Wer in den Iran reist, muss sich einlassen. Auf ein anderes Land, eine andere Kultur, einen anderen Glauben. Dinge, die unüberbrückbar sein können sich auf dieser Reise aber leichter erwiesen, als gedacht.
Wer in den Iran reist, muss sich einlassen. Auf ein anderes Land, eine andere Kultur, einen anderen Glauben. Dinge, die unüberbrückbar sein können sich auf dieser Reise aber leichter erwiesen, als gedacht.
»Wir haben ein Problem!« ruft mir Stephan zu, während ich gerade einen lästigen Geldwechsler abwimmle, »mein Motorrad-Kennzeichen ist falsch ins Carnet eingetragen.« Oh mei, was kommt jetzt? Ist der Spaß gleich am Anfang vorbei? Der erste Eindruck war doch so gut. Das Zollgebäude von Bazargan, dem ersten Ort im Iran, modern, vollklimatisiert, die Beamten relaxt. Allah sei Dank, sind sie es auch bei der Sache mit dem Carnet. Mehr als einen Hinweis ist es ihnen nicht wert. Gerade mal eine Stunde dauert die Prozedur, und wir sind erstaunt über eine Lockerheit, die wir nicht erwartet hatten. Ein halb versteckter Wegweiser zeigt zur Sankt-Thaddäus-Kirche. Ja genau, obgleich im Iran, schauen wir uns als erstes eine Kirche an. Immerhin soll sie der älteste Sakralbau der Christenheit sein und einmal im Jahr Armenier aus der ganzen Welt für ein großes Fest empfangen. Während wir uns drinnen umschauen, wird draußen am Parkplatz fleißig an den Hebeln der Motorräder gespielt, wie wir später feststellen, aber nichts demoliert oder abgebaut, so dass wir unbehelligt weiterfahren können, die bereits tief stehende Sonne im Rücken. Wir suchen einen Übernachtungsplatz. Es dämmert schon, als wir auf einem steinigen Acker unser Zelt aufstellen. Ein vorbeiziehender Hirte erkundigt sich nach Woher und Wohin, wir kommunizieren mit Händen und Füßen. Am nächsten Tag liegt die Millionenstadt Tabriz vor uns. Und wir müssen tanken. Ein ebenso schwieriges Unterfangen im Erdölland Iran wie sich in der hektischen Metropole zurechtzufinden. Nur nach beharrlichem Durchfragen erreichen wir mit den letzten Tropfen eine der raren Tankstellen. Dort drängen sich bereits zwei Dutzend Autos Stoßstange an Stoßstange hupend und mit hektischen Manövern um die Zapfsäulen. Als wir endlich unsere Spritbehälter gefüllt haben, haut uns beim Bezahlen auch noch der Tankwart übers Ohr. Wir merken es nach ein paar Minuten, und ich stelle ihn zur Rede. Seine Hände beginnen zu zittern, denn nach islamischem Recht sind die Strafen selbst für geringe Vergehen drakonisch. So vergessen wir die Sache, bei einem Literpreis von etwa vier Cent ist sie keinen Streit wert. Es bleibt die einzige Erfahrung dieser Art auf unserer Reise. Hinter Tabriz biegen wir nach Osten ab. Die Landschaft ist steinig und karg. Überraschend gibt der hochsommerliche Dunst im Süden den Blick auf einen riesigen Berg frei - den Sabalan, 4811 Meter hoch. Am Horizont ein weiterer Gebirgszug, und dahinter liegt es, das Kaspische Meer, größtes Binnengewässer der Erde. Stunden später erreichen wir den Fuß dieser Gebirgskette. Eine schmale Straße zweigt ab, schlängelt sich langsam, aber kontnuierlich hinauf in eine immer grünere Landschaft, die allmählich die Halbwüste ablöst. Am Himmel ballen sich fette graue Wolken, weshalb wir eilig das Zelt auf einer Wiese aufbauen, bevor die ersten Tropfen herabklatschen. Die Strecke von unserem Zeltplatz zurück zur Teerstraße am nächsten Morgen gerät zum Eiertanz. Der Untergrund hat sich durch den Regen in tiefen Morast verwandelt, sogar die groben Stollenreifen setzen sich sofort zu. Zum Glück ist es nicht weit, schon bald erreichen wir die Passhöhe und rollen nach Arbadil hinab, umgeben von einem sattgrünen Regenwald. Leider macht er seinem Namen Ehre es gießt wie aus Kübeln. Diesel- und Ölspuren schillern in allen Regenbogenfarben auf der nassen Straße, Lkw donnern an uns vorbei. Unten angekommen, zeigt sich das Kaspische Meer als kaum auszumachende graue Suppe vor dem Horizont. Ähnlich abtörnend ist die Küstenstraße, nichts