Das Geiseldrama in der Sahara, Teil 3

Das Geiseldrama in der Sahara, Teil 3 Die Befreiung

Im letzten Tagebuchteil der fast sechsmonatigen Entführung durch algerische Terroristen schildert Rainer Bracht die aufreibende Flucht durch Mali. Petra Bracht verfolgt unterdessen das Ringen der deutschen Regierung um einen Verhandlungsdurchbruch. Als am 17. August endlich das erlösende »Sie sind frei« durch den Äther funkt, kann es keiner mehr wirklich glauben.

Die Befreiung Bracht

Rainer: Endlich haben wir die Grenze nach Mali überschritten und können einige Tage in der Nähe eines Brunnens ausruhen. Seit Wochen sind wir bereits in dem inzwischen glühend heißen Südwestalgerien mit unseren Entführern auf der Flucht. An dem Brunnen gelingt es Sascha, unbemerkt einen Targi auf unsere Situation aufmerksam zu machen. Tatsächlich erreicht die Meldung wenig später den Bürgermeister von Tessalit. Es kommt ein Funkspruch, wir sollten uns melden. Doch nicht wie erhofft von den deutschen Behörden, sondern vom Bürgermeister aus Illizi in Algerien. Die Entführer sind sofort wieder auf den Beinen! Weg, sofort! Die Grenze ist noch zu nah, um einen Zugriff der algerischen Armee zu verhindern. Petra: Am 29. 7. 03, dem 158. Tag, ruft um 20.30 Uhr die Polizei an. Ich hätte jetzt die Möglichkeit, Rainer einen Brief zu schreiben. In einer halben Stunde müssten sie ihn nach Berlin faxen. In meinem Kopf bricht das Chaos aus – es gibt so viel zu fragen und zu erzählen. Und nun in der Eile die richtigen Worte finden.... Tatsächlich klingelt eine halbe Stunde später ein Polizist, um das Schreiben abzuholen. Kurz darauf fällt mir ein, dass ich nicht mal daran gedacht habe, Küsse mitzuschicken! Rainer: Eine weitere Phase aufreibender Langstreckenfahrten beginnt. Bis zu 36 Stunden werden wir in den Geländewagen ohne Pause durchgerüttelt. Nach ein paar Tagen erreichen wir völlig erschöpft ein ausgetrocknetes Flussbett, in dem wir einige Zeit bleiben. Kämpfer der 9. Rebellen-Division sind seit einer Weile bei uns. Sie sollen die Aktion unterstützen, weil sie sich hier auskennen und angeblich Verbindungen in Mali haben. Irgendwann marschiert unerschrocken ein jugendlicher Targi mit seinem Dromedar durch unser Lager. Erst als er alle mit Handschlag begrüßt hat, entdecken ihn die Mudjas und schicken ihn weg. Petra: Nur einen Tag später kommt ein Brief von Rainer. Es ist überwältigend! Verblüffenderweise stellt er genau die Fragen, die ich gestern beantwortet habe. Ich rufe Eltern und Geschwister an und lese jedem Einzelnen den Brief vor. Unsere Eltern kommen sofort, wollen den Zettel mit eigenen Augen sehen. Er beruhigt sie, auch wenn er fünf Wochen alt ist.Rainer: Die Entführer drehen erneut ein Video. Erst eine Gruppenaufnahme, dann darf jeder seine Familie grüßen. In einem schriftlichen Statement erklären sie, dass Michaela Spitzers Tod ein tragischer, von ihnen selbst bedauerter Unglücksfall war und wir gut behandelt würden. Wir müssen alle unterschreiben. Inständig hoffen wir, dass Michaelas Tod wenigstens den einen Sinn hat, den Ernst unserer Lage zu verdeutlichen. Wie die Entführer setzen auch wir nun sämtliche Hoffnungen in die malische Regierung. Sie gilt als kooperativer als die algerische und könnte endlich Bewegung in die Sache bringen. Sogar ich bin verhalten optimistisch. Am nächsten Tag bricht der Emir (Kommandant) mit einem Trupp zu Verhandlungen auf. Unseren Mitgefangenen Christian Grüne nehmen sie mit. Er und seine Freundin in Berlin sprechen fließend französisch, so dass die Mudjas hoffen, direkten Kontakt zur deutschen Regierung aufbauen zu können. Petra: Am 31. 7. 03 kündigt die Polizei ein Video der Entführer an. Ich bin extrem unruhig und trommle die restliche Familie zusammen. Keiner weiß, was uns erwartet. Wie werden sie aussehen? Ich habe Angst. Um 18 Uhr sind alle da. Auch die Polizei. Nicht auszudenken, wenn das Band den Medien zugespielt würde. Es ist elf Tage alt, sämtliche Geiseln sind darauf zu sehen, und jeder sagt einen kurzen Satz. »Rainer Bracht, Allemagne, viele Grüße an die Familie und an Petra!