Motorradreisen Tipps vom Fernreise-Experten

Fernreisen mit dem Motorrad Experte gibt Tipps

Dieser Typ hat Ahnung. Von Vor- und Nachteilen organisierter Fernreisen, von Qualitätsmerkmalen der Veranstalter, von Gruppenpsychologie und vom Improvisieren in Notsituationen. Im Interesse reisefreudiger Leser entlockt Redakteur Markus Biebricher dem Marathon-Tourguide Daniel Lengwenus wichtiges Know-how.

Experte gibt Tipps Lendwenus
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Daniel, was sind die Hauptvorteile einer organisierten Motorrad-Fernreise gegenüber einer Individualtour?

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Dass man sich nicht um alles kümmern muss. Man erlebt grandiose Abenteuer in fernen Welten, braucht aber nicht schon Jahre vorher mit der Vorbereitung beginnen. Die meisten Menschen, die sich solche Reisen leisten können, haben oft beruflich bedingt nur wenige Wochen Zeit. Wie sollen die dann noch die schwierige und langwierige Organisation vorab hinbekommen?

Was sind die Nachteile?

Bei einer geführten Tour kann man nicht jeden Tag aufs Neue entscheiden, wo die Reise hingeht. Weil Zeitknappheit herrscht, ist ein durchorganisiertes Programm von Vorteil. Tagesziele muss man abends erreichen. Als Individualreisender bleibst du auch mal länger an einem Ort. Das geht auf durchgetakteten Reisen nicht.

Buchen nur ältere oder sicherheitsbewusste Kunden organisierte Touren?

Dass kann man so nicht sagen. Natürlich ist die Absicherung in einer Gruppe besser, als wenn man allein durch schwierige Regionen fährt. Wer in Patagonien ohne Begleitung auf Abwegen unterwegs ist, sollte sich bewusst sein: Ein Sturz mit gebrochenem Knöchel kann auch tödlich enden. Allein deshalb, weil einen niemand findet und man selbst keine Hilfe holen kann. Bestimmte Gebiete sollte man daher mindestens zu zweit befahren. Auf unseren Südamerika-Touren übernehmen wir den Krankentransport erst mal selbst. Dafür haben wir einen Kleinbus, der sich auch für Liegendtransporte eignet. Denn 400 Kilometer weit draußen in der Pampa auf einen Krankenwagen zu warten, macht wenig Sinn. Bis der ankommen würde, sind wir bereits im nächsten Hospital.

Fernreisen mit dem MOTORRAD action team

Lengwenus/Becker
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Kommen die dort tatsächlich mit dem Krankenwagen auf Achse? Gibt es in diesen Ländern gar kein Rettungsflugwesen oder Ähnliches?

Inspiriert durch unsere Reisen mit Gravel Travel durch Namibia und deren „Flying Doctors“, habe ich vor einiger Zeit mal bei unserer Agentur in Buenos Aires angefragt, ob es so etwas nicht auch in Argentinien gäbe. Die Mitarbeiter haben mich ausgelacht!

Warum lachen die über deine Frage? Die ist doch durchaus nachvollziehbar.

In Südamerika zählt ein Menschenleben nicht so viel wie bei uns in Europa. Wenn jemand ganz weit draußen einen schlimmen Unfall erleidet, dann stirbt er in der Regel. Was soll man dagegen tun? Man kann in den Anden oder in der Pampa nicht an jeder Ecke ein Krankenhaus für im Verhältnis wenige Menschen bauen. Das Leben dort ist extrem hart – und genauso hart kann es auch enden. Du warst doch auch schon in so einer Lage (siehe: Motorradreise Altiplano, Chile und Bolivien). Der Tod wird als normaler Abschluss eines Lebens hingenommen. Bei uns kämpft man um jeden Überlebenden, weil wir uns das leisten können. In vielen anderen Ländern dieser Welt ist das nicht der Fall.

An welchen Merkmalen erkenne ich einen seriösen Reiseveranstalter?

Ein guter Reiseveranstalter klärt zunächst mal über die Risiken auf. Dass Motorradfahren an sich gefährlich sein kann, wird wohl jedem klar sein. Doch es sollte beispielsweise darauf hingewiesen werden, dass der Verkehr in vielen Ländern gnadenlos nach dem Recht des Stärkeren gestaltet wird. Und dass große Höhen oder hohe Temperaturen extrem an den Kräften zehren. Auch über rustikale Unterkünfte abseits der Zivilisation gilt es aufzuklären. Ebenso darüber, dass im Verletzungsfall die medizinische Versorgung in vielen Ländern mangelhaft ist. Wer sich mitten in der argentinischen Pampa das Bein bricht, muss höchstwahrscheinlich ziemlich leiden. Solche Sachverhalte gilt es zu vermitteln.

Gibt es Qualitätsunterschiede, die man als Laie aus der Tourbeschreibung herauslesen kann?

Klar kann man das. Je detaillierter eine Reisebeschreibung ist, desto besser. Man sollte darauf achten, welche Motorräder zur Verfügung stehen und ob es einen Mechaniker-Service gibt. Wenn der Veranstalter ein Sammelsurium an verschiedenen Maschinen aufbietet, wird eine Ersatzteilversorgung sehr schwierig. Gibt es eine oder gar zwei Ersatzmaschinen? Ist das Begleitfahrzeug in der Lage, Mensch und Maschine aufzunehmen, wenn es ein Teilnehmer mal nicht packt, eine Etappe zu fahren? Auf den Südamerika- Touren des MOTORRAD action teams fährt immer ein Bus mit zwölf Sitzplätzen plus Anhänger für zwölf Motorräder mit. Da kann jeder jederzeit entscheiden, ob er Motorrad fährt oder in den Bus steigt.

