Tops und Flops der Redakteure
Rückblick: Gebrauchte Motorräder

Was tat sich auf dem Motorrad-Gebrauchtmarkt im Jahr 2016? Die Tops und Flops der MOTORRAD-Redakteure.

Rückblick: Gebrauchte Motorräder
Foto: markus-jahn.com, r-photography.info, jkuenstle.de, MOTORRAD-Archiv, Herzog, bilski-fotografie.de, fact.de

Einmal pro Jahr dürfen die Gebraucht-Onkels der MOTORRAD-Redaktion sehr persönlich werden. Dann sind keine tiefschürfenden Besichtigungstipps gefragt, dann geht es nicht um Modellpflegemaßnahmen oder Rückrufaktionen, und Händler-Interviews gibt es auch nicht. Dann geht es nur um das, was ansonsten ausschließlich im Kollegenkreis bekaspert wird, was (marken-)politisch nicht immer korrekt sein muss und was durchaus polarisieren kann und soll. Kurz gesagt: Es geht um die Geschmäcker der für zweirädriges Alteisen zuständigen Redakteure.

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Was fehlt noch in der Sammlung?

Nicht als Selbstzweck, sondern als Motivationshilfe, damit Sie, lieber Leser, in den kommenden Wochen der motorradmäßig weitgehend fahrpassiven Zeit genau das Gleiche machen. Sich nämlich schwer subjektiv mit dem wahrlich nicht nur aus finanzieller Sicht faszinierenden Thema Gebrauchtmotorräder beschäftigen. Machen Sie sich doch mal genau jetzt darüber Gedanken, welches Secondhand-Schätzchen Sie immer schon mal kaufen wollten. Dafür ist so ein Jahresbilanz-Ziehen ein prima Anlass. Was faszinierte Sie im abgelaufenen Jahr? Was fehlt noch in der Sammlung?

Trend der Vorjahre hat sich bestätigt

Um sich bei solchen Überlegungen nicht zu verzetteln, hilft es aber durchaus, die allgemeine Marktentwicklung im Auge zu behalten. Denn was sich neu nicht mehr verkauft, wird auch gebraucht nicht übermäßig gefragt sein – und ist damit ein klarer Fall für Schnäppchenjäger. Ganz konkret hat sich 2016 ein Trend der Vorjahre bestätigt und sogar noch verstärkt: Supersportler, besonders die der 600er-Klasse, sind im Verkauf mausetot. Und sehr viel besser sieht es bei den 1000ern auch nicht aus. Die demografische Entwicklung mag einer der Gründe dafür sein – Motorradfahrer der Ü-40-Liga haben oftmals halt immer weniger Lust, als Gebückte durch die Gegend zu toben. Was aber nicht ausschließt, dass sich jetzt mancher Senior für einen günstigen Racer als Dritt- oder Siebtmaschine interessiert und sich den mittlerweile bezahlbaren Jugendtraum nun endlich in die Garage stellt.

Retro-Bereich läuft wunderbar

Was im Unterschied zur Sportlerfraktion bei Neumaschinen immer noch gut läuft, ist der Retro-Bereich. Der ganz große Hype um BMW R nineT, Ducati Scrambler und Co. dürfte inzwischen aber auch schon am Abflauen sein. Was mittlerweile zwar noch nicht an jeder ersten, gefühlt aber an jeder dritten Ecke steht, weckt eben nicht mehr die Begehrlichkeiten wie zu Beginn. Zudem hat wohl schon so mancher R nineT-Fahrer gemerkt, dass das Teil zwar ein prima Hingucker ist, aber spätestens dann, wenn tatsächlich gefahren werden soll, eine BMW R 1200 R aus gleichem Haus alles, wirklich alles deutlich besser kann. Effekt für den Gebrauchtmarkt: Der zeitgeistige BMW-Bestseller ist mittlerweile zu angemessenen Preisen und in ausreichender Zahl als Gebrauchtmaschine zu bekommen, was noch vor wenigen Monaten undenkbar gewesen wäre.

Am Ende zählen die persönlichen Tops und Flops

So, und nun sollten Sie sich mal genauer anschauen, was den Gebraucht-­Onkels Biebricher, Dentges, Herder und Lohse, verstärkt durch die MOTORRAD Classic-Kollegen Eirich und Holzwarth, so alles einfällt, wenn sie über das Gebrauchtmotorrad-Jahr 2016 reflektieren. Und bitte: Unterm Strich sind das alles vernachlässigbare Einzelmeinungen. Was am Ende zählt, sind Ihre ganz persönlichen Tops und Flops!

Tops und Flops von Markus Biebricher

Markus Biebricher, Ressortleiter Reise, 53 Jahre und noch nicht wirklich weise. Oft auf der Suche nach neuen Idealen, rastlos im Spannungsfeld zwischen Vernunftkäufen und dem Traumbike für immer und ewig.

Ja, ich gebe es zu: Die Marke Honda hat es mir angetan. Legenden wie CB 750, Bol d’Or, VFR, RC 30, Gold Wing, Africa Twin oder Fireblade verursachen Begeisterungs-Gänsehaut. Der meist begründete Ruf großer Zuverlässigkeit und guter Verarbeitung ist für mich kein Zeichen von langweiliger Pflichterfüllung, sondern eher von leidenschaftlicher Liebe zum Motorrad. Das wissen übrigens auch Millionen von Asiaten oder Südamerikanern zu schätzen, denen kleine Hondas das Leben erleichtern. Ohne zu murren, auch wenn die Alltagsanforderungen unvorstellbar sind. Wie Kollege Dentges bin ich ein fernwehgetriebener langer Lulatsch. Einer, der daher zu Enduros tendiert und sich mit der neuen Africa Twin den ultimativen Traum erfüllt hat. Doch das kann nicht alles gewesen sein. Seit ich 2003 die Honda CB 1300 auf einer längeren Tour erleben durfte, habe ich die Vorteile dicker Vierzylinder bei aller Begeisterung für Zweizylinder nie vergessen. Dieses unfassbar kultivierte Anschieben aus Standgasdrehzahl.

Mit Glück für 3.000 Euro aus Baujahr 2003

Diese an die selige Bol d’Or erinnernde CB 1300 in Rot-Weiß, egal ob Naked oder mit sexy Halbschale. Ganz klar meine Traumgebrauchte 2016! Taugte ja sogar mal zum handlichen Alpenkönig bei MOTORRAD, oder? Der Motor auch optisch eine Kathedrale des Drehmoments. Ernsthaftigkeit in jedem Detail. Geht mit Glück für 3.000 Euro aus Baujahr 2003, die Vorgänger-Modelle noch günstiger. Wird mit Sicherheit bald teurer! Gute, wenig gefahrene 2012er kosten jetzt schon, immer noch oder schon wieder satte 9000. Stichwort gut: Wer schmalere Finanz-Prioritäten setzen will und ein richtig geniales Allzweckmoped sucht, das auch mal Alpenkönig war, sollte bitte bei Suzuki schauen. Die V-Strom 650 hat einen Spaß bringenden, kräftigen V2 und fährt so viel besser, als es die Summe ihrer Teile erahnen lässt. Passt für lange Lulatsche und kann alles außer fiesem Gelände. Ein heißer Tipp für Fahrer, die viel Moped für wenig Geld anstreben und im Leben auch bei den Damen eher die inneren Werte schätzen.

Tolle Fahreigenschaften und misslungene Optik

Warum sie für mich dennoch die unattraktivste Gebrauchte 2016 ist? Weil das Fahrerauge irgendwo immer mitfährt. Einzelschicksal? Aber seht doch mal: diese feisten Gussräder, dieser fiese Auspuff, vor allem in der ersten Generation! Es gibt kaum ein anderes Motorrad, bei dem tolle Fahreigenschaften und misslungene Optik derart kontrastieren! Und dann der ­Name: Was soll denn da strömen? Endorphine gewiss nicht! Oder doch? Allemal jedenfalls der Fahrtwind, wenn du mit der V-Strom stärkere Bikes versägst. Mit Glück ab 2.200 Euro für eine passable ABS-lose von 2004.

Top: Honda CB 1300

factstudio.de
Top: Honda CB 1300 (ab 3.000 Euro).

Technische Daten Honda CB 1300

Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, 1.284 cm³, 85 kW (116 PS) bei 7.000/min, Leergewicht 252 kg, Tank­inhalt 21 Liter, Sitzhöhe 790 mm, Höchstgeschwindigkeit 230 km/h, Beschleunigung 0–100 km/h in 3,3 sek, Verbrauch (Landstraße) 5,6 l/100 km

Flop: Suzuki V-Strom 650

r-photography.info
Flop: Suzuki V-Strom 650 (ab 2.200 Euro).