« Anschließend erklärt Christian, dass sie Medikamente bräuchten, die extreme Hitze und die Lebensmittelversorgung problematisch seien und sie Michaela Spitzers Tod betrauern. Und auf ein baldiges Ende hofften. Sie sehen relativ gut aus, sind ordentlich gekleidet und nicht völlig abgemagert. Aber müde und genervt. Als die Familie weg ist, igele ich mich völlig ein, brauche Ruhe, unbedingt. Meine Gedanken sind nur bei Rainer. Rainer: Noch während der Film zur Deutschen Botschaft nach Bamako gebracht wird, brechen wir auf. 36 Stunden geht es nonstop in den Nordwesten Malis. Insgesamt 600 Kilometer weit. Zum ersten Mal beginnt es zu regnen und wir haben Wasser im Überfluss, können baden und sogar Wäsche waschen. Petra: Am Freitag, den 1. 8. 03, erscheint in der »Welt« ein Interview mit mir, das ich nie gegeben habe. Ich denke, tiefer kann man im Journalismus nicht sinken. Übers Wochenende versuche ich, meine Energie und Geduld wieder zu finden. Es gelingt mir, aber es bleibt auch keine andere Möglichkeit. Hoffentlich haben Rainer und die anderen ihre noch nicht verloren. In Heiligenkirchen findet ein Gedenkgottesdienst für die Geiseln statt, und eine Dame von einer Sekte ruft bereits zum dritten Mal an. Sie habe Gedichte geschrieben und wolle mit dem Erlös den Geiseln helfen... Abends stürzt der PC ab. Diagnose: Festplatte zerstört und alle Daten weg. Also bei null anfangen und alles neu eingeben. Am Dienstag ist der Computer so weit hergestellt, dass man daran arbeiten kann. Mein Nabel zur Welt. Ein Tag nach dem anderen vergeht, und ich falle eine Woche lang in eine Depression, will mit niemanden reden, weil ich ständig nur in Tränen ausbreche. Fühle mich leer, müde und erschlagen. Ich mobilisiere alle Kräfte, um aus dem Loch rauszukommen. Der Einzige, der mich trösten könnte, sitzt in Mali. Rainer: Nach zwei Wochen tauchen ein paar Getreue des Emir erneut auf. Zusammen mit Geländewagen der malischen Regierung. Jetzt scheint sich wirklich was zu bewegen. Wir werden fast euphorisch. Sie haben nicht nur Medikamente und Mineralwasser dabei, sondern Briefe von zu Hause! Von Petra! Sie hat meine Fragen beantwortet. Wie sie die Operation überstanden hat, was die Familie und speziell meine kranke Großmutter machen, wie sie finanziell ohne meinen Lohn über die Runden kommt und so weiter. Erst viel später erfahre ich, dass sie meinen Brief damals noch gar nicht hatte. Sie wusste einfach, was mich bewegen würde. Ich bin glücklich, wie nahe wir uns stehen.Petra: Am 9. 8. 03 findet ein weiteres Treffen im Auswärtigen Amt statt. Da ich durch die Operation gehandikapt bin, übermittelt man mir zu Hause eine Zusammenfassung des Gesprächs. Darin wird endlich das hartnäckige Gerücht dementiert, einige Geiseln wären krank. Nur Ischias-Schmerzen vom harten Liegen scheinen ein paar zu plagen, sonst seien alle okay. Weiterhin hat Christian Grüne offenbar Telefonkontakt zwischen Entführern und der deutschen Regierung hergestellt, und die Verhandlungen, die bisher ein Tuareg-Führer namens Iyad Ag Agaly geführt habe, regele nun ein Gouverneur in Gao. An eine Militäraktion werde in Mali nicht mehr gedacht, um das Leben der 14 nicht zu gefährden. Ich denke manchmal, dass Rainer und mich dieses Schicksal nie mehr verlassen wird. Rainer: Die Islamisten sind nun genauso gespannt wie wir, haben ständig das Radio am Ohr, um ja keine Nachricht zu verpassen. Teilweise wird mehrmals täglich mit dem Emir gefunkt. Dennoch erlebe ich jetzt die einzige bedrohliche Situation der gesamten Geiselhaft, die von den Entführern selbst ausging: Als wir wie abgesprochen während des Regens in einem der Geländewagen Schutz suchen wollen, versucht uns ein Kämpfer daran zu hindern. Zornig erinnere ich ihn an unsere Abmachung, worauf er seinerseits wutentbrannt eine Kalaschnikow greift und vor mir durchlädt. Glücklicherweise überwältigen ihn seine Kollegen rechtzeitig. Was denn passiert sei? Verblüffenderweise glauben sie meiner Erklärung und entschuldigen sich für ihren aufbrausenden Kumpel. Wieso ich keine Angst hätte? Mit einem Scherz wiegele ich die Sache ab.Petra: Staatssekretär Chrobog fliegt am 12. 8. 