als langweilig aneinandergereihte Straßendörfer.Bei Asalem haben wir genug und fahren nach Westen zurück aufs trockene Hochland. Die Strecke stellt sich als echte Traumroute heraus. Kehre auf Kehre schraubt sich der Pass durch das grüne Dickicht in die Wolken hinein. Es wird immer kühler. Der Blick auf den Höhenmesser verdeutlich, dass wir bereits über 2500 Höhenmeter erklommen haben. Doch die Passhöhe ist noch nicht in Sicht. Endlich durchbrechen wir die dicken Wolkenschwaden, die Sonne strahlt urplötzlich von einem makellos blauen Himmel. Gleichzeitig ist die Vegetation wie weggezaubert, das bereits vertraute, steinige Graubraun der Wüste umgibt uns wieder. Wir steuern die große Magistrale an, die von der Türkei quer durch den Iran bis nach Pakistan verläuft und verfahren uns erst mal gründlich. Wegweiser sind mit einem Mal Mangelware, in der Straßenkarte im Maßstab eins zu zwei Millionen die beste, die in Deutschland zu kriegen war sind die kleinen Wege nicht verzeichnet. Wir stehen mitten in einem ganz aus Lehm gebauten und eindrucksvoll am Rand einer tiefen Schlucht liegenden Dorf. Hier geht es definitiv nicht mehr weiter. Die ersten Türen öffnen sich, Gesichter luken heraus, lächeln, doch erst die Kinder brechen mit ihrer Neugier das Eis. Ein junger Mann mit dicker Hornbrille kommt schließlich zu uns und versucht, den Weg nach Firuzabad zu erklären. Leider hilft es nur kurz, eine Viertelstunde später stehen wir erneut ratlos vor einem der ungezählten Abzweige. Ein Autofahrer hält an und erkundigt sich nach unserem Problem. Als wir ihm unser Leid klagen, lässt er es sich nicht nehmen, solange vor uns herzufahren, bis der richtige Weg gefunden ist. Orientalische Gastfreundschaft! Die Hauptstraße, die wir bei Miyane erreichen, holt uns in die harte Realität zurück. Der Verkehr verlangt alle Konzentration. Bis wir eine Autobahn entdecken. Sie kostet nur eine minimale Gebühr, schreckt damit aber offenbar alle anderen von der Benutzung ab. Endlich freie Fahrt. Wir entdecken sogar eine Autobahnraststätte, nagelneu und mit allen modernen Schikanen versehen. Wieder so ein Kontrast wie bereits das Zollgebäude bei unserer Einreise. Die Zehn-Millionen-Metropole Teheran wollen wir unbedingt meiden und verlassen daher die Bahn, um die Hauptstadt weiträumig zu umfahren. Aber diese Route kostet vermutlich mehr Nerven als ganz Teheran zusammen! Mehrmals können wir einen Frontalzusammenstoß mit einem der völlig anarchistisch anbrausenden Lkw nur durch waghalsige Ausweichmanöver verhindern, während die Nachfolgenden uns fast auf dem Nummernschild kleben. Das Recht des Stärkeren hier gilt es. Uns ist ganz schlecht.Es wird Zeit, dass wir Esfahan erreichen, denn wer nicht in dieser Stadt war, war nicht im Iran, sagt man. Vor einigen Jahren wurde sie von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt. Wir quartieren uns in einem kleinen Hotel ein und stellen die Motorräder für die nächsten Tage in einer Garage unter. Auf knapp 1600 Meter Höhe gelegen, lässt es sich in Esfahan gut aushalten. Wir schlendern unter Arkaden mit kleinen Einkaufsläden und besuchen die großartige Imam-Moschee, deren Eingang in Form eines Stalaktitengewölbes angelegt ist. Gegenüber, gleich neben dem Basar, arbeiten die letzten Kupferschmiede von Isfahan. Mit riesigen Hämmern treiben sie gewaltige Kessel aus dem Blech. Die Übriggebliebenen einer aussterbenden Zunft. Auf den Stufen einer Steintreppe mache ich Pause. Eine Gruppe halbwüchsiger Mädchen wandert vorüber, alle vorschriftsmäßig in den Tschador, der traditionelle Schleier persischer Frauen, gehüllt. Unerwartet löst sich eine aus der Gruppe, wendet sich mir zu und spricht mich in bestem Englisch an. Wenig später stoppt plötzlich ein mit Funk ausgestatteter Mopedfahrer bei uns und fordert meine Gesprächspartnerin zum Gehen auf. Eine lautstarke Diskussion zwischen ihm und den jungen Frauen entbrennt, woraufhin diese wenig später wortlos in der Menge verschwinden. Vermutlich