A ls Yamaha 1999 auf der Tokio Motor
Show die Studie MT-01 präsentierte, stand die Fachwelt Kopf. Mit dem
martialisch anmutenden Showbike schlug Yamaha erstmals die Brücke zwischen ganz verschiedenen Motorradkategorien und verschmolz den 1670 cm3 großen Zweizylinder der Road Star Warrior mit
einem sportlichen Alu-Fahrwerk und Komponenten aus dem Supersportregal. Und diese Studie verschwand nicht wie es sonst oft geschieht in der Schublade. Ab 2005 kann sich jedermann die MT-01 für zirka 13300 Euro in die Garage stellen.
Für seine neue Aufgabe musste sich der langhubige 48-Grad-V-Zweizylinder mit unten liegender Nockenwelle und ellenlangen Stoßstangen, die über Gabelkipphebel je vier Ventile pro Zylinder betätigen, einige Modifikationen gefallen lassen. So speckte zum Beispiel die Kurbelwelle deutlich ab, um mit der geringeren Schwungmasse ein spontaneres Hochdrehen zu ermöglichen. Auch der Sekundärantrieb erfolgt jetzt nicht mehr cruisergemäß über Zahnriemen, sondern mittels einer deutlich kompakteren Kette und wanderte von der linken auf die rechte Seite.
Auch die Peripherie wurde total umgekrempelt. Die Airbox unter dem Tank fällt mit sieben Liter Volumen recht großzügig aus. Und die Abgase gehen völlig neue Wege. Kurz nach der Zusammenführung der beiden Krümmer passieren sie eine Auslasssteuerung, wie sie Yamaha in den sportlichen Vierzylindern populär gemacht hat und heute bei den 1000er-Supersportlern aus Japan Stand der Technik ist.
Die drehzahlabhängige Änderung des Sammlerquerschnitts mithilfe einer Klappe soll nicht nur das Drehmoment im unteren und mittleren Drehzahlbereich anheben, sondern auch Fehlzündungen des großen Zweizylinders vermeiden. Zudem fordern die aktuellen Schadstoffbestimmungen
ihren Tribut. Nach der Auslasssteuerung reinigt ein geregelter Katalysator nun die Abgase, bevor sie durch die optisch
überaus dominanten, megaphonförmigen Schalldämpfer aus Titan ins Freie entweichen. Wegen des modifizierten Umfelds mussten die Techniker komplett neue Kennfelder für Zündung und Einspritzung erarbeiten. Sämtliche Maßnahmen schlagen sich in der Bilanz positiv nieder. So legte die Leistung um vier auf 90 PS bei 4750/min zu, das Drehmoment stieg von 141 auf 150 Newtonmeter bei 3800/min.
Während der Motor noch weitgehend auf vorhandenen Komponenten basiert, ist das Fahrwerk komplett neu. Beim Rahmen wird auf eine Gusskonstruktion zurück-
gegriffen, die sich in der YZF-R6 oder der FZ6 bereits bewährt hat. Wie bei Letzterer sind die beiden im Druckguss hergestellten Hälften am Lenkkopf und im Bereich der Schwingenachse miteinander verschraubt. Produktionstechnisch ist dieses Verfahren besonders günstig und bietet viel gestalterischen Freiraum. Die Wandstärken lassen sich in idealer Weise an die auftretenden Kräfte anpassen.
Ohne eine einzige Schweißnaht ergibt sich außen eine glatte Oberfläche, an der Innenseite sorgen Rippen für eine hohe Steifigkeit. Der V2 ist an den Zylinderköpfen mit dem Rahmenoberteil verschraubt. Zusätzlich stabilisierend wirkt ein unter dem Steuerkopf und der Schwingenlagerung verschraubter, zweiteiliger Unterzug aus Aluguss. Die Schwinge mit Unterzug vertraut ebenfalls auf Gusstechnik und besteht aus zwei Hälften. Die sind allerdings miteinander verschweißt.
Bei den Federelementen sparten die Yamaha-Entwickler nicht. Vorne arbeitet eine komplett einstellbare Upside-down-Gabel mit 43 Millimeter Gleitrohrdurchmesser, die in ähnlicher Form im Supersportler R1 Dienst tut. Die Bremsanlage mit Radialbremszylinder, radial verschraubten, einteiligen Vierkolbenfestsätteln, auch aus der R1, und die 320 Millimeter großen Bremsscheiben entsprechen höchstem Supersportstandard. Das unter dem Getriebe liegende, voll einstellbare Federbein ist über Umlenkhebel an der Schwinge
angelenkt. Gussräder im ungewöhnlichen Vierspeichendesign mit Radialreifen in den Dimensionen 120/70-17 und 190/50-17 ergänzen das Ensemble.
Und die Fahrwerksgeometrie? Mit 1525 Millimeter Radstand unterbietet sie die Road Star Warrior zwar um glatte 14 Zentimeter, kommt aber wegen des ausladenden V2 nicht an die Naked-Bike-typischen Werte heran. Lenkkopfwinkel und Nachlauf liegen mit 65 Grad und 103 Millimeter allerdings auf dem Niveau unverkleideter Big Bikes. Bleibt also abzuwarten, wie
sich die MT-01 mit ihren vollgetankt etwa 255 Kilogramm im Fahrverhalten schlägt.
Die im Vergleich zu den großen Nackten etwas geringere Leistung kann sie durch das höhere Drehmoment sicher wettmachen, und wem das noch nicht genug ist, dem bietet Yamaha aus dem umfangreichen Performance-Programm einen von drei Tuningkits, der für die Straße zugelassen ist und dem Big Block noch
einige zusätzliche PS entlockt. Zumindest mit der dominanten Optik strahlt die MT-01 bereits im Stand Kraft und Dynamik aus, so darf man auf die propagierte Synthese aus »intensivem Drehmomentfeeling und sportlichem Handling« in der Fahrpraxis gespannt sein.
Technik-Neuheit: Yamaha MT-01 : Genmanipulation
Das Herz eines dicken Cruisers in ein knapp sitzendes Sportfahrwerk implantiert, das Ganze mit dem nötigsten Beiwerk garniert Yamaha stellt mit der MT-01 ein völlig neues Motorrad-Konzept vor.

Foto: Yamaha