Über 20.000-mal neu verkauft, doch schon seit einiger Zeit steht die Yamaha YZF-R6 als Neue beim Händler wie Blei. Aus zweiter Hand geht die 600er hingegen wie geschnitten Brot. Zu Recht.
Über 20.000-mal neu verkauft, doch schon seit einiger Zeit steht die Yamaha YZF-R6 als Neue beim Händler wie Blei. Aus zweiter Hand geht die 600er hingegen wie geschnitten Brot. Zu Recht.
Ein Trauerspiel: Einige Händler, wohl mit dem Rücken an der Wand, bieten nagelneue R6 zu Preisen unter zehn Kiloeuro an (Listenpreis: über 12500 Euro) – und bleiben dennoch darauf sitzen. Bedenkt man aber, dass im Vorjahr deutschlandweit nur gut 250 Stück der 600er verkauft wurden, leuchtet die Not ein, dieses Motorrad über den Preis loszuschlagen, zumal im Jahr 2006 die seinerzeit frisch renovierte, 127 PS starke und mit gerade mal 190 Kilo ultraleichte Supersportmaschine noch monatlich in solchen Stückzahlen wegging. Und in den ersten beiden Verkaufsjahren 1999 und 2000 galt die R6 mit fast 3000 verkauften Neumaschinen als Bestseller.
Warum also dümpelt der Star von einst so vor sich hin? Mögliche Antworten: 600er sind out, 600er sind zu teuer, 600er können gegen die starken 1000er nicht mehr anstinken. In all diesen Erklärungen steckt ein Fünkchen Wahrheit, aber der Gebrauchtmarkt zeigt am Beispiel der YZF-R6 eindrucksvoll, dass die Dinge anders liegen.
Denn aus zweiter Hand sind 600er keineswegs out, gerade jüngeres Publikum fährt darauf ab (auch in gedrosselter Version; 48-PS-Kits sind übrigens bei Alpha Technik, Telefon 08036/300720, www.alphatechnik.de, für um 100 Euro erhältlich). Gebrauchte R6 werden zwar nicht billig angeboten, aber schon bei einem Einsatz um 5000 Euro bekommt man (zumindest ab Baujahr 2003) ein wunderbar radikales Spielgerät an die Hand, das sowohl sportbegeisterte Einsteiger wie auch alte Rennfüchse begeistert. Die kommen mit der spritzigen Unbekümmertheit so einer Maschine übrigens viel besser zurecht als mit der Brachialgewalt einer 1000er und sind dadurch oft schneller unterwegs. Auch die nun richtig günstigen Vergasermodelle (1999 bis 2002) machen noch mächtig Laune. Kein Trauerspiel also bei der R6 – zumindest nicht aus zweiter Hand.
„Wenn noch die dicken Blinker und der Serien-Kennzeichenhalter dran sind, super!“, berichtet ein professioneller Ankäufer. Weil dann wohl auch der Rest der Maschine original sei. Die R6 wird in der Regel umgebaut: Hebel, Windschild, Auspuff etc. Alles kein Problem, sofern die Teile von renommierten Herstellern wie Rizoma, Akrapovic oder Leovince stammen und über eine Zulassung verfügen. Da die R6 aber auch gerne über den Rundkurs gescheucht wird, sind fragwürdige und nicht straßenkonforme Race-Teile keine Seltenheit – also Vorsicht und zweimal hinschauen.
Motor
Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, vier Ventile pro Zylinder, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, geregelter Katalysator, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette.
Bohrung x Hub: 67 x 42,5 mm
Hubraum: 599 cm³
Nennleistung: 93,4 kW (127 PS) bei 14 500/min
Max. Drehmoment: 66 Nm bei 12 000/min
Fahrwerk
Brückenrahmen aus Aluminium, Upside-down-Gabel, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis und Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Scheibenbremse hinten.
Alu-Gussräder: 3.50 x 17; 5.50 x 17
Reifen: 120/70 ZR 17, 180/55 ZR 17
Maße und Gewicht
Radstand 1380 mm, Lenkkopfwinkel 66 Grad, Nachlauf 97 mm, Federweg v/h 120/ 120 mm, Sitzhöhe* 820 mm, Gewicht vollgetankt* 190 kg, Tankinhalt** 16,5 Liter.
Messungen(aus der MOTORRAD 6/2006)
Höchstgeschwindigkeit**: 270 km/h
Beschleunigung: 0–100 km/h 3,3 sek
Durchzug: 60–100 km/h 4,4 sek
Verbrauch: 5,5 l/100 km (Landstraße), 6,2 l/100 km (bei 130 km/h)
*MOTORRAD-Messungen; **Herstellerangaben
Das Kapitel „Vergaser-R6“ haben die meisten Händler schon abgehakt. Es sei da zu viel Schrott unterwegs, heißt es aus Kennerkreisen. Unter anderem importierte Gebrauchtware aus Italien, die zwar mit günstigen Preisen um 2000 Euro ködert, aber häufig wenig vertrauenswürdig ist.
Preisniveau in Euro | Baujahre | km-Stand | |
Niedrig | 1800-4400 | 1999-2004 | 15000-50000 |
Mittel | 4500-6900 | 2003-2009 | 5000-30000 |
Hoch | 7000-8500 | 2008-2012 | 1000-15000 |
Typ | im Programm | Verkäufe | |
RJ03 | 1999-2002 | 9537 | |
RJ05/RJ091/RJ095 | 2003-2005 | 5426 | |
RJ111/RJ151/RJ155 | 2006 bis heute | 7156 |
1999
Markteinführung der YZF-R6, Typ RJ03. Leistung: 120 PS, Gewicht: 196 kg. Im März Rückrufaktion für bestimmte Fahrzeugnummern wegen einer möglichen mangelhaften Ölversorgung des Getriebes. Preis: 16 790 Mark (8585 Euro).
2000
Kolben überarbeitet, neue Feder am Schaltmechanismus. Preis: 17 490 Mark (8942 Euro).
2001
Kolben, Pleuel und Schaltwelle modifiziert. Lenkschaft und Lenkerhälften geändert, neue Rückspiegel, neues Cockpit. Preis: 18 595 Mark (9507 Euro).
2003
Neuer Typ RJ05 mit Einspritzung, Motor komplett überarbeitet: neue Ventilfedern, Einlassnockenwelle, Kurbelwelle, Kolben, Kolbenringe und Pleuel, Steuerkettenspanner neu, außerdem Kurbelgehäuse modifiziert, neue Zylinderbeschichtung. Größerer Luftfilterkasten, neuer Auspuff mit Edelstahlkrümmern. Neuer Alurahmen (Deltabox-III) mit in Druckgussverfahren hergestelltem Rahmenheck und Schwinge. Neue Gabel, leichtere Felgen, geänderte Bremsanlage. Neuer Scheinwerfer, Cockpit neu, Schaltblitz, Wegfahrsperre. Leistung: 117 PS, Gewicht: 189 kg. Preis: 9995 Euro.
2004
Typ RJ091. Auspuff und Zündbox geändert für besseren Drehmomentverlauf. Preis unverändert.
2005
Typ RJ095. Neues Drosselgehäuse mit 40 statt 38 mm Durchlass, modifizierter Kühler. Radialbremspumpe vorn, radial verschraubte Bremssättel, größere Bremsscheiben (310 statt 298 mm). Neu: Upside-down-Gabel, modifiziert: Umlenkung und Federbein sowie Verkleidungsteile. Vorderreifendimension 120/70 ZR 17 statt 120/60 ZR 17. Längerer Seitenständer, Scheinwerfer vorn mit neuen Standlichtern. Leistung: 120 PS, Gewicht: 188 kg. Sondermodell R46 im Valentino Rossi-Design mit Termignoni-Auspuff für 1000 Euro Aufpreis, bei Standardmodell Preis unverändert.
2006
Komplett neues Modell, Typ RJ111. Hub und Bohrung geändert: 67,0 x 42,5 mm (vorher 65,5 x 44,5 mm), Titanventile, Einspritzanlage mit zusätzlichem Einspritzventil, elektronisch gesteuerte Drosselklappenbetätigung, Auspuffsystem mit Exup-Steuerung (Staudruckventil, um Drehmomentverlauf zu optimieren), neuer geregelter Katalysator, Anti-Hopping-Kupplung. Neuer Alurahmen (Deltabox-Design), Gabel und Federbein (voll einstellbar) neu, Verkleidung neu. Leistung: 127 PS, Gewicht: 190 kg. Im November Rückrufaktion wegen zu lockerer Luftfilter-Befestigungsschrauben bei bestimmten Fahrzeugnummern. Preis: 11 195 Euro.
2007
Technisch unverändert, aber Preiserhöhung: 11 315 Euro.
2008
Elektronisch gesteuerte variable Ansauglängen, Kolben, Luftfiltergehäuse, Steuerkettenspanner überarbeitet. Neuer Hauptrahmen und Schwinge, Heckrahmen aus Magnesium.
Federbein und Bremsscheiben modifiziert. Neue Verkleidungsteile, Scheinwerfer und Spiegel, neues Rücklicht, Leistung: 129 PS, Gewicht: 192,5 kg. Preis: 11 295 Euro.
2010
Typ RJ155. Neu programmiertes Motormanagement, modifizierter Schalldämpfer, Leistung auf 124 PS reduziert. Preis: 11 995 Euro.
2013
Aktueller Preis: 12 550 Euro.
Der Yamaha R6-Cup gehört zu den ältesten und beliebtesten Markencups in Deutschland. Bis zu 40 Festeinschreibungen pro Jahr, ein internationales Starterfeld und eine vorbildliche Organisation im Rahmen der IDM. Uwe Seitz (43, im Bild links) von der Schwesterzeitschrift „PS“ war selbst Starter. Er ist von Cup und Maschine überzeugt und gibt Interessenten die besten Tipps.
