Test MV Agusta F4
MV Agusta F4

Oft sind Einstiegsmodelle Sparvarianten, bei denen Schmalhans Küchenmeister ist. Die MV Agusta F4 beweist, dass auch ein Basismodell Verlockendes für Genießer bieten kann.

MV Agusta F4
Foto: Bilski

Endlich! Die ersten Sonnenstrahlen setzen dem tristen Grau des gefühlt schon ewig dauernden Winters ein Ende und spendieren uns ein paar warme Tage. Wie passend, dass gerade jetzt die überarbeitete MV Agusta F4 den Weg zu uns gefunden hat. Büro ade, das muss ausgenutzt werden. Kombi an, Handschuhe zurechtgezupft und nix wie raus aus dem Stuttgarter Talkessel.
Die F4 ist Basismodell und Einstieg
in die F4-Familie, die noch die edler ausgestatteten F4 R und F4 RR umfasst. Leichte Schmiederäder, elektrisch einstellbare Öhlins-Federelemente und 201 PS wie das
Spitzenmodell F4 RR bietet die F4 zwar nicht. Doch bekam sie jetzt ebenfalls den kurzhubigen Corsa-Corte-Motor mit variablen Ansaugtrichtern und damit eine Leistungsspritze spendiert. 195 PS sollten fürs Gröbste reichen. Außerdem ist jede Menge Elektronik mit an Bord: achtstufige Traktionskontrolle mit Schräglagensensor, Schaltautomat, verschiedene Mappings (Sport, Normal, Rain mit 150 PS) und natürlich der elektronische Gasgriff (Ride-by-Wire). Dazu kann der Pilot ein weiteres Mapping-Menü selbst zusammenstellen und dabei Motorbremse, Ansprechverhalten des Motors, Sensibilität des Gasgriffs und für jeden Gang den Drehzahlbegrenzer festlegen. Nur ein ABS fehlt, wird aber später noch folgen.
Grandios, wie die Märzsonne die Luft erwärmt. Der Vierzylinder knurrt und sägt schon bei zivilen Drehzahlen mit Hingabe, herrlich und einfach ein Genuss. Doch nicht nur beim Sound ist sich die F4 treu geblieben. Die Rasten hoch, die Lenker tief, Sportler-Ergonomie alter Schule. Alles so weit wie gehabt, inklusive der untauglichen Rückspiegel und des Lkw-mäßigen Wendekreises.
Die Sträßchen über die Schwäbische Alb sind wie leer gefegt, genau richtig zum gemütlichen Einschwingen. Eine der wichtigsten Neuerungen bleibt dabei zunächst dezent im Hintergrund: das Ride-by-Wire. Bei niedrigen und mittleren Drehzahlen setzt es die Gasbefehle unauffällig um.
Unter 4000/min geht der Vierzylinder noch ziemlich verhalten zur Sache, aber auch sanft ans Gas, wodurch sich selbst Spitz-
kehren problemlos meistern lassen.
Ab 4000/min kommt erstmals ein
wenig Leben in die Bude. Doch so richtig prickelnd wird es, wenn der Balken des schlecht ablesbaren Drehzahlmessers die 8000er-Marke passiert. Dann geht der
Vierzylinder ab wie ein Sektkorken. Mit
beeindruckendem Gebrüll und deutlichen Vibrationen rast er die Drehzahlleiter hinauf. Bei 10 000/min, wenn sich die Ansaugtrichter heben, zündet der Nachbrenner. In
der unteren Drehzahlhälfte noch brav, wird
der Kurzhuber in der oberen Hälfte zum Tier, das mit dieser Leistungscharakteristik klar auf den Sporteinsatz konditioniert ist.
Wer im ersten Gang unbedacht beim Beschleunigen das Gas stehen lässt, sollte darauf gefasst sein, dass es das Vorderrad mit Vehemenz Richtung Himmel reißt.
Dieser Motor ist ein Brandstifter, der drehen und powern will. Allerdings setzt er bei hohen Drehzahlen Gasbefehle deutlich
härter um, reagiert bissig auf kleine Gaskommandos, vor allem im Sport-Modus.
Für die Landstraße ist das Normal-Mapping die bessere Wahl. Dennoch: Das Ride-by-Wire ist deutlich besser abgestimmt als
bei den Dreizylindern aus gleichem Haus.
Bei hohen Drehzahlen reiht der Schaltautomat knackig Gang an Gang. Eigentlich soll-
te er auch das Herunterschalten ohne Kupplungseinsatz ermöglichen, doch ist diese Funktion noch nicht serienreif entwickelt und soll später per Software-Update kostenlos nachrüstbar sein. Bei mittleren Drehzahlen und weniger Last allerdings gehen Gangwechsel ziemlich knochig über die Bühne, sodass man von selbst aus Rücksicht auf die Mechanik lieber zur Kupplung greift.
Ganze Arbeit dagegen leisten die bewährten Monoblock-Zangen von Brembo, wenn es gilt, die F4 rechtzeitig vor einer Kurve oder einem Hindernis wieder einzufangen. Klasse dosierbar, nicht zu giftig im ersten Zupacken. Und bei harten Bremsmanövern hält die Anti-Hopping-Kupplung, bei der Beschleunigungsmessung noch
mit hässlichem Rupfen unangenehm aufgefallen, das Hinterrad sicher im Zaum.
Die neuen, etwas leichteren Zehnspeichen-Gussräder lassen die F4 zwar nicht
Haken schlagen wie ein Hase, doch fällt die immerhin 215 Kilo schwere MV willig in Schräglage und folgt souverän den Lenk-
befehlen. Bei der Abstimmung der Federelemente vermied man den Fehler, es mit der sportlichen Härte zu übertreiben. Das Sachs-Federbein ist zwar straff abgestimmt, bietet aber noch ausreichend Komfort. Weicher und komfortabler ausgelegt ist die Marzocchi-Gabel, die mit feinem Ansprechen sauber über Frostaufbrüche hinwegbügelt.
Einen erfreulichen Fortschritt vermeldet der Gang zur Zapfsäule. 5,9 Liter Verbrauch sind locker ein Dreiviertel Liter weniger, als die Vorgängerinnen schluckten. Und dass sie obendrein mit 16 990 Euro die Hürde für den Einstieg in die F4-Familie um rund 1500 Euro senkt, macht die liebevoll verarbeitete Schönheit umso reizvoller.
www.motorradonline.de/mvagusta
Motor
Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 50 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 350 W, Batterie 12 V/9 Ah, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung (Anti-Hopping), Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 41:15.
Bohrung x Hub 79,0 x 50,9 mm
Hubraum 998 cm³
Verdichtungsverhältnis 13,4:1
Nennleistung 143,5 kW (195 PS)
bei 13400/min
Max. Drehmoment
111 Nm bei 9600/min
Fahrwerk
Gitterrohrrahmen aus Stahl, Motor mittragend, Upside-down-Gabel, Ø 50 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Einarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 210 mm, Vierkolben-Festsattel, Traktionskontrolle.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 6.00 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 200/55 ZR 17
Maße + Gewichte
Radstand 1430 mm, Lenkkopfwinkel 66,0 Grad, Nachlauf 100 mm, Federweg v/h 120/120 mm, Gewicht vollgetankt 215 kg, Zuladung 180 kg, Tankinhalt 17,0 Liter.Garantie zwei JahreServiceintervalle alle 6000 kmFarben Weiß, Rot/SilberPreis 16 990 EuroNebenkosten 275 Euro
Messwerte
Fahrleistungen
Höchstgeschwindigkeit* 295 km/h
Beschleunigung
0-100 km/h 3,3 sek
0-140 km/h 4,8 sek
0-200 km/h 7,6 sek
Durchzug
60-100 km/h 4,8 sek
100-140 km/h 3,7 sek
140-180 km/h 4,0 sek
Tachometerabweichung
effektiv (Anzeige 50/100)
47/95 km/h
Verbrauch
Landstraße 5,9 l/100 km
theoretische Reichweite 288 km
Kraftstoffart Super
Leistungs-
Diagramm

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MV Agusta F4 mit jeder Menge Elektronik an Bord

Die MV Agusta F4 ist Basismodell und Einstieg in die F4-Familie, die noch die edler ausgestatteten F4 R und F4 RR umfasst. Leichte Schmiederäder, elektrisch einstellbare Öhlins-Federelemente und 201 PS wie das Spitzenmodell F4 RR bietet die F4 zwar nicht. Doch bekam sie jetzt ebenfalls den kurzhubigen Corsa-Corte-Motor mit variablen Ansaugtrichtern und damit eine Leistungsspritze spendiert. 195 PS sollten fürs Gröbste reichen. Außerdem ist jede Menge Elektronik mit an Bord: achtstufige Traktionskontrolle mit Schräglagensensor, Schaltautomat, verschiedene Mappings (Sport, Normal, Rain mit 150 PS) und natürlich der elektronische Gasgriff (Ride-by-Wire). Dazu kann der Pilot ein weiteres Mapping-Menü selbst zusammenstellen und dabei Motorbremse, Ansprechverhalten des Motors, Sensibilität des Gasgriffs und für jeden Gang den Drehzahlbegrenzer festlegen. Nur ein ABS fehlt, wird aber später noch folgen.

Grandios, wie die Märzsonne die Luft erwärmt. Der Vierzylinder knurrt und sägt schon bei zivilen Drehzahlen mit Hingabe, herrlich und einfach ein Genuss. Doch nicht nur beim Sound ist sich die MV Agusta F4 treu geblieben. Die Rasten hoch, die Lenker tief, Sportler-Ergonomie alter Schule. Alles so weit wie gehabt, inklusive der untauglichen Rückspiegel und des Lkw-mäßigen Wendekreises. Die Sträßchen über die Schwäbische Alb sind wie leer gefegt, genau richtig zum gemütlichen Einschwingen. Eine der wichtigsten Neuerungen bleibt dabei zunächst dezent im Hintergrund: das Ride-by-Wire. Bei niedrigen und mittleren Drehzahlen setzt es die Gasbefehle unauffällig um.

Dieser Motor ist ein Brandstifter!

Unter 4000/min geht der Vierzylinder der MV Agusta F4 noch ziemlich verhalten zur Sache, aber auch sanft ans Gas, wodurch sich selbst Spitzkehren problemlos meistern lassen. Ab 4000/min kommt erstmals ein wenig Leben in die Bude. Doch so richtig prickelnd wird es, wenn der Balken des schlecht ablesbaren Drehzahlmessers die 8000er-Marke passiert. Dann geht der Vierzylinder ab wie ein Sektkorken. Mit beeindruckendem Gebrüll und deutlichen Vibrationen rast er die Drehzahlleiter hinauf. Bei 10 000/min, wenn sich die Ansaugtrichter heben, zündet der Nachbrenner. In der unteren Drehzahlhälfte noch brav, wird der Kurzhuber in der oberen Hälfte zum Tier, das mit dieser Leistungscharakteristik klar auf den Sporteinsatz konditioniert ist.

Wer im ersten Gang unbedacht beim Beschleunigen das Gas stehen lässt, sollte darauf gefasst sein, dass es das Vorderrad mit Vehemenz Richtung Himmel reißt. Dieser Motor ist ein Brandstifter, der drehen und powern will. Allerdings setzt er bei hohen Drehzahlen Gasbefehle deutlich härter um, reagiert bissig auf kleine Gaskommandos, vor allem im Sport-Modus. Für die Landstraße ist das Normal-Mapping die bessere Wahl. Dennoch: Das Ride-by-Wire ist bei der MV Agusta F4 deutlich besser abgestimmt als bei den Dreizylindern aus gleichem Haus.

215 Kilo fallen willig in Schräglage

Bei hohen Drehzahlen reiht der Schaltautomat knackig Gang an Gang. Eigentlich sollte er bei der MV Agusta F4 auch das Herunterschalten ohne Kupplungseinsatz ermöglichen, doch ist diese Funktion noch nicht serienreif entwickelt und soll später per Software-Update kostenlos nachrüstbar sein. Bei mittleren Drehzahlen und weniger Last allerdings gehen Gangwechsel ziemlich knochig über die Bühne, sodass man von selbst aus Rücksicht auf die Mechanik lieber zur Kupplung greift.

Ganze Arbeit dagegen leisten die bewährten Monoblock-Zangen von Brembo, wenn es gilt, die F4 rechtzeitig vor einer Kurve oder einem Hindernis wieder einzufangen. Klasse dosierbar, nicht zu giftig im ersten Zupacken. Und bei harten Bremsmanövern hält die Anti-Hopping-Kupplung, bei der Beschleunigungsmessung noch mit hässlichem Rupfen unangenehm aufgefallen, das Hinterrad sicher im Zaum.

Die neuen, etwas leichteren Zehnspeichen-Gussräder lassen die MV Agusta F4 zwar nicht Haken schlagen wie ein Hase, doch fällt die immerhin 215 Kilo schwere MV willig in Schräglage und folgt souverän den Lenkbefehlen. Bei der Abstimmung der Federelemente vermied man den Fehler, es mit der sportlichen Härte zu übertreiben. Das Sachs-Federbein ist zwar straff abgestimmt, bietet aber noch ausreichend Komfort. Weicher und komfortabler ausgelegt ist die Marzocchi-Gabel, die mit feinem Ansprechen sauber über Frostaufbrüche hinwegbügelt.

Einen erfreulichen Fortschritt vermeldet der Gang zur Zapfsäule. 5,9 Liter Verbrauch sind locker ein Dreiviertel Liter weniger, als die Vorgängerinnen schluckten. Und dass die neue MV Agusta F4 obendrein mit 16 990 Euro die Hürde für den Einstieg in die F4-Familie um rund 1500 Euro senkt, macht die liebevoll verarbeitete Schönheit umso reizvoller.

Technische Daten

Bilski
Leistungsdiagramm der MV Agusta F4.

Motor
Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 50 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 350 W, Batterie 12 V/9 Ah, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung (Anti-Hopping), Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 41:15.
Bohrung x Hub 79,0 x 50,9 mm
Hubraum 998 cm³
Verdichtungsverhältnis 13,4:1
Nennleistung 143,5 kW (195 PS)
bei 13400/min
Max. Drehmoment
111 Nm bei 9600/min

Fahrwerk
Gitterrohrrahmen aus Stahl, Motor mittragend, Upside-down-Gabel, Ø 50 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Einarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 210 mm, Vierkolben-Festsattel, Traktionskontrolle.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 6.00 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 200/55 ZR 17

Maße + Gewichte
Radstand 1430 mm, Lenkkopfwinkel 66,0 Grad, Nachlauf 100 mm, Federweg v/h 120/120 mm, Gewicht vollgetankt 215 kg, Zuladung 180 kg, Tankinhalt 17,0 Liter.

Garantie
zwei Jahre

Serviceintervalle
alle 6000 km

Farben Weiß, Rot/Silber

Preis 16 990 Euro
Nebenkosten 275 Euro

Messwerte
Fahrleistungen
Höchstgeschwindigkeit* 295 km/h
Beschleunigung
0-100 km/h 3,3 sek
0-140 km/h 4,8 sek
0-200 km/h 7,6 sek
Durchzug
60-100 km/h 4,8 sek
100-140 km/h 3,7 sek
140-180 km/h 4,0 sek
Tachometerabweichung
effektiv (Anzeige 50/100)
47/95 km/h

Verbrauch
Landstraße 5,9 l/100 km
theoretische Reichweite 288 km
Kraftstoffart Super

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023