. Ernst zu nehmende E-Bikes bzw. -Scooter haben derzeit eine Reichweite von 50 bis 80 Kilo-
metern, bis sie wieder für mindestens zwei bis drei Stunden ans Netz müssen oder einen frischen Akku brauchen. Nur wiegt so ein Akku derzeit noch gut 20 Kilo und hat das Format einer ausgewachsenen Autobatterie, technisch allerdings nichts mehr mit ihr gemein. Denn wie in Handys wird in vie-
len E-Fahrzeugen bereits moderne Lithium-Ionen-Technik eingesetzt. Deren Entwicklung schreitet zwar fort. Jedoch erwarten Fachleute, dass sich die Speicherkapazität innerhalb der nächsten zehn Jahre lediglich verdoppeln dürfte. Auch sind Haltbarkeit und Lebenserwartung eines Akkus begrenzt: Etwa 1000 Ladevorgänge sind möglich. Nach rund fünf Jahren kann Ersatz fällig werden, der noch teuer ist: etwa 4000 Euro pro Akku. Immerhin: Je mehr Akkus produ-
ziert werden, desto günstiger werden sie.

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eRockit: Ein E-Motor multipliziert die über Fahrradpedale entwickelte Kraft, womit das in Berlin gebaute eRockit bis zu 80 km/h schnell wird. Autobahntauglich. Benötigter Führerschein: A1, Preis: 28000 Euro. www.erockit.net

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Quantya Strada: In der Schweiz entwickelt und gebaut und in Deutschland ab rund 9400 Euro zu kaufen gibt es dieses 80 km/h schnelle E-Bike, das als Straßen- und Enduroversion angeboten wird. Zu mieten in zwei süddeutschen Quantya-Enduro-Parks. Infos: www.quantya.de

Hybrid

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Steht unmittelbar vor seiner Markteinführung: Schon im Mai will Piaggio den serienreifen Dreirad-Hybrid-Roller in Italien vorstellen, zunächst mit 125 Kubik. Preis: 10000 Euro. Andere Modelle sollen bald folgen

Der Hybridantrieb ist nichts anderes als die Kombination von Verbrennungs- und Elektromotor. Was die Vorteile von beiden zwar vereint, aber auch ein Platz- und Gewichtsproblem mit sich bringt, da neben dem ohnehin noch zu großen und schweren Akku (siehe Kasten unten links) und E-Motor auch noch ein Ein- oder sogar Mehrzylinder im Bike untergebracht werden muss. Dazu kosten zwei Motoren entsprechend mehr als einer und
zur sinnvollen Koppelung der beiden ist eine
komplizierte und ebenfalls teure Steuerung nötig. Sind diese Hürden jedoch genommen, hat der Hybridantrieb nur noch Vorteile: Er bietet nicht nur große Reichweite, er kann sogar die beim Bremsen normalerweise in ungenutzte Wärme umgewandelte Energie zurückholen und in den Akku speichern. Der E-Motor fungiert dabei als Generator. Damit wird sogar die Bremse zur Antriebsquelle – genial. Den Hauptanteil an elektrischer Energie freilich produziert der Verbrennungsmotor mit. Zusätzlich können die meisten Hybridfahrzeuge
an der Steckdose aufgeladen werden und im Kurz-streckenbetrieb auch als reine E-Mobile, also
ganz ohne Verbrennungsmotor, betrieben werden.
Durch die Zuschaltung des Elektroantriebs beim Beschleunigen, was im herkömmlichen Fahrbetrieb am meisten Kraftstoff kostet, wird der Spritverbrauch von Hybridfahrzeugen niedrig gehalten. Im Autobereich bot Toyota mit dem Modell Prius schon 1997 das erste, serienmäßige Hybridfahrzeug an. Erst zehn Jahre später stellte Piaggio einen Benzin-E-Zwitter vor, sinnigerweise im Dreirad-Roller-MP3, damals noch als Prototyp. Der Start der Serien-
fertigung wird laut Piaggio schon 2009 erfolgen.

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Yamaha Luxair Gold: Bisher leider nicht mehr als eine Studie ist dieser Motorrad-Roller-Mischling von Yamaha. Er wurde als Hybrid-Fahrzeug auf der Tokyo Motor Show 2007 vorgestellt, verschwand dann aber wiede rin der Versenkung

Brennstoffzelle

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Der Suzuki-Prototyp entstand auf Basis des 2005 von der britischen Firma Intelligent Energy vorgestellten ENV (unten)

Fahrzeuge mit Brennstoffzellen-Technik sind reine Elektro-Mobile, deren Akku jedoch während der Fahrt mittels besagter Brennstoffzelle permanent wieder auf­geladen wird. Und zwar durch – vereinfacht gesagt – die aus der Reaktion von getanktem Wasserstoff und Sauerstoff aus der Luft innerhalb der Brennstoffzelle entstehende Energie. Der große Vorteil: Die Energie-gewinnung erfolgt ohne nennenswerte Wärmeproduktion, die Brennstoffzelle hat also einen sehr hohen Wirkungsgrad. Und als Abgas entsteht hierbei lediglich reines, harmloses Wasser. Wieder so eine geniale Idee, doch wieder nicht ganz un-prob­lematisch. Denn der zur Energiege-winnung nötige Wasserstoff kann nur mit großem Energieaufwand gewonnen werden und muss dann bei einer irrwitzig niedrigen Temperatur von minus 253 Grad oder unter gigantischem Druck von 350 bar getankt und im Fahrzeug gelagert werden. Dennoch gibt es von den führenden japanischen Zweiradherstellern Studien zu dem Thema. Am weitesten aus dem Fenster gelehnt hat sich bisher Suzuki mit dem Modell Crosscage (links). Aber auch Honda und Yamaha arbeiten am Thema Brennstoffzellen-Zweirad, haben jedoch erst Konzepte in kleinen Rollern veröffentlicht. Nicht verwechselt werden darf der Brennstoffzellenantrieb mit dem Wasserstoffmotor. Dieser ist nichts anderes als ein herkömmlicher Verbrennungsmotor, der mit Wasserstoff als Kraftstoff betrieben wird. In Hamburg und Stuttgart werden bereits Linienbusse mit dieser Technik betrieben.

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ENV: Das ENV bezieht seinen Strom aus einer 1-kW-Brennstoffzelle, ist laut Hersteller 80 km/h schnell und hat eine Reichweite von 160 Kilometern.

Vor- und Nachteile der Alternativen

Elektro-Antrieb: Der Star unter allen Antriebskonzepten. Über 90 Prozent der eingesetzten Energie setzt ein Elektromotor in Vortrieb um, kann dank eines früh anliegenden maximalen Drehmoments sogar meist auf ein Getriebe verzichten. Zudem glänzt der E-Motor durch Wartungsarmut und geringe Geräuschentwicklung. Die Gesamt-Energie-bilanz des Elektroantriebs wird vom Wirkungsgrad des Kraftwerks festgelegt. Serienreife: ja

Positiv: Geräuscharm, drehmomentstark, einfache Technik, meist kein Getriebe nötig

Negativ: Batterie-Kapazitäten noch begrenzt, hohes Gewicht der Batterien, hoher Preis der Batterien, Ladevorgang zeitaufwendig

Hybrid: Kombination des Verbrennungs- mit einem Elektromotor. Der E-Motor greift in der Beschleunigungsphase unterstützend ein, ermöglicht dadurch die Verwendung eines kleiner dimensionierten Verbrennungsmotors. Während der Fahrt wird der Akku vom konventionellen Motor, beim Bremsen durch die Energierückgewinnung aufgeladen. Über kurze Strecken kann der E-Motor auch als alleiniger Antrieb dienen. Serienreife: ja

Positiv: Reichweitenproblem gemildert, Aufladen der Batterien beim Bremsen möglich, ausschließlicher Elektro-betrieb möglich

Negativ: Aufwendige Technik, teuer, im E-Motor-Betrieb geringe Reichweite

Brennstoffzelle: Basis ist ein gewöhnlicher Elektro-antrieb. Zur Reichweiten-Verlängerung fungiert eine Brennstoffzelle quasi als bordeigenes Kraftwerk, das die Batterien während der Fahrt auflädt. Die Elektrizität erzeugt die Brennstoffzelle aus der Reak-tion von Wasserstoff und Sauerstoff, bei der lediglich unschädlicher Wasserdampf entsteht. Problematisch ist die Lagerung und Betankung von Wasserstoff. Serienreife: nein

Positiv: Ladevorgang im Fahrbetrieb, keine Schadstoff-Emission, geräuscharm

Negativ: Teuer, Wasserstoff-Versorgung (Tankstellen) wenig verbreitet, Betankung und Lagerung aufwendig

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MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023