Wie wird man zum R6-Cup-Fahrer?
Seitz: Indem man sich anmeldet, etwa unter www.yamaha-cup.de, eine B-Lizenz des Deutschen Motorsport Bundes (DMSB) vorweist und ein Cup-Paket erwirbt (für 2013 gut 17 000 Euro). Dieses umfasst neben einer optimal aufgebauten Maschine ein Race-Kit mit allen Umbauteilen, auch Fahrerausstattung, Ersatzteil-Service, Data-Recording, Startgelder, Trainings und Schulungen. Der Gewinner eines Wertungslaufs sackt übrigens 250 Euro Preisgeld ein.
Kann man auch mit einer gebrauchten Maschine an den Start gehen?
Seitz: Nein, das ist nicht möglich. Das Race-Set wird nur über deutsche Vertragshändler an eingeschriebene Fahrer verkauft, und wenn ein Fahrer doch nicht an den Start gehen sollte, muss er eine Nachzahlung für die vergünstigten Teile leisten. Auch bei den Reifen gibt es strikte Bindungen, sodass alle Fahrer mit den gleichen Gummis unterwegs sind. Die Auflagen sind also streng, denn die Idee ist ja, dass jedes Jahr bei absoluter Chancengleichheit mit dem jeweils
besten Material, also mit der gerade aktuellen R6 gestartet wird.
Und andersherum: Wenn man eine ehemalige Cup-R6 auf der Straße bewegen will, worauf sollte man dann achten?
Seitz: Wichtig ist, dass noch alle nötigen Teile für die Straßenzulassung dabei sind. Für den Cup werden Serienteile wie Soziusfußrasten, Blinker und Scheinwerfer natürlich entfernt, die ganze Verkleidung und die Sitzbank für den Renneinsatz unterscheiden sich deutlich und sind nicht straßenkonform – und mit dem schön brüllenden Race-Topf würde ich mich auch nicht gerne erwischen lassen.
Lohnt eine gebrauchte Cup-R6 auch für Hobbyracer, wenn sie nur gelegentlich an Renntrainings teilnehmen wollen?
Seitz: Klar, ein Secondhand-Komplettumbau ist eine bequeme Lösung, weil alle erforderlichen Maßnahmen wie gesicherte Schrauben et cetera schon gemacht und die Kit-Teile wirklich klasse sind. Wichtig ist, zu checken, wie oft der Cup-Fahrer ins Ziel kam und wie oft er im Kiesbett landete. Denn eine geschundene Cup-R6 kann für den Hobbyrennfahrer in der Folge zum Groschengrab werden. Gute Gebraucht-Deals sind aber trotzdem drin – ich denke, um 10 000 Euro für ein gutes Bike mit allem Drum und Dran ist realistisch.
Günstige Gebrauchte werden insgesamt stark von privat gehandelt, und auch hier sind sehr viele verbastelte Maschinen im Angebot. Es sind häufig junge Einsteiger ohne technische Kenntnisse, die mit solchen Offerten auf die Nase fallen und ihren Fehler durch schnellen Weiterverkauf wieder wettmachen wollen. Also Vorsicht, wenn es heißt: „gerade nicht fahrbereit“ oder Ähnliches. Für ordentliche Originalzustandsexemplare der Vergaserversion sollte man besser mit ab 2500 Euro aufwärts rechnen.
An Einspritzermodelle ab 2003 in vernünftigem Zustand ist einfacher heranzukommen – sofern man mindestens 3500 Euro in der Tasche hat und auch mit höheren Laufleistungen um die 30 000 Kilometer leben kann. Makellose Maschinen aus erster Hand mit weniger als 15 000 Kilometern gehen ab 4500 Euro los. Superstarke Nachfrage besteht nach dem Typ RJ111 (ab 2006), der ab 5500 Euro gut zu ergattern ist. Allerdings werden auch sehr opulente Preisforderungen über 8000 Euro gestellt, teilweise für Maschinen, die älter als fünf Jahre sind. Oft etwas überteuert, zumal Neumaschinen schon unter 10 000 Euro verramscht werden, weil der 600er-Neufahrzeugmarkt zurzeit brach liegt. Unter dreijährige Neuwert-R6 sind schwach im Bestand und daher als Gebrauchtmaschine selten im Angebot.
Verfügbarkeit am Markt: sehr hoch
Weitere Problemfälle: Auslandsgebrauchtimporte. Bei Billigofferten – häufig komplett zerschundene Hobby-Renngeräte – lauern oft versteckte Mängel wie Rahmenrisse, mitunter fehlen sogar essenziell wichtige Teile wie etwa die Lichtmaschine. In den Papieren also Herkunft prüfen, im Zweifel lieber Finger weg! Insgesamt gilt die 600er jedoch als sehr solide – geprüfte Gebrauchte vom seriösen Händler geben in der Regel keinen Grund zur Sorge.