Warum sollte man im Bus mitfahren wollen?

Der Bus ist ja nicht nur für gestresste Sozias da, sondern auch für Fahrer, die entweder mit der Strecke überfordert sind oder even­tuell ein gesundheitliches Problem haben. Da reicht ja eine leichte Grippe, und du bist auf 4000 Metern Höhe nicht mehr in der Lage, dein Motorrad geradeaus zu fahren… oder es hat jemand Angst vor tiefem Sand… Es muss ja keiner fahren, und das ist gut so.

Reisen
Sdun
Daniel Lengwenus, 52 Jahre, Cheftourguide und Produktmanager MOTORRAD action team, 27 Jahre als Reiseleiter, 825.000 Motorradkilometer auf allen Kontinenten.

Ist organisierte Fernreise gleich organisierte Fernreise? Kannst du uns wichtige Unterschiede nennen?

Man kann sich den Routenverlauf anschauen, auch im Hinblick auf Highlights und Sehenswürdigkeiten. Wichtig sind auch Etappenlängen, Hotelauswahl, medizinische Notfall-Ausrüstung, Satellitentelefon und wie gesagt das Begleitfahrzeug und die Motorräder. Wenn Maschinen gleicher Bauart verwendet werden, hat das in meinen Augen zwei Vorteile. Erstens: Es entsteht kein Sozialneid oder soziales Gefälle innerhalb der Gruppe. Zweitens: Der Mechaniker kennt seine Motorräder auswendig, und die Ersatzteilversorgung ist viel leichter zu bewerkstelligen. Nicht ganz unwichtig ist, ob der Tourguide Ahnung hat und weiß, was er tut. Aber das findest du leider oft wirklich erst vor Ort heraus.

Was zeichnet einen fähigen Tourguide aus?

Ein guter Tourguide weiß um die bereits genannten Risiken und Umstände, beherrscht bestenfalls die Landessprache und besitzt eine ausgeprägte soziale Kompetenz. Dass er seine Tour und das weitere Umfeld bestens kennt, ist empfehlenswert. Allerdings kann ein professioneller Tourguide auch Touren leiten, die er selbst so noch nicht gefahren hat. Dann muss aber die Vorab-Organisation darauf abgestimmt sein, und es müssen genügend Sicherheitspuffer eingebaut werden. Zudem fährt ein Guide nicht mit „Kunden“, sondern mit sogenannten „Mitfahrern“ oder sogar „Mitstreitern“, vor allem, wenn die Reise schwierig ist. Ich meine, dass man daran schon erkennt, ob dem Guide eher der Mensch wichtig ist oder nur das Geld. Mir persönlich kommt der Begriff „Kunde“ nicht in den Kopf, wenn ich an meine Teilnehmer denke.

Welchen Menschen würdest du keine organisierte Fernreise empfehlen?

Reinen Individualisten, die nur sich selbst sehen. Stell dir einen Egozentriker vor, der jeden Moment nur das machen möch­te, was ihm gerade in den Kopf kommt. So einer hat in einer Gruppe nichts verloren. Für alle, die ihre individuellen Bedürfnisse nicht immer und in jedem Moment befriedigt wissen wollen und sich auch mal dem Wohl der Gruppe unterordnen können, gibt es sogar noch richtig schöne Momente obendrauf. Immer dann, wenn eine Gruppe sich als Gruppe findet und harmoniert, dann macht die Reise im Sinne der Erkenntnis, dass geteilte Freude gleich doppelte Freude ist, eben auch doppelt so viel Spaß.

Was war dein schlimmstes Erlebnis in deiner Tourguide-Karriere?

Das kannst du alles demnächst in MOTORRAD nachlesen. Nein, im Ernst, in dem Bericht über die Tour „auf die höchsten Andenpässe“ schreibe ich über „Tage wie diese“. Und die hatten es in sich, weil einfach alles schiefging: Einer unserer Jungs brach sich gleich am dritten Tag den Knöchel. Ausgerechnet auf einer Passage, die unser Begleitfahrzeug ausnahmsweise mal nicht schnell erreichen konnte. Zu allem Unglück hatte unser erst drei Jahre altes Begleitfahrzeug eklatanten Leistungsverlust wegen eines Defektes der Einspritzanlage. Dann ist bei der Bergung des am Hang abgerutschten Anhängers unser Satelliten-Telefon ir­reparabel beschädigt worden. Eigentlich sind an diesem Tag alle unsere Sicherheitsfeatures ausgefallen. Daran kann man erkennen, dass trotz bester Vorbereitung noch alles schiefgehen kann. Deshalb sollte man genügend Reserven einbauen und über reichlich Improvisationstalent verfügen. Aber, wie gesagt, lies es selbst in MOTORRAD, dann muss ich jetzt hier nicht schon alles verraten.

Was war dein schönstes Erlebnis in deiner Tourguide-Karriere?

Für mich hat jede Reise ihre schönen Momente. Und mal ehrlich, das Reisen an sich ist doch wirklich Erlebnis genug.

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