Es musste sein. Jetzt. Die vielleicht letzte Chance in diesem Jahr. Der Chef hat es verstanden, fragte nur nach der Route: Westalpen, über die großen Pässe einmal Südfrankreich und zurück, bevor der Laden bis zum nächsten Sommer die Tore schließt. Vier Tage müssen reichen.
Am Vorabend schnell einen Ölwechsel gemacht, der alten R 1100 GS tief in die beiden Scheinwerfer geschaut. Unsere letzte große Reise liegt 15 Jahre zurück. Sechs Monate Südamerika, der Trip meines Lebens (siehe MOTORRAD 24 und 26/2001). Zwei Kinder haben danach vieles verändert. Ponyhof statt Patagonien – auch ein Abenteuer, aber eines ohne meine GS. Nur ab und zu eine Runde über die Hausstrecke. 1000, vielleicht 2000 Kilometer pro Jahr. Mehr war nicht drin.

Und jetzt plötzlich vier Tage nur für uns. Die alte Vertrautheit – sofort wieder da. Stuttgart, Martigny, der Col de la Forclaz, durch den Montblanc-Tunnel und kurz vor Sonnenuntergang rasch noch über den Kleinen Sankt Bernhard. Meine Güte, was für ein geiles Gefühl! Wir halten nur, weil es ab 19 Uhr stockdunkel ist.
Gleich nach dem Frühstück der Col de l’Iseran. 2764 Meter über null, die Nummer zwei in den Alpen. Sonne satt bei acht Grad, der Ausblick zum Verrücktwerden schön. Andere Motorradfahrer? Nur eine kleine verschworene Gemeinschaft. Keine Wohnmobile! Nein, so habe ich die Berge lange nicht mehr erlebt.

Weiter. Über den Col du Mont Cenis nach Susa, gleich darauf der Colle delle Finestre. Endlich wieder Schotter und Geröll unter den Stollen, zumindest für zehn Kilometer, denn die Assietta-Grenzkammstraße ist wegen eines Erdrutsches gesperrt. Egal, dann weiter zum Col d’Izoard und zum Col de Vars. Fahren, einfach nur fahren und für den Moment leben. Und wenn der Tag ausgeht, irgendwo ein Zimmer suchen. Mehr braucht es nicht, um sich frei zu fühlen.
Tag drei. Zurück. Über den Col du Galibier, den Col de la Madeleine und den Kleinen Sankt Bernhard nach Aosta. Die GS und ich – wir spüren das Leben. Morgen dann noch der Große Sankt Bernhard. Es war gut, loszufahren.