einer der berüchtigten Zivilpolizisten, die unter anderem die strengen Verhaltens- und Bekleidungsvorschriften für Frauen überwachen. Die Tatsache, dass eine iranische Frau einen fremden Mann anspricht, ging wahrscheinlich zu weit. Aber man spürt die leise Auflehnung gegen die islamische Doktrin. Erstaunlich viele Frauen sind auffällig geschminkt, und nicht selten lugen moderne Jeans unter dem Tschador hervor. Und in der Teestube unter der mittelalterlichen Pol-e Khaju-Brücke, einem der Wahrzeichen Esfahans, rauchen Frauen sogar Wasserpfeife. Unseren letzten Abend verbringen wir bei arabischem Büfett im Restaurant des Abbasi-Hotels, das aus einer alten Karawanserei aufgebaut wurde. Wer Träume aus Tausendundeiner Nacht erleben will, wird hier fündig. Unser nächstes Ziel liegt eine Tagesreise weiter südlich: Persepolis, »die Stadt der Perser« mit den Überresten einer 2500 Jahre alten Palastanlage eine der wohl eindrucksvollsten historischen Stätten des Iran. Ursprünglich war Persepolis keine Stadt im herkömmlichen Sinne, sondern Administrationszentrum und pompöser Rahmen für Feste und Empfänge, bevor das Heer Alexanders des Großen sie in einem Racheakt zerstörte. Nach Siraaz, der Stadt der Gärten und Poeten, sind es nur wenige Kilometer. Sie ist zwar nicht so prächtig wie Esfahan, bietet aber eine angenehm ruhige und entspannte Atmosphäre und liegt als grüne Oase inmitten der zunehmend wüstenmäßigen Landschaft. Außerdem verlockt uns schon seit Tagen der romantische Gedanke von einem Hamam, einem orientalischen Bad, um die verspannten Muskeln zu verwöhnen. Wir machen uns also in der Altstadt auf die Suche, doch zu unserem Erstaunen finden wir nur noch ein Hamam-Museum und werden ins neue Hallenbad mit Sauna und Fitnessraum verwiesen. Die Moderne hält Einzug. Am Mausoleums von Shah Cheragh, eine der bedeutendsten Pilgerstätten der Schiiten, geraten wir erneut in Verwunderung. Unzählige Gläubige drängen sich vor dem großen Kuppelbau, und auch wir würden gerne das Innere besichtigen, sind aber nicht sicher, ob wir als andersgläubige Touristen wirklich erwünscht sind. Unsere Unsicherheit fällt anscheinend einem jungen Sprach-Studenten auf, der versichert, dass wir gerne hinein könnten. So mischen wir uns in die Pilgerschar und wandern mit ihnen am Grabmal vorbei, bestaunen die mit Tausenden von kleinen Spiegeln verzierte Kuppel. Keine bösen Blicke, keine Anfeindungen, wir sind willkommen. Das Monument des intoleranten Islam beginnt zu bröckeln.Richtung Südwesten geht die Route weiter. Rosarote Flamingos stelzen durch die spiegelnde Wasserfläche eines Salzsees und bilden die einzigen Farbtupfer in der graubraunen Geröllwüste. Es wird immer heißer. Gegen Mittag zeigt das Thermometer 44 Grad, der Fahrtwind brennt nur noch sengend auf der Haut. Irgendwo im Nichts machen wir im Schatten eines Krämerladens Pause und sind für zwei Stunden die Attraktion der ortsansässigen Mopedfahrer. Erst am Spätnachmittag wagen wir uns weiter, der Himmel ist immer noch bleiern überzogen. Kamele wandern am fernen Horizont dahin, von der flimmernden Hitze in Unschärfe getaucht. Am 2999 Meter hohen Berg Gain treffen wir auf die Hauptstraße nach Bandar-e Abbas und den Pass über das Zagros-Gebirge. In einer endlosen Lkw-Kolonne quälen wir uns hinauf. Gut, dass es bereits Abend ist und wir kurz nach dieser Tortur unser Zelt aufstellen. Die fast schlaflose Nacht auf einer abgesperrten Baustellenpiste lässt ahnen, was uns am Persischen Golf erwartet zur Hitze addiert sich nun noch unerträglich hohe Luftfeuchtigkeit. In der Hafenstadt Bandar-e Abbas ist es tagsüber nur mit Klimaanlage auszuhalten. Ausgerechnet hier trifft uns zum ersten Mal die ganze Härte der iranischen Bürokratie. Allein die Buchung einer Fähre in die Arabischen Emirate fordert einen kompletten Tag Nervenkrieg. Nein, diesen Abschied hat dieses Land nicht verdient. Zu eindrucksvoll waren seine Kulturschätze, zu freundlich seine Bevölkerung.