Technische Daten Suzuki V-Strom 650

Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-V-Motor, 645 cm³, 51 kW (69 PS) bei 8.800/min, Leergewicht 214 kg, Tank­inhalt 20 Liter, Sitzhöhe 850 mm, Höchstgeschwindigkeit 186 km/h, Beschleunigung 0–100 km/h in 4,2 sek, Verbrauch (Landstraße) 3,8 l/100 km

Tops und Flops von Thorsten Dentges

Thorsten Dentges, Ratgeber-Redakteur, 45 Jahre alt und 1,87 Meter groß. Er und seine langen Beine machen schon seit Ende der 1980er beste Erfahrungen mit Funbikes für Vernunftorientierte.

Gelegentlich fragen mich langbeinige Motorrad-(Wieder-)Einsteiger, womit sie am günstigsten durchstarten sollten. Denn für große Fahrer über 1,85 Meter sind ältere Mittelklasse-Straßenmaschinen, die billig an jeder Ecke angeboten werden, meist keine Option. Zu sehr muss man sich zusammenfalten. Das Problem kenne ich, ich sag nur: Schrittlänge 92 Zentimeter. Für den Lulatsch unter den Motorradlern hatte ich bisher immer einen heißen Low-Budget-Pauschaltipp parat: Honda Dominator. Die von 1988 bis 2000 gebaute Soft-Enduro taugt nämlich als Funbike für City und Landstraße, zudem sogar für längere Solo-Touren.

Alles top, auch der Preis

Der Einzylinder ist kernig und solide, die schmale Silhouette und ein überschaubares Gewicht von fahrfertig unter 180 Kilo nehmen Anfängern alle Ängste. Alles top, auch der Preis. Nun aber leider im wörtlichen Sinne, denn die Preise sind seit einiger Zeit in kaum nachvollziehbare Höhen gestiegen. Bekam man noch vor drei, vier Jahren eine ordentlich gepflegte Dominator mit ein paar Gebrauchs­spuren (na und?) und gut 40.000 Kilometern (steckt sie locker weg) problemlos um 1.000 Euro, gibt es dafür nunmehr nur noch Kernschrott. Für gute Ware verlangen Verkäufer häufig das Doppelte. Und mehr. Hallo, geht’s noch? Das war (und ist) ein Gebrauchsmotorrad! Mittlerweile sogar eher ein ziemlich abgehalftertes.

Tiefpreise gelten nur für Baujahre 2007 bis 2009

Also: Wenn man schon 2.000 Euro in die Hand nimmt, dann bitte schön auch mal nach links und rechts schauen. Zu erstaunlichen Niedrig-Kursen finden sich nämlich seit Kurzem auch prima Kawasaki Versys. Der Zweizylinder-Motor ist a) zuverlässig und b) insgesamt sehr lässig, weil 64 PS mit ordentlich Druck im unteren und mittleren Drehzahlbereich freigegeben werden. Da kann Domina(tor) einpacken. Reisen kann die Kawa auch besser, sie besitzt ABS (Achtung bei Importmaschinen, dort oft nicht!), und beim Verbrauch gibt sie sich mit gut vier Litern bescheiden. An „Fun“ wird bei diesem Bike hingegen nicht gespart. Easy Handling, aufrechte Sitzposition, lange Haxen lassen sich bequem unterbringen. Gründe für günstige Versys-Preise: ­zunächst das Aussehen – definitiv nicht jedermanns und schon mal gar nicht jederfraus Sache. Den Pandabär-Look muss man mögen. Die Tiefpreise gelten übrigens nur für die Baujahre 2007 bis 2009. Seinerzeit wurden fabrikneue Versys oftmals unter 6.000 Euro rausgehauen, nachvollziehbar, dass die Schnapper von damals heutzutage aus zweiter und dritter Hand gut und günstig weitergereicht werden.

Top: Kawasaki Versys 650

jkuenstle.de
Top: Kawasaki Versys 650 (2.200 Euro).

Technische Daten Kawasaki Versys 650

Wassergekühlter Zweizylinder-Viertaktmotor, 649 cm³, 47 kW (64 PS) bei 8.000/min, Gewicht 210 kg, Tank­inhalt 19 Liter, Sitzhöhe 850 mm, Höchstgeschwindigkeit 185 km/h, Beschleunigung 0–100 km/h in 4,1 sek, Verbrauch (Landstraße) 4,1 l/100 km

Flop: Honda Dominator

Archiv
Flop: Honda Dominator (ab 1.300 Euro).

Technische Daten Honda Dominator

Luftgekühlter Einzylinder-Viertaktmotor, 644 cm³, 32 kW (44 PS) bei 6.000/min, Gewicht 183 kg, Tank­inhalt 16 Liter, Sitzhöhe 880 mm, Höchstgeschwindigkeit 160 km/h, Beschleunigung 0–100 km/h in 5,3 sek, Verbrauch (Landstraße) 5,0 l/100 km

 

Top und Flops von Gerhard Eirich

Gerhard Eirich, 52 Jahre alter MOTORRAD Classic-Redakteur, schätzt die Vorzüge konsequenter, ehrlicher Bikes gegenüber den blutleeren Kompromissen. ­Privat neigt er zum Dreizylinder, zwei- oder viertaktend.

Nein, ich habe noch nie mit dem Motorrad eine Wüste durchquert. Das muss man aber auch nicht, um von der Honda Africa Twin fasziniert zu sein und sie de facto einfach gut zu finden. Von Beginn an war ich ein Fan des Rallye-Ablegers in der wunderschönen HRC-Lackierung, auch wenn sie als 650er keine Bäume ausreißen konnte. Ihr V2 war kultiviert, anspruchslos und langlebig, Komfort und Langstreckentauglichkeit (Reichweite!) gelten als sprichwörtlich. Besessen habe ich dennoch nie eine, bin nur in den 1990ern ab und zu die eines Kumpels gefahren. Doch die neue 1000er-„Affen-Twin“, die ich kürzlich bewegt habe, wird ganz bewusst wohl nie in meinen Besitz geraten. Ein gutes Motorrad, keine Frage, mit Leistung, Einspritzung und ABS und modernen Errungenschaften. Alles gut und richtig. Und doch hatte ich fast 30 Jahre nach der Ersten mehr erwartet. Sie hat mich nicht begeistert, der Funke sprang nicht über.

Schnäppchen? Fehlanzeige!

Beim Anblick der alten 650er hingegen schlägt mein Puls heute noch höher. Und der durch die Neue wieder ins Blickfeld der Biker gerückte Name Africa Twin wird auch der Alten wieder Fans in den Sattel spülen. Die Ur-Africa-Twin von 1988, inzwischen ja fast ein echter Oldtimer, gilt längst als gesuchtes Kultbike mit inzwischen deutlicher Wertsteigerung. Wer jetzt noch keine hat, wird wohl kaum noch ein Schnäppchen finden, richtig gute Exemplare der Honda Africa Twin kos­ten längst ab 3.000 Euro aufwärts. Und nein – früher war nicht alles besser. Aber so manches hatte mehr Charme, die Faszination des Bahnbrechenden, hier sogar den Hauch des Abenteuers. Apropos Faszination: Es gibt Konzepte, auf die hat die Welt einfach nicht gewartet.

Weder Naked Bike noch Tourer

„Crossover“-Modelle, Wollmilchsäue, die weder Eier legen noch Wolf im Schafspelz sind. Mit der Yamaha BT 1100 Bulldog versuchte Yamaha ab Ende 1991 den Spagat zwischen Roadster und Cruiser, oder so, aber zwei halbherzig verfolgte Konzepte ergeben am Ende nicht automatisch ein Gutes. Und, Pardon Yamaha, die Bulldog war und ist einfach hässlich. Finde übrigens beileibe nicht nur ich. Selten ist es weniger gelungen, verschiedene Anforderungen unter einen Hut zu bringen. Sie ist weder stampfendes Naked Bike noch komfortabler Tourer oder gar handlicher Landstraßenflitzer – zu schwer, zu schwach zu schwammig. Daher hat sich der Mix aus Ex-Chopper-Motor und Street-Cruiser-Fahrwerk auch nie wirklich gut verkauft und ist auch gebraucht heute meist ein Ladenhüter. Pech für jene, die eine loswerden wollen, gut für diejenigen, die tatsächlich eine suchen. Der Preis wird von der mäßigen Nachfrage diktiert, eine Günstige zu finden, dürfte nicht allzu schwerfallen.

Top: Honda XRV 650 Africa Twin

Frank Herzog
Top: Honda XRV 650 Africa Twin (ab 2.500 Euro).

Technische Daten Honda XRV 650 Africa Twin

Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-V-Motor, 647 cm³, 37 kW (50 PS) bei 7.000/min, Gewicht 220 kg, Tank­inhalt 25 Liter, Sitzhöhe 880 mm, Höchstgeschwindigkeit 168 km/h, Beschleunigung 0–100 km/h in 5,4 sek, Verbrauch (Landstraße) 5,6 l/100 km

Flop: Yamaha BT 1100 Bulldog

r-photography.info
Flop: Yamaha BT 1100 Bulldog (ab 2.200 Euro).

Technische Daten Yamaha BT 1100 Bulldog

Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-75-Grad-V-Motor, 1063 cm³, 48 kW (65 PS) bei 5.500/min, Gewicht 251 kg, Tank­inhalt 20 Liter, Sitzhöhe 800 mm, Höchstgeschwindigkeit 180 km/h, Beschleunigung 0–100 km/h in 5,0 sek, Verbrauch (Landstraße) 5,6 l/100 km

Tops und Flops von Klaus Herder

Klaus Herder, 54 Jahre alter Ratgeber-Redakteur, fährt privat meist das, „was weg muss“. Sowohl ein paar Harley V-Rods als auch diverse Zweiventil-Boxer gehörten bereits zu seiner „Kollektion des Grauens“.

Man muss das nicht verstehen: Ausgerechnet das Gerät mit dem – mit Abstand – modernsten Harley-Motor (Wasserkühlung, Vierventiler, obenliegende Nockenwellen) schmeißen die Amis mit der Jetzt-kommt-Euro-4-Begründung aus dem Programm. V-Rod Muscle und Night Rod Special sind zwar noch in der 2017er-Preisliste zu finden, werden aber nur noch als Restbestände abverkauft. Das puristische V-Rod-Original ist bereits seit 2013 Geschichte. Vielleicht ist das ganze Euro-Gedöns aber nur ein willkommener Vorwand dafür, die im wichtigsten Harley-Markt, dem heimischen natürlich, nie sonderlich erfolgreiche VRSC-Baureihe endgültig in die ewigen Jagdgründe zu befördern. Doch wie das oft und bei Harley fast immer der Fall ist: Wenn es etwas nicht mehr gibt, ist es plötzlich ganz besonders begehrt. Das macht für mich die Harley-Davidson V-Rod, ganz konkret die VRSCA, zu meinem Gebrauchtkauf-Topmodell 2016.

Billiger wird’s nimmer

Was mich darin bestärkt, ist der Blick in die von mir bereits in MOTORRAD 1/2012 verbrochene Gebrauchtkauf-Beratung und der Vergleich der damals genannten mit den heute angesagten Preisen; denn dabei fällt auf, dass das Schätzchen zwischenzeitlich zwar noch älter, aber als Gebrauchte keinesfalls günstiger geworden ist. Ganz im Gegenteil. Ich bin mir ziemlich sicher: Billiger wird’s nimmer, und dabei dürfte 2016 den Wendepunkt darstellen. Fernab von allen rein monetären Überlegungen gibt’s aber auch gute technisch-emotionale Gründe, um ausgerechnet jetzt zur (gebrauchten) V-Rod zu greifen. Die Kombination aus moderner Technik und überzeugenden Fahrleistungen mit durchaus kernigem Charakter und brachialem Auftritt gibt es bei ihr nämlich noch frei von allem Fahrerassistenz-Zeug und Fahrmodi-Tinnef. Okay, seit 2009 ist ABS serienmäßig, aber das lässt sich verschmerzen. Wundern Sie sich also bitte nicht, wenn ich in absehbarer Zeit bei Ihnen anrufe und nach der gebrauchten und unverschämt günstigen Harley-Davidson V-Rod frage.

BMW R 80 muss vorerst nicht mehr sein

Um eine gebrauchte BMW R 80 (oder R 65 oder R 100/7 etc. pp.) werde ich mich für längere Zeit dagegen garantiert nicht mehr bemühen. Ich kann den Zossen einfach nicht mehr sehen, und daran ist die arme Gummikuh nur bedingt schuld. Mich nervt vielmehr das (neue) Zweiventiler-Umfeld, in dem mit starker Gesichtbehaarung, Kassengestellen, Männer-Dutt und Holzfällerhemden antretende „Trendsetter“ es für total angesagt und megaindividuell halten, einen gut abgehangenen Straßen-Boxer auf TKC-80-Stollenreifen zu stellen, mit einem breiten Lenker sowie einem Einzelsitz zu bestücken und das Ganze als wahnsinnig innovativ zu verkaufen. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Es ist mir schnurzpiepegal, was in Hinterhöfen und Garagen privat zusammengestückelt wird, doch wenn der 35. BMW-Zweiventil-Bopper-auf-Stollenreifen-Klon auf Messen oder Treffen als Ausbund kreativen Schaffens hochgejazzt wird, darf ich mich auch öffentlich darüber echauffieren. Der Hype um die auch schon zu ihrer aktiven Zeit nicht gerade als Überflieger antretenden Boxer ist mir völlig unverständlich. Und warum ich die Verschlimmbesserung eines bereits im Serienzustand nicht ­gerade als Offenbarung geltenden Fahrwerks ganz toll finden soll, erschließt sich mir auch nicht. Aber bevor die Ernst-Klacks-Leverkus-Jünger jetzt zum Mittel der Abo-Kündigung greifen: Euch meine ich doch gar nicht!

Top: Harley-Davidson V-Rod

jkuenstle.de
Top: Harley-Davidson V-Rod (ab 8.900 Euro).

Technische Daten Harley-Davidson V-Rod

Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-V-Motor, 1.131 cm³, 86 kW (117 PS) bei 8.300/min, Gewicht 285 kg, Tank­inhalt 15 Liter, Sitzhöhe 690 mm, Höchstgeschwindigkeit 221 km/h, Beschleunigung 0–100 km/h in 3,6 sek, Verbrauch (Landstraße) 5,8 l/100 km

Flop: BMW R 80

Archiv
Flop: BMW R 80 (ab 3.500 Euro).

Technische Daten BMW R 80

Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor, 798 cm³, 37 kW (50 PS) bei 6.500/min, Gewicht 215 kg, Tank­inhalt 22 Liter, Sitzhöhe 810 mm, Höchstgeschwindigkeit 181 km/h, Beschleunigung 0–100 km/h in 5,4 sek, Verbrauch (Landstraße) 5,9 l/100 km

 

Top und Flops von Uli Holzwarth

Mit ihrem tollen V2 bietet die Suzuki SV 1000 N viel Unterhaltungswert für wenig Geld. Vor allem, wenn einem das Wetter bei der Suche in die Karten spielt, wie es bei MOTORRAD-Classic-Mann Uli Holzwarth (52) der Fall war.

Frühjahr 2016, seit Wochen kübelt es wie aus Kannen, auch an diesem Sonntagvormittag. Statt auf dem Motorrad sitze ich wieder einmal frustriert vorm Rechner. Einem Zeitgenossen ganz in der Nähe scheint es ähnlich zu gehen. Das hastig per Smartphone im strömenden Regen geschossene Foto zeigt eine Suzuki SV 1000 N, die er in einem Internet-Verkaufsportal mit zwei dürren Zeilen inseriert – wegen Hobby-Aufgabe. Allzu intensiv hatte sich der Erstbesitzer mit seiner 1000er nicht beschäftigt, in 13 Jahren schaffte er gerade mal 4400 Kilometer. Jetzt soll die große V2-Maschine weg: „Ich bin nicht wirklich ein passionierter Motorradfahrer, außerdem regnet es ja nur noch.“ Frust schwingt mit, der sich auch im äußerst verlockenden Preis ausdrückt. Den hat der Verkäufer offensichtlich aus dem Bauch heraus festgelegt, ohne sich näher zu informieren. So stehe ich keine Stunde später vor der silbernen SV 1000.

Ein Feuerwerk der Emotionen

Die hat zwar noch die Erstbereifung drauf und leckt ein wenig aus dem linken Gabel-Simmerring, ist ansonsten aber makellos – gekauft! Beim Handschlag schafft es die Sonne sogar, ein paar Löcher in die graue Wolkendecke zu brennen. Und auf der Überführungsfahrt – endlich im Trockenen! – lässt es auch der 120 PS starke Suzuki-V2 brennen. Bollert bassig, drückt untenrum und dreht oben raus, dass es eine wahre Pracht ist. Ein Feuerwerk der Emotionen, zu dem auch das agile und stabile Fahrverhalten sowie die aufrechte Sitzposition passen, welche das V2-Spektakel zum entspannten Genuss machen. Zu Hause schiebe ich die SV 1000 N mit der Gewissheit in die Garage, einen Volltreffer gelandet zu haben. Ein Frust-Kauf, der sich als Lust-Kauf entpuppt, und das für kleines Geld! Dass es auch anders gehen kann, erleben derzeit Kaufinteressenten ­einer Suzuki DR-Z 400 SM. Was allerdings nicht an der kleinen und spaßigen Supermoto selbst liegt. Sondern an den bisweilen völlig überzogenen Preisvorstellungen vieler Verkäufer, die selbst für stark „individualisierte“ Dritthand-Maschinen mit über 10.000 Kilometern auf der Uhr Preise aufrufen, die überm einstigen Neupreis liegen. Und dabei völlig ausblenden, dass es um 5.000 Euro interessante Alternativen mit vergleichbaren Eckdaten gibt, die (fast) alles noch besser können als die 400er-Suzuki. Wie zum Beispiel die bärenstarken 690er-Singles von KTM.

Top: Suzuki SV 1000 N

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Top: Suzuki SV 1000 N (ab 2.500 Euro).

Technische Daten Suzuki SV 1000 N

Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-V-Motor, 996 cm³, 88 kW (120 PS) bei 8.500/min, Gewicht 217 kg, Tank­inhalt 17 Liter, Sitzhöhe 840 mm, Höchstgeschwindigkeit 235 km/h, Beschleunigung 0–100 km/h in 3,2 sek, Verbrauch (Landstraße) 5,7 l/100 km

Flop: Suzuki DR-Z 400 SM

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Flop: Suzuki DR-Z 400 SM (ab 3.500 Euro).

Technische Daten Suzuki DR-Z 400 SM

Wassergekühlter Einzylinder-Viertaktmotor, 398 cm³, 29 kW (39 PS) bei 7.600/min, ­Gewicht 146 kg, Tank­inhalt 10 Liter, ­Sitzhöhe 880 mm, Höchstgeschwindigkeit 140 km/h, Beschleunigung 0–100 km/h in 6,1 sek, Verbrauch (Landstraße) 4,3 l/100 km

 

Tops und Flops von Jörg Lohse

Ratgeber-Chef Jörg Lohse (47) schwört eigentlich auf herrlich verrückte Bauchentscheidungen. Doch seine Bilanz nach diesem turbulenten Jahr lautet: in Zukunft mehr Vernunft, bitte!

Viel Motorrad für wenig Geld … im Prinzip die Traumkonstellation! Und im Falle der Yamaha FZ1 eine, die sich tatsächlich schnell verwirklichen lässt. Vor allem hat die 2016 erschienene „Nachfolgerin“ MT-10 die Qualitäten der FZ1 noch mal ins rechte Licht gerückt. Dass die neue MT nun 10 PS mehr hat und der Reihenvierer aus der Crossplane-R1 dank asymmetrischer Zündfolge wie ein echter V4 knurrt – nun ja. Im Alltag gehört die konventionellere FZ1 deshalb noch lange nicht zum abgehalfterten Eisen. Zumal es sie in zwei Varianten gibt: als schön gezeichnete Naked (das tritt nun durch das schrille Insektengesicht der MT-10 noch deutlicher zutage) und als praktische Fazer mit langstreckentauglicher Halbschale und komfortabel abgestimmtem Fahrwerk. 150 PS reichen allemal fürs fröhliche Halali auf der Hausstrecke, und die Mitte/Oben-Abstimmung schreit ohnehin nach Feuer und Flamme. Cracks haben die Yamaha längst nach ihren Wünschen modifiziert: ein 16er-Ritzel (ca. 20 Euro, von Enuma) gegen den etwas laschen Durchzug oder einen Lenkungsdämpfer (z. B. WP Suspension, ca. 250 Euro) für mehr Stabilität. Dass die FZ1 immer die graue Maus unter den Power Nakeds war, beschert ihr richtig günstige Preise, wobei sie zum Ende als Neue regelrecht verramscht wurde. Und so kommt es, dass ein famoses, qualitativ hochwertiges Big Bike mit ABS bereits unter vier Mille zu bekommen ist.

Wenig Motorrad für viel Geld?

Kommen wir damit zur Ducati 1199 Panigale und sehen, wie mit wenig Motorrad viel Geld vernichtet wird. Wobei „wenig“ erklärungsbedürftig ist. Natürlich bietet der mächtige V2 viel – 192 PS und 112 Millimeter Bohrung sind im Superbike-Business eine Ansage. Doch der Erkenntnisgewinn, mit dem einen die Diva di Bologna nach vielen, vielen Alltagskilometern zurücklässt, ist sehr mickrig. Eigentlich unfahrbar, weil unbequem, unnachgiebig – und ungeheuerlich laut. Auch die MOTORRAD-Dauertestplatzierung (Rang 41, Drittletzter!) wird rational kalkulierenden Gebrauchtkäufern zu denken geben. 2012 hat die 1199 Panigale knapp 20.000 Euro gekostet. Innerhalb von vier Jahren hat sich dieser Wert nahezu halbiert. Und ob sie jemals den Kultstatus à la 916 erreicht? Fraglich …

Top: Yamaha FZ1

markus-jahn.com
Top: Yamaha FZ1 (ab 3.600 Euro).

Technische Daten Yamaha FZ1

Wassergekühlter Vierzylinder-Viertaktmotor, 998 cm³, 110,3 kW (150 PS) bei 11.000/min, Gewicht 215 kg, Tank­inhalt 18 Liter, Sitzhöhe 800 mm, Höchstgeschwindigkeit 252 km/h, Beschleunigung 0–100 km/h in 3,6 sek, Verbrauch (Landstraße) 6,0 l/100 km

Flop: Ducati 1199 Panigale

jkuenstle.de
Flop: Ducati 1199 Panigale (ab 10.500 Euro).

Technische Daten Ducati 1199 Panigale

Wassergekühlter Zweizylinder-Viertaktmotor, 1.198 cm³, 143 kW (195 PS) bei 10.750/min, Gewicht 195 kg, Tank­inhalt 17 Liter, Sitzhöhe 820 mm, Höchstgeschwindigkeit 296 km/h, Beschleunigung 0–100 km/h in 3,2 sek, Verbrauch (Landstraße) 6,1 l/100 km

 

Heute neu, morgen gebraucht – die Bestseller 2026?

Was heute als Neumaschine begehrt ist, kann zukünftig auch als Gebrauchte sehr gefragt sein. Es gilt: frühzeitig informieren! Bitte schön, hier kommt die Neuzulassungs-Hitparade 2016 (Stand Ende Oktober):

  1. BMW R 1200 GS (6.615 Stück)
  2. Yamaha MT-07 (3.223)
  3. Kawasaki ER-6n/f (2.510)
  4. BMW R nineT (2.407)
  5. Honda Africa Twin (2.249)
  6. BMW S 1000 XR (1.841)
  7. Kawasaki Z 800 (1.822)
  8. BMW R 1200 RS (1.632)
  9. BMW R 1200 R (1.556)
  10. KTM 690 SMC (1.555)
  11. Ducati Scrambler (1.539)
  12. Honda NC 750 X (1.456)
  13. Yamaha Tracer 900 (1.436)
  14. BMW F 700 GS (1.414)
  15. KTM 390 Duke (1.412)
  16. BMW S 1000 R (1.391)
  17. KTM 1290 Super Duke R (1.376)
  18. Suzuki GSX-S 1000 (1.255)
  19. Honda NC 750 S (1.246)
  20. Harley-Davidson Softail Slim (1.239)
  21. Honda CB 500 F (1.173)
  22. Yamaha MT-09 (1.164)
  23. BMW F 800 GS (1.152)
  24. BMW F 800 R (1.137)
  25. Suzuki SV 650 (1.058)
  26. BMW S 1000 RR (1.000)
  27. Harley-Davidson Forty-Eight (987)
  28. Suzuki GSR 750 (980)
  29. Ducati Multistrada 1200 (959)
  30. Kawasaki Vulcan S (942)
  31. Honda CB 650 F (881)
  32. Triumph Bonneville T100 (850)
  33. Harley-Davidson Fat Boy Special (812)
  34. Yamaha YZF-R3 (812)
  35. KTM 1050 Adventure (806)
  36. Harley-Davidson Breakout (790)
  37. Kawasaki Z 1000 (768)
  38. Suzuki V-Strom 650 (758)
  39. KTM 690 Duke (750)
  40. Yamaha XV 950 (726)

Abschließendes Fazt der Gebraucht-Onkels

Kölner haben es immer schon gewusst: Jede Jeck es anders. Das gilt auch und besonders beim Gebrauchtkauf. Nehmen Sie unsere Tops und Flops nicht allzu ernst, sonders als das, was sie sein sollen: Appetitanreger. Lust auf einen Flop? Warum nicht?!

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023