Aus vielen zusammengekauften Marken einen großen Zweiradhersteller zu bilden – dies ist derzeit das Ziel des Piaggio-Konzerns. Neben dem sportlich-technischen Aushängeschild Aprilia und dem Traditionshersteller Moto Guzzi, flankiert von den Rollermarken Vespa, Gilera und Piaggio selbst, hat Derbi innerhalb dieses Verbunds die Rolle der Jugendmarke übernommen.
Entsprechend bunt und stylisch präsentierte sich auf den vergangenen Herbstmessen das Angebot des in Spanien beheimateten Herstellers. Drei
der präsentierten Serienmotorräder und Prototypen nutzen den neuen, wassergekühlten Vierventil-125er als Antrieb, den die Motoren-Entwicklungsabteilung von Piaggio konstruiert hat. Neben der bereits in
Heft 23/2006 gezeigten Mulhacén 125 ist dies auch die Mulhacén Freexter 125. Sie zeigt eine peppige Zweifarblackierung und Gußräder, verzichtet auf Verkleidungsteile und macht auf Straßenkämpfer. Vergleichbar der BMW G 650 Xcountry ist die Derbi 125 Cross City, eine Senda mit neuer Ausrichtung. Sie wendet sich an Jugendliche, die weniger Wert auf die reine Fahrdynamik legen. Schlicht, doch originell ist ihr Äußeres, die Technik einfacher als bei den anderen 125ern. Deshalb überdauert in der Cross City der luftgekühlte Zweiventiler von Honda, der bislang die Senda-Modelle antrieb. Trotz gut drei PS Rückstand, der sich in dieser Hubraumklasse beim Fahren negativ auswirkt.
Individualisierung, so die Botschaft, die Derbi mit allen bislang genannten Modellen vermittelt, kann noch weit stärker als bisher im Motorradbau üblich durch geschicktes und flexibles Variieren weniger Basismodelle gelingen. Kleine Retuschen mit großer optischer Wirkung schaffen Attraktivität. Keine dumme Strategie, wenn es gilt, junge Kundschaft anzusprechen. Und eine, die auch bei etwas älterer Klientel funktionieren könnte. Deshalb standen neben den 125ern auch drei Varianten der großen Mulhacén mit dem 659er-Motor von Yamaha/Minarelli. In Serie geht
die Mulhacén 659 Café, die es im Unterschied zur Scrambler-Philosophie des Urmodells etwas mehr mit dem sportlichen Kurvenfahren hat. Schwarze Lackierung, klebrige 17-Zoll-Bereifung auf Gussrädern sowie eine Upside-down-Gabel von Marzocchi – fertig ist eine clever gemachte Variante.
Eine weitere entsteht im genauen Gegensatz dazu, nämlich einer auffälligen, grün dominierten Buntheit. Wenn dann noch eine längere Gabel und kürzere Stoßdämpfer verwendet werden, ein verchromter Rahmen und ein mattschwarzes Motorgehäuse, ist die Reminiszenz an amerikanische Dirt- und Flat-Track-Maschinen perfekt. So geschehen in Gestalt des Prototypen Hot Bob. Sogar die Fans moderner digitaler
Videotechnik könnten in Zukunft mit Derbi in ganz neue Bereiche filmischen Schaffens vorstoßen. Die zitronengelb lackierte Mulhacén X-Vision verfügt über vier Kameras, die vom Lenker aus bedienbar sind und einen perfekten Rundumblick schaffen. Wie sehr das Display mit den Filmbildern vom Fahren ablenkt, wird sich freilich noch zeigen müssen.
Der 660er-Einzylinder, gebaut bei der Yamaha-Tochterfirma Minarelli, dient außer in den Derbis, in drei Yamahas und drei Aprilias seit neuestem auch in einem Straßenmotorrad des französischen Herstellers Scorpa. Bisher auf Trialmotorräder spezialisiert, die ebenfalls mit Yamaha-Motoren laufen, plant Scorpa, den Roadster spätestens im Herbst 2007 auf den Markt zu bringen. Raidster 660 lautet der Name des raffiniert simplen Motorrads mit der bestechend schönen Auspuffanlage. Das Styling stammt von Thierry Henriette, dem Chef von Boxer-Design, der auch bei der Konstruktion des Rahmens mitgewirkt hat. »Das Ziel war, ein leichtes und einfach zu fahrendes Motorrad zu bauen, das außerdem günstig im Preis sein soll,« charakterisiert er die Raidster. Wenn sich die Preisvorstellung von 6000 Euro halten lässt und die Gewichtsangabe von 148 Kilogramm trocken stimmt, könnte sie sogar ansehnliche Verkaufserfolge erzielen. Zumal dank bewährter Yamaha-Technik keine Probleme mit der Zuverlässigkeit zu erwarten sind. Der Vierventiler konnte seine Standfestigkeit bereits im MOTORRAD-Dauertest beweisen.
Einen weiteren Einzylinder, wenngleich mit ganz anderer Zielsetzung, präsentierte Cagiva: Es handelt sich um das Fahrwerk einer Mito 125, in dem der Motor einer Husqvarna 510 TE steckte. Nur so, um die Publikumsreaktionen zu testen. Zwar ist die Idee, aus dem immer noch hervorragenden Mito-Chassis ein leichtes Sportmotorrad von höchster Dynamik zu schaffen, nicht neu. Bereits vor etwa zehn Jahren fand MOTORRAD-Testchef Gert Thöle auf dem Cagiva-Werksgelände eine Mito mit Husky-Motor, einzelne Maschinen wurden sogar mit dem 650er von Suzuki ausgestattet. Dass jetzt erstmals ein solcher Versuch in der Öffentlichkeit auftaucht, ist immerhin ein Indiz ernsthafter Überlegungen. Im Zusammenhang mit Cagiva sei hier noch ganz kurz auf neue, sehr ansehnliche Zweifarblackierungen der Raptor 125 – auch ein Ableger der Mito – hingewiesen.
Wie in einschlägigen Internetforen zu lesen ist, haben die 650er-Modelle von Hyosung derzeit nicht den besten Lauf. Probleme mit der Zuverlässigkeit bei ohnehin hausbackenem Styling lassen sich auf Dauer auch durch günstige Verkaufspreise nicht kompensieren. Insofern ist die hier gezeigte GT 650 X mit ihrer hochwertigen Ausstattung ein Hoffnungsträger. Der Verbund aus Gitterrohrrahmen und Alu-Gussteilen ersetzt das ungeschlachte Originalchassis aufs Vorteilhafteste. Wann sie in Serie geht, ist noch nicht bekannt. Für den Moment muss die Information genügen, dass im kommenden Jahr die Hyosung-Motoren auf Einspritzung umgestellt werden.
Neben der Präsentation der Black Rocket, einer mit Underseat-Auspuff und getuntem Ducati-Zweiventiler bestückten Variante der achsschenkelgelenkten 984 C3 2V, überraschte der italienische Kleinhersteller Vyrus auf der Eicma mit der Zen. Der puristische Roadster auf Basis einer BMW R 1150 R entstand auf Initiative eines mit Vyrus kooperierenden Designstudios. Was überflüssig war, wurde förmlich weggestylt. Linien, die bei der Original-BMW wirken wie ein eben aufgeworfenes Mikadospiel, fasst ein gekonnt gestalteter, flächiger Heckrahmen zusammen, welcher direkt in die Tankverkleidung übergeht. Vielleicht ein Anreiz für die Münchner, sportlich-schlichtes Design nicht nur in den HP-Modellen zu realisieren.
Morini zeigte einen ersten Vorschlag für etwas, was in Italien klangvoll »endurone« genannt wird und in Deutschland nüchtern Groß-Enduro heißt. MM3 concept nennt Designer Rodolfo Pascoli seinen Versuch, in einem dicht besetzten Segment mit feinsten Schattierungen zwischen Straßen- und Geländetauglichkeit einen Morini-typischen Weg zu finden. Das ist ihm seiner eigenen Meinung nach bei der Frontpartie der MM3 besser geglückt als beim Heck. Ohnehin ließ niemand bei Morini einen Zweifel daran, dass sich die Studie bis zur Serienreife noch stark verändern wird. Kleine Hersteller, die sich keine teuren Marktforschungsabteilungen leisten können, sind eben mehr als andere auf die Reaktionen eines Messepublikums als Indikator angewiesen und neigen deshalb dazu, Konzepte bereits in einem sehr frühen Stadium publik zu machen.
Bei Fantic, dem seit den siebziger Jahren renommierten Hersteller kleiner Offroader, ist die Umstellung von Zwei- auf Viertaktmotoren in vollem Gange. Die Caballero 125 des Jahrgangs 2007 bekommt einen luftgekühlten Yamaha/Minarelli-Motor ins hochbeinige und kompromisslos hochwertig ausgestattete Offroad-Fahrwerk gepflanzt. Neben reinrassigen Sportmaschinen, die durch schärfere Nockenwellen getunt werden, sind ab Februar 2007 auch Straßenableger erhältlich. Als Enduro- wie auch als Supermoto-Version kosten die kleinen Viertakter um 4100 Euro.
Weil im Intermot-Report in MOTORRAD 23/2006 beim Thema Einzylinder eine Kawasaki KLX 450 R auftauchte, sei hier eine sehr verdienstvolle Initiative des italienischen Importeurs von Kawasaki-OffroadMotorrädern nicht verschwiegen. Die Firma KL nämlich hat die unlängst präsentierte Wettbewerbsenduro auf Supermoto umgebaut und mit griffigen 17-Zöllern ausgestattet. Wieviel Leistung nach der Homologation noch übrig bleibt, vermag KL noch nicht anzugeben, den stolzen Preis schon: 9830 Euro.