Der Iran ist nicht das einfachste Reiseziel. Aber mit guter Vorbereitung und vor allem Feingefühl im Umgang mit dem Islam kann ein spannendes Land entdeckt werden. Die internationale politische Lage sollte allerdings ständig im Blickfeld liegen.
Anreise und Straßen:Der kürzeste Weg führt per Fähre von Venedig nach Izmir in die Westtürkei. Von dort geht es rund 2000 Kilometer auf gut ausgebauten Straßen quer durchs Land nach Osten zum Grenzübergang Bazargan - dem einzigen Übergang für Touristen - zwischen Dogubayazit in der Osttürkei und Maku im Iran. Im Iran sind die meisten Straßen asphaltiert und in gutem Zustand. Pisten findet man höchstens noch in abgelegenen Bergregionen, so dass eine Enduro eigentlich nur für Fans entlegener wilder Zeltplätze nötig ist.Tankstellen sind selten und oft gut »versteckt«. Dafür ist der Sprit mit vier Cent pro Liter konkurrenzlos billig. Eine Tankreichweite von 300 Kilometer reicht fast immer aus.Dokumente:Für die Einreise in den Iran gibt es zwei Visa-Arten. Entweder ein maximal zwei Wochen gültiges Transitvisum, das problemlos erteilt wird, allerdings nur Fahrten über die Transitstrecke von der türkischen bis zur pakistanischen Grenze erlaubt. Geeigneter ist ein Touristenvisum, mit dem man sich 30 Tage frei im Land bewegen darf. Dafür ist allerdings eine Genehmigung des Iranischen Innenministeriums nötig, bei deren Beschaffung spezialisierte Iran-Reisebüros helfen. Mit dieser Genehmigung kann dann bei der Botschaft in Berlin (Telefon 030/84353-0, internet www.iranbotschaft.de) das Visum beantragt werden, das etwa 150 Euro kostet. Für das Motorrad ist ein Carnet de Passage erforderlich. (Informationen dazu beim ADAC). Reisezeit:Entweder Frühsommer (Juni) oder Frühherbst (September/Oktober), dann herrscht trockenes und warmes Klima. Im Hochsommer muss im Süden und am Persischen Golf mit Temperaturen von über 40 Grad gerechnet werden. Die Wintermonate sind dagegen oft schneereich und kalt. Nur am Kaspischen Meer herrschen das ganze Jahr milde, aber auch regenreiche Bedingungen.Übernachten:In größeren Orten ist immer ein Hotelzimmer zu finden. In Esfahan oder Siraaz beispielsweise kostet ein passables Doppelzimmer mit Frühstück und Klimaanlage zirka 20 bis 25 US-Dollar. Wildes Zelten ist vor allem in den Wüstenregionen unproblematisch.Besonderheiten:Besonders für Frauen gelten im Iran strikte Bekleidungsvorschriften, an die sich auch Bikerinnen bei »Landgängen« halten sollten, da sonst Ärger droht. Im Klartext: Kopftuch und knöchellange Kleider in gedeckten Farben, die keine Körperkontur zeigen, ins Gepäck stecken... der Tschadohr ist gottlob nicht vorgeschrieben. Für Männer gilt: Keine kurzen Hosen und eher langärmlige Hemden als T-Shirts tragen. Bis vor kurzem mussten auch die Arme bedeckt sein, mittlerweile sind aber hochgekrempelte Ärmel kein Problem mehr. Sehenswert:Der Iran bietet viel Kultur. Die Städte Esfahan und Siraaz stehen vor allem mit ihren Moscheen an erster Stelle, Yazad mit seiner eindrucksvollen Altstadt und Persepolis mit seinen Antiken Überresten. Sehenswert ist auch die Wüstenstadt Bam südlich der Wüste Lut. Landschaftliche Höhepunkte bieten vor allem die Gebirge im Norden und in der Mitte des Landes. Literatur: Für Individualreisende ist der englische Lonely Planet-Reiseführer »Iran« für 23,50 Euro die erste Wahl. Karten sind schwer zu bekommen. