Die Marathon Harley
"The Motorcycle" - Kurzporträt von Peter und Kay Forwood

Wer hätte das gedacht: Keine BMW GS und kein Toyota Landcruiser sind weiter gereist als diese Harley Electra Glide Classic Baujahr 1993. 610000 Kilometer trug das amerikanische Schwermetall seine Besitzer, ein australisches Ehepaar, durch alle Winkel und Härten der Erde.

"The Motorcycle" - Kurzporträt von Peter und Kay Forwood
Foto: Forwood

Zehn Jahre lang sprachen die Australier Peter und Kay Forwood von „The motorcycle“, wenn sie ihre Harley Davidson Electra Glide Classic meinten. Dann wurde das Bike offiziell auf diesen Namen getauft. „The Motorcycle“ hatte im Oktober 2006 alle zu diesem Zeitpunkt von den Vereinten Nationen anerkannten 193 Länder und darüber hinaus mehr als 414 nicht international anerkannte Gebiete befahren und ist seitdem das am weitesten gereiste Fahrzeug der Welt.

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2011 wurde der Motor ausgetauscht. „Das alte Aggregat haben wir zurück nach Hause geschickt, dort sollte es wieder hergerichtet werden, damit ,The Motorcycle im Originalzustand auch noch die Länder besuchen kann, die nach 2006 auf der Landkarte der Vereinten Nationen eingezeichnet wurden und werden. Beispielsweise der Südsudan, den wir für 2016 eingeplant haben“, erklärte Peter kürzlich.

Forwood
Laos, 2005.

Kurz nach diesem Statement trafen die Forwoods dann eine ganz andere Entscheidung: Die Harley wird erst einmal in den Ruhestand gehen, zurück nach Australien. „Wir machen eine Pause. Keiner weiß, was die Zukunft bringen wird, aber momentan beenden wir die Reise von ,The Motorcycle'“, sagt Peter, der das Motorrad 15 Jahre lang rund um die Welt gefahren hat, die meiste Zeit gemeinsam mit seiner Frau Kay.

Die Electra Glide Classic wurde im November 1993 gebaut. Zwei Monate später kauften die Forwoods sie in Australien. Ganze 610 000 Kilometer ist das Motorrad inzwischen gelaufen. Über 500 000 davon auf seiner 15 Jahre langen Fahrt kreuz und quer über den Globus. Dafür wurden vorab -lediglich die Spiegel etwas nach außen gelegt, und das Topcase bekam einen Gepäckträger, um die Küche darauf zu verstauen. 1996 ging die Reise los: von Darwin nach Bali, durch Indonesien, Singapur und Malaysia bis nach Thailand. Anschließend weiter nach Griechenland und durch Südeuropa nach Marokko.

Forwood
Kardung La, Indien, 2007.

Die rauen Pisten in Indien rüttelten so stark an den Koffern, dass sie an den Halterungen immer wieder einrissen. Ein Mechaniker im Iran löste das Problem, indem er an den stark belasteten Stellen innen und außen kleine Stahlplättchen aufklebte. In Griechenland gab es dann Edelstahl-Auspufftöpfe, weil die Originalteile zu stark durchgerostet waren. Und in Nepal waren die Straßen so schlecht, dass die Harley einen Motorschutz bekam. Das solide Teil „made in Kathmandu“ schützt bis heute die Ölwanne aus Milwaukee.

Unterwegs entstand die Idee, das Motorrad zum 100. Jubiläum von Harley Davidson in die USA zu bringen und auf dem Weg dorthin so viele Länder wie möglich zu besuchen. In Malawi wurde der hintere Kotflügel mit dem Blech eines ausrangierten Straßenschildes verstärkt. Und im Kongo musste derselbe Baumstumpf, der die Sturzbügel bei einem Zusammenprall verbogen hatte, auch für die Reparatur herhalten. Peter fuhr einfach mit der anderen Seite noch einmal dagegen.

Forwood
Nordkap, Norwegen, 1998.

Nach Asien, Europa, Afrika und Südamerika war die Electra Glide dann 2003 mit ihren beiden Passagieren Teil des Jubiläumskorsos in Milwaukee. Inzwischen hatte das amerikanische Eisen ganze 143 Länder gesehen. Was also lag näher, als die restlichen 50 Länder auch noch zu besuchen? Ganze fünf Jahre dauerte das allerdings, weil die Forwoods vor allem kleine Inseln ansteuern mussten. Die Harley heuerte auf so vielen Schiffen an, dass sie alle Vergaser voll zu tun hatte, nicht seekrank zu werden.

Natürlich wurde sie auch einige Male in Flugzeugen transportiert. Und von Namibia bis nach Kapstadt, Südafrika, musste „The Motorcycle“ sogar ganze 1000 Kilometer auf einem Lastwagen mitfahren, weil ein Nockenwellenlager defekt war. Die Nockenwelle machte öfters Ärger, während die Kurbelwelle die ganze Zeit eisern durchhielt. Zylinder, Kolben, Ventile und Ventilführungen wurden jeweils nach 229 000 und 485 000 Kilometern überholt beziehungsweise erneuert. Neue Federbeine gab es zweimal: nach rund 200 000 und 400 000 Kilometern. Und dann nach 60 000 Kilometern gleich noch einmal, weil das Motorrad beim Transport falsch verzurrt worden war.

Forwood
Island, 1998.

Die meiste Aufmerksamkeit erforderte allerdings der Belt Drive: Mehr als zehn Stück sind unterwegs gerissen. Inzwischen brauchen die Forwoods nur noch drei bis vier Stunden für einen Wechsel am Straßenrand. Dafür hatten sie nur acht Reifenpannen. Dank eines Reparatursets für Schlauchlosreifen mussten sie den Pneu nur ein einziges Mal tatsächlich von der Felge holen, um ihn zu reparieren. „Insgesamt haben wir das Motorrad nur dreimal abschleppen lassen“, erzählt Peter. „Alle anderen Pannen konnten wir an Ort und Stelle beheben oder zumindest bis zur nächsten Werkstatt fahren.“ Peter ist von der Harley überzeugt: „Sie ist sehr stabil und mit ihrem niedrigen Schwerpunkt das ideale Reisemotorrad.“

Die Forwoods haben inzwischen drei Enkelkinder. Die Prioritäten der beiden haben sich verschoben. „Vielleicht will einmal eines unserer Kinder die Reise von ,The Motorcycle fortsetzen, vielleicht fahren wir auch selber wieder los. Die Harley wird auf jeden Fall noch fit sein, wenn wir schon längst von dieser Welt gegangen sind.“

Kurzportät - Peter und Kay Forwood

Forwood
Peter (59) und Kay (60) Forwood.

Peter Forwood (59) startete seine Motorradkarriere 1971 mit einer 90 Kubik großen Trial-Honda. Zusammen mit seiner heutigen Frau Kay (60) als Sozia fuhr er dann eine 175er-Honda. Die beiden sagen, dass sie in der Anfangszeit ihrer Beziehung auf dieser kleinen Maschine so manches Problem lösten. Dann kauften sie sich Trialbikes: eine 250er für Peter und eine 175er für Kay. Die Harley ist das erste Straßenmotorrad, das die beiden je gefahren sind. Kay hat 2005 ihren Motorradführerschein erneuert, der abgelaufen war. Aber auf Reisen überlässt sie Peter den Lenker. Sie sagt, sie fühle sich sicher als seine Sozia, die beiden könnten während der Fahrt leichter miteinander kommunizieren und es sei viel ökonomischer, mit nur einem Motorrad auf Reisen unterwegs zu sein.

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