03 nach Algier und dann weiter zum malischen Staatspräsidenten Amadou Toumani Toure in Bamako. Die Gespräche dauern Stunden, aber Chrobog äußert sich anschließend sehr optimistisch. Es werde nicht mehr lange dauern. Ein paar Wochen, vielleicht auch nur Tage. Ich hangele mich von einem Ast zum anderen. Schicke Chrobog eine Postkarte mit dem Bild eines eingerosteten Vorhängeschlosses. Habe das Bedürfnis, ihm zu danken. Rainer: Nach zwei Wochen brechen wir wieder auf, brausen in südwestlicher Richtung zurück. Irgendwas scheint sich verändert zu haben, denn die Entführer verstecken sich nicht mehr, sondern benutzen zum ersten Mal normale Pisten. Allerdings fahren sie so lange, bis ein Fahrer übermüdet eine Welle übersieht und sich das Auto fast überschlägt. Erst dann wird geschlafen. Und danach der Toyota repariert. Meistens ginge es schneller voran, wenn sie etwas langsamer fahren würden, aber das widerspräche arabischer Denkweise. Petra: Am 175. Tag spüre ich plötzlich, dass etwas passiert. Und mein Gefühl war bisher stets der zuverlässigste Indikator. Ich weiß, Chrobog kriegt die Sache hin. Wie schwer die Verhandlungen sein müssen, lässt sich lediglich erahnen. In Algerien konnte die Regierung nur mit Mühe von einem zweiten Militäreinsatz abgebracht werden. Dann – wie sollten alle unversehrt nach Mali gelangen? Und dort wieder Vertrauen zwischen Entführern und Verhandlungspartnern aufgebaut werden? Wie kann eine Übergabe stattfinden, ohne dass die Entführer befürchten müssen, sofort erschossen zu werden? Das algerische Militär hatte widerstrebend einen Fluchtkorridor für die Terroristen offen gehalten – aber sie liegen nach wie vor an der malischen Grenze auf der Lauer. Ich habe Angst, dass zum Schluss noch Waffeneinsatz befohlen wird. Doch mir wurde zugesichert, dass genau das nicht passieren solle...Rainer: Wir lagern an einem vereinbarten Treffpunkt, warten auf den Emir. Es ist derselbe Platz, wo wir uns vor zwei Wochen von ihm getrennt hatten. Ein gutes Zeichen. Ich bin gerade bei den Mudjas zum Essen holen, als Motorenlärm ertönt. Sofort springen sie in ihre Kampfwesten und schießen in die Luft. Standesgemäßer Empfang für Emir Abd el Razak, der mit seiner Verhandlungsgruppe zurückkehrt. Persönlich tritt er zu uns Gefangenen und erklärt feierlich, alles sei geregelt, wir wären frei! Petra: Am Samstagabend, 16. 8. 03, informiert mich ein befreundeter Journalist, dass die Freilassung kurz bevorstünde, vermutlich in der Nacht von Sonntag auf Montag. Es wäre zu schön, doch für mich zählt nur DER Anruf. Auch die Polizei bittet mich, nun ständig erreichbar zu sein. Ich spüre es förmlich kribbeln. Dann geschieht es, am 17. 8. 03 ruft um 22.37 Uhr die Kripo an – sie sind frei! Gerade habe Berlin es offiziell bestätigt. Ich weine vor Glück. Rainer: Wir müssen zusammenpacken und werden wenige Kilometer entfernt mit einer Gruppe aus malischem Militär und Tuaregs zusammengeführt. Darunter auch Ag Agaly, ein legendärer Führer der Tuareg-Rebellion Anfang der Neunziger. Sie hatten die Vermittlerrolle übernommen, und an sie werden wir jetzt übergeben. Es ist wirklich zu Ende. Die meisten Fundamentalisten verabschieden sich mit arabischer Höflichkeit und freundlichem Schulterklopfen von uns, laden uns sogar ein, gerne wieder nach Algerien zu kommen, uns würde nichts passieren. Anderen Reisenden drohe jedoch unser Schicksal, betonen sie gleichzeitig. Express, der Fahrer mit Brillengläsern wie Glasbausteine, denkt an meine Gesundheit und ermahnt mich eindringlich, nicht mehr zu rauchen sowie Schweinefleisch und Alkohol künftig zu meiden. Ich verspreche mein Bestes, ahne aber, dass mir das nicht gelingen wird. Zuletzt möchte der Emir noch meine E-Mail-Adresse, um Bescheid geben zu können, wenn sie meine BMW geborgen hätten, falls das algerische Militär sich nicht drum kümmere. Die Situation ist grotesk. Ich bin ihnen nicht einmal böse – wahrscheinlich wissen sie gar nicht, was sie uns angetan haben.Petra: Um 22.45 Uhr kommt es in den Nachrichten. Wie betäubt starre ich auf die Mattscheibe, wo Chrobogs glückliches Gesicht vor den Kameras zu sehen ist – er ist wirklich gekommen, der Moment. Nach 177 Tagen und Nächten. Ich feiere gerade ein wenig mit Andreas und Steffi aus unserem Haus, als gegen Mitternacht erneut das Telefon klingelt. Wer ruft jetzt noch an? »Hallo?« »Hallo, ich bin’s, Rainer!« In meinem Kopf herrscht völlige Leere: »Rainer, welcher Rainer?« »Ja, Rainer, dein Ehemann!« Dann breche ich in Tränen aus und gleich darauf die krächzende Verbindung zusammen. Das war er also, DER Anruf. Und ich erkenne nicht einmal Rainers Stimme! Unfassbar! Als er kurz darauf ein zweites Mal anruft, bin ich gefasster. Er erzählt, dass es ihm gut gehe, sie gerade gegessen hätten und nun gleich schlafen gingen. Aus irgendeinem Grund frage ich, ob er seinen Schlafsack noch habe. Nein, schon lange nicht mehr. Sie schliefen so im Sand. Vor lauter Rauschen verstehe ich kaum etwas, aber es ist überwältigend. Rainer: Bei beginnender Dunkelheit brechen wir zu unserer letzten Fahrt auf. Gegen Mitternacht stoppen die Tuaregs an einer Wasserstelle mit trockenem Holz, um einen Tee zuzubereiten. Mittels Satellitentelefon dürfen wir nach Hause telefonieren. Petra ist dran, aber völlig fassungslos, hat wohl nicht mit mir gerechnet. Doch es ist wunderbar, sie zu hören. Petra: Wenig später tauchen die ersten Journalisten vor dem Haus auf, es gibt kein Ausweichen mehr: »Wie fühlen Sie sich, wie geht es Ihrem Mann, hatten Sie schon Kontakt?« Tags darauf bestürmen sie Steffi beim Gang zum Einkaufen gleich zu siebt. Sie übernimmt mit Andreas das unablässig bimmelnde Telefon, das wegen möglicher weiterer Anrufe von Rainer nicht abgestellt werden kann. Am nächsten Morgen soll das Flugzeug in Köln eintreffen. Zwei Kripo-Beamte wollen mit mir hinfahren. Ich freue mich, als ich höre, wer es ist: Mit diesen beiden fing alles an, sie hatten den Kontakt zu mir aufgenommen und halfen mehr als einmal, das Schlimmste zu verhindern. Rainer: Im Morgengrauen brechen wir auf, bis Gao liegen 500 Kilometer vor uns. Mittags werden uns in einem Dorf Tee, Milch und Kekse serviert, dann geht es so schnell wie möglich weiter. In der Dämmerung erreichen wir die Stadt und wenig später den Gouverneurs-Palast. Nach mehreren Ansprachen, während denen ich mich hauptsächlich nach einem Bier sehne, geht es per Flugzeug weiter zum Präsidenten in die Hauptstadt Bamako. Er war maßgeblich an unserer Freilassung beteiligt, wie ich von mitfliegenden Leuten vom Auswärtigen Amt in Berlin erfahre. Sie erzählen mir auch von Petra, welch tollen Job sie in Deutschland gemacht, wie viel Optimismus und Fassung sie verbreitet habe. Petra! Dankbar lehne ich mich zurück. Meine Sorgen um sie fallen mit Zentnerschwere ab, ich bin glücklich und ein wenig stolz. Sie scheint einiges für uns bewegt zu haben. Petra: Mit einer Tasche voll Kleidung, Pfeifen, Gummibärchen, Schokolade und den Schuhen, die ich vor Wochen gekauft hatte, brechen wir im Morgengrauen zum Flughafen auf. Als wir ankommen, ist noch genügend Zeit, und ich beobachte am Fenster, wie die Maschine aus Bamako landet. Jetzt sind es keine Fahndungsbilder im Fernsehen, jetzt ist es Wirklichkeit. Der Moment, als Rainer durch die Tür kommt, überwältigt mich endgültig. Sehr schmal und tiefbraun ist er geworden, wirkt trainiert wie ein Marathonläufer. Eine Isomatte und einen Beutel hat er noch, mehr ist nicht übrig geblieben von seiner Habe. Darin ein paar Kleider, die nie ihm gehörten, zwei Steine aus der Wüste, ein halber Armreif und eine kleine versteinerte Wirbelsäule... Als ich ihn in den Arm nehme, rieche ich noch den Staub und die trockene Luft der Sahara. »Endlich«, mehr bringe ich nicht raus. Was ich nie vergessen werde, ist sein glückliches Lachen in diesem Moment. Es ist vorbei.Rainer: Jetzt geht es endgültig heim nach Deutschland. An Schlaf ist nicht zu denken, mit vielen Gesprächen vergeht die Nacht buchstäblich im Fluge. Plötzlich brandet ein letzter Konflikt unter uns 14 auf – einer der Schweizer will die Koordinaten von Michaelas Grab nicht an die Polizei weitergeben. Erst müsse in der Gruppe diskutiert werden, was damit geschehen soll. Mein Gott! Ich bin unendlich froh, dass es zu Ende ist. Doch bevor ich mich richtig aufregen kann, entdecke ich Petra. Und alles andere verblasst zur Nichtigkeit. Ich bin angekommen.

Der Sahara Club

Bei der Aufklärung des zunächst rätselhaften Verschwindens von Algerien-Reisenden lieferte der 1984 gegründete und in Deutschland 1200 Mitglieder starke Sahara Club (www.sahara-club.de) früh die entscheidenden Hinweise. Aufmerksam geworden durch Mitglieder, deren Angehörige nicht aus Nordafrika zurückkehrten, veröffentlichte das Internet-Forum des Vereins am 10. März die erste Suchmeldung. Nach Rainer Bracht und Kollegen. Durch den entstandenen Informationsaustausch wurden weitere Personen aufmerksam, und der Club wies bereits am 19. März auf ein mögliches Verbrechen hin. Mittels Landkarten und engagierten Informanten entwickelte ein »Krisenstab« ein präzises Bild, wer in Südalgerien wo unterwegs war und dass die Kontakte stets auf der Gräberpiste abrissen: Basisinformation für die Suchmannschaften. Von 13 lokalisierten Reisegruppen wurden immerhin sieben verschleppt.

Schlussbetrachtung

Es ist mir ein großes Bedürfnis, mich bei allen Menschen und Behörden, deren Arbeit letztlich zu unserer Rettung geführt hat, zu bedanken. Überwältigt bin ich von Solidarität und Hilfe, die Petra von Mitgliedern des Sahara Clubs, der Firma Därr sowie ungezählten privaten Personen erhalten hat. Hätte ich all dies auch nur geahnt, wäre mir meine Odyssee leichter gefallen. Schwierig ist dagegen zu akzeptieren, dass einheimische Agenturen und Tourguides schon Monate vor den Entführungen von »sonderbaren Leuten« auf der Gräberpiste wussten, aber die Information nicht weitergaben. Zusätzlich ignorierte das algerische Militär die Tuareg-Meldungen, im Tamelrik-Gebirge würden Lager angelegt. Und trotz großer Dankbarkeit, dass dort später alles nur Menschenmögliche für uns getan wurde – die Reisewarnung des Auswärtigen Amts für Südalgerien kam definitiv zu spät. Der Sahara-Club hatte bereits am 19. 3. 03 auf etliche Vermisste hingewiesen. Rainer Bracht

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