Tipps und Tricks - Motorrad-Ergonomie anpassen
Haltung bewahren

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Motorrad fahren gut und sicher

Im Lauf der Evolution hat sich der Mensch zwar zum aufrechten Gang entwickelt, doch wenn es hurtig vorangehen soll, ist der Gebückte im Vorteil. Und mit den PS-Tipps zwickt und zwackt auch in der Kauerstellung nix.

Haltung bewahren
Foto: Foto: fact, Koch

Sonne, laues Lüftchen, nix wie rauf auf den Bock. Nach der monatelangen Abstinenz gibt‘s kein Halten mehr. Oder doch? Die Viertelstunde sollte man sich nehmen, um einfach noch einmal abzuchecken, ob man wirklich perfekt aufs Krad passt. Denn öfter als man glaubt, hat man sich an die eine oder andere "Fehlstellung" gewöhnt.

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Dabei ist die optimale Handhabung Grundvoraussetzung für einen sicheren, entspannten Ritt. Wie bei allen technischen Sportarten muss jeder Griff, jeder Befehl und jeder Impuls exakt und fein dosiert sitzen.

FIT IN DIE MOTORRADSAISON 2022

Lenker, Gasgriff, Hebel

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Bei einer zu weit außen montierten Bremspumpe sind Hebelwirkung und Griffergonomie nicht optimal.

Beim Auflegen der Handflächen auf Brems- und Kupplungsgriff müssen diese in normaler Sitzhaltung eine Linie mit den Unterarmen bilden. Wenn nicht, laufen die Sehnen über das abgewinkelte Handgelenk wie der Bowdenzug über eine Knickstelle. Passt? Dann überprüfen wir den Griff zum Bremshebel. Die Bremsfinger, je nach Kraft und Vorliebe zwei (Ring/Mittelfinger) oder drei (plus Zeigefinger) sollten wenn möglich am Ende des Bremshebels anliegen.

Nur so kann die Hebelwirkung voll genutzt werden. Greifen die Finger zu nahe am Drehpunkt, gehen Bremskraft und Dosierbarkeit verloren. Oftmals sitzt die Bremspumpe zu dicht am Gasgriff und kann durch Lösen der Klemmschrauben zur Lenkermitte verschoben werden. Sicherheitshalber wird nach dieser Verstellung geprüft, ob sich der Bremshebel berührungsfrei bis zum Griff durchziehen lässt.

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Die Klemmungen der Handhebel sind meist asymmetrisch, zuerst oben anlegen, dann unten klemmen.

Dazu werden die Bremskolben an den Zangen leicht in ihren Sitz zurückgedrückt. Das kann bei schwimmend gelagerten Scheiben von Hand bewerkstelligt werden. Wenn nicht, werden die Beläge vorsichtig mit einem gerundeten Montierhebel zurückgedrückt. Danach lässt sich der Bremshebel über seinen kompletten Weg bis zum Griffgummi ziehen. Er darf dabei nicht mit anderen Bauteilen (Gaszügen, Armaturen) kollidieren.

Kleiner Tipp: Eine der Klemmschrauben am Handhebel ist meist mit einem Pfeil oder Körnerpunkt markiert. Diese wird zuerst so festgezogen, dass die Schelle plan aufliegt, jetzt wird mit der zweiten Schraube die Klemmung aktiviert.

Koch
Trockengelaufene Bolzen an der Bremspumpe laufen schwer und ruckartig. Deshalb regelmäßig schmieren.

Da der lange Bremshebel hohe Kräfte und Flächenpressungen am Drehpunkt erzeugt, muss der Bolzen wie auch die Kontaktfläche zum Bremskolben sauber und leicht eingefettet sein. Nur so lässt sich die Bremse gleichmäßig und fein dosieren.

ACHTUNG: Nach allen Änderungen an der Einstellung der Bremshebel vorn wie hinten oder dem Wechsel der Bremsleitungen muss zwingend das sogenannte Schnüffelspiel überprüft werden. Dieses garantiert, dass sich der Bremsdruck nach dem Lösen komplett abbaut und ein freier Durchgang zum Ausgleichsbehälter entsteht. Ist dies nicht der Fall, weil beispielsweise der Anschlag verbogen oder zu knapp eingestellt wurde, baut die sich erwärmende Bremsflüssigkeit so viel Druck auf, dass das Rad blockieren kann.

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Am Öffner-Gaszug wird das Spiel des Gasgriffs auf etwa ein bis maximal zwei Millimeter reduziert.

Zu viel Spiel hingegen sollte am Gasgriff vermieden werden. Maximal ein bis zwei Millimeter sollte sich der Drehgriff frei bewegen. Mehr Spiel kann den Lastwechselschlag verstärken, der beim Gasanlegen entsteht. Mit der Längenverstellung am Öffnerzug kann dieses Spiel eingestellt werden. Danach wird der Lenker bei laufendem Motor nach links und rechts eingeschlagen, um sicherzustellen, dass der Zug nicht überdehnt wird und dabei das Standgas anhebt.

Bei Motorrädern mit hoher Laufleistung sollte auch die Reibfläche am Lenker gereinigt und wenn nötig mit Läppleinen wieder geglättet werden.

Koch
Dieser speckig-rutschige Griffgummi sollte dringend gegen ein neues, griffiges Teil augetauscht werden.

Die Griffgummis am Lenker können für ein sicher-sattes Griffgefühl durch Austauschteile mit einer weichen Gummimischung ersetzt werden. Wie bei guten Reifen spielt das Profil, also die Oberflächenstruktur, weniger eine Rolle als die Gummimischung. Allerdings verschleißen weiche Griffgummis und müssen gelegentlich erneuert werden.

Das ist jedoch allemal besser als speckig-rutschige Griffe mit denen das Gefühl fürs Vorderrad verloren geht und man stärker zupacken muss. Was auf Dauer zur Ermüdung der Unterarmmuskulatur führen kann.

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Am linken Handschuh bilden sich regelrechte Lederwülste in der Handfläche, rechts dagegen bleibt alles glatt.

Auch am Gegenstück zu den Griffgummis, den Handschuhen, sollte alles passen. Oftmals aber bildet sich in der Handfläche ein störender Lederwulst. Mit eng anliegenden, stark vorgekrümmten Handschuhen wird dieses Problem nahezu ausgeschlossen. Auf dem Bild auch gut zu erkennen, dass die Nähte der Finger außen liegen.

Was auf den ersten Blick billig wirkt, hat klare Vorteile beim Tragekomfort, weil die langen Nähte an den Finger­gelenken nicht drücken oder reiben. Damit man nach leichten Stürzen oder Umfallern nicht gleich die Werkstatt aufsuchen muss, sollten an Handbrems- und Kupplungshebel, wenn nicht bereits serienmäßig vorhanden, nachträglich Sollbruchstellen angebracht werden. Zirka 30 Millimeter nach der Kugel kann dazu ein 6-Millimeter Sackloch angebracht werden. Bricht der Hebel an dieser Stelle anstatt am Gelenk ab, kann man ohne Einschränkungen die Reise fortsetzen.

Hebelposition Fußrasten/Schaltung/Bremse

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Nur wenn der Stiefel unverkrampft auf dem Bremshebel aufliegt, kann man blitzartig und dosiert verzögern.

Weil im Straßenverkehr auch die Hinterradbremse eine wichtige Rolle spielt, Stichwort Nässe oder Schotter, sollte die Höhe des Bremspedals so justiert werden, dass der Fuß nicht angehoben werden muss, um Bremsdruck aufzubauen. Nur wenn die Sohle entspannt auf dem Pedal liegt, kann dieses vom ersten Moment an sauber dosiert werden.

Bei einem zu hoch stehenden Pedal besteht zudem die Gefahr, dass man die Bremsscheibe durch permanenten, leichten Druck unabsichtlich heiß bremst. Auf der Gegenseite wird der Schalthebel ebenfalls in der Höhe so eingestellt, dass er beim Hoch- wie beim Herunterschalten ohne Verrenkungen zu bedienen ist.

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Abgewetzte, glatte Oberflächen der Fußrasten (rechts) können durch kleine Rillen nachgeschärft werden.

Aluminium-Fußrasten mit zackiger Kontur reiben sich oftmals glatt. Bei Nässe oder aktivem Hanging-off-Fahrstill ist es dann mit der Griffigkeit nicht mehr weit her. Entweder werden die Rasten ausgetauscht oder nachgeschärft. Dafür taugt ein breites Sägeblatt, eine Trennscheibe oder ein schmales Feilenblatt.

Nach dem Einbringen der Nuten die Kanten nicht mit einer Schüsselfeile brechen, sondern scharfkantig stehen lassen. Sicherheitshalber sollten die Nuten nur in Längsrichtung vertieft werden. Quer und direkt am Gelenk könnte daraus eine Sollbruchstelle werden.

Fahrerausstattung

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Helme können durch eine Moosgummiplatte „höhergelegt“ werden. ACHTUNG: keinen aggressiven Kleber verwenden.

Wer gebückt auf dem Motorrad sitzt, sollte unbedingt darauf achten, dass die Oberkante des Helms die freie Sicht nicht einschränkt. Die ist nötig, wenn die Blickführung beim Kurvenfahren weit voraus, eventuell sogar bei Passfahrten steil nach oben geht. Sitzt der Helm zu tief, ist der Fahrer gezwungen, den Nacken stark nach hinten zu überdehnen. Weil diese Haltung auf Dauer anstrengt, versucht man sie zu vermeiden.

Mit der Folge, dass die Blickführung im wahrsten Sinne des Wortes zu kurz kommt. Eine runde Moosgummiplatte schafft Abhilfe. ACHTUNG: zum Fixieren der Moosgummieinlage nur Klebstoff verwenden, der die Styropor-Innenschale nicht angreift.

Wenn‘s spannt und zwickt, wird‘s nix. Deshalb bei Lederbekleidung zu allen Jahreszeiten einen wenn möglich zweiteiligen Unteranzug benutzen. In ­T-Shirt und Unterhose klebt das Innenfutter auf der Haut, die Lederkombi spannt und lässt sich schlecht an- und ausziehen. Die Sportunterwäsche, gibt es je nach Jahreszeit mit Kühleffekt oder als wärmende Ausführung.

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Im Frühjahr gibt‘s ein leicht getöntes, neues Visier mit Pinlock und einen molligen Buff gegen kalte Zugluft.

In der Übergangszeit, wenn die ersten Sonnenstrahlen den Frühling verkünden, im Schatten aber noch frostige Temperaturen herrschen, sorgen die Antifog-Visiere für beschlagfreie Sicht und ein über Hals und Nacken gestülpter, flauschiger Buff für wohlige Wärme. Dieses universell einsetzbare Tuch deckt je nach Bedarf auch Kinn und Ohren ab.

Auch wichtig für die neue Saison: ein Satz frische Ohrenstöpsel, die immer in der Brusttasche oder unter der Sitzbank griffbereit sein sollten. Angepasste Ohrenstöpsel müssen im Winter gründlich gereinigt und desinfiziert werden.

Rennstrecken-Tipps

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For racing only: beste Ergonomie und Trittsicherheit mit Turbomax-Rasten (turbomax-footpegs.com) ...

Wem die Hinterradbremse auf der Rennstrecke zu giftig ist, kann diese durch eine Druckfeder zwischen Hebel und Bremspumpe entschärfen. Je nach Vorspannung wird damit ein Gegendruck aufgebaut, der die Bremswirkung reduziert. Bei der Montage zwingend darauf achten, dass sich die Feder nicht am Simmerring abstützt. Beste Lösung: eine Anlaufscheibe mit dem Außendurchmesser des Simmerrings oder ein passgenaues Alu-Drehteil mit sauberer Fixierung der Feder.

In unserem Fall wurde die Ventilfeder einer CBR 600 zweckentfremdet. Die Turbomax-Fußrasten, mit einer großen, ergonomisch gut geformten und griffigen Trittfläche geben ein völlig neues, sattes Gefühl beim Hanging-off. Eigentlich eine logische Sache, da die Kontaktfläche des Stiefels wesentlich größer ausfällt als bei einer konventionellen, runden Fußraste.

Die aktuelle Ausgabe
PS 6 / 2023

Erscheinungsdatum 10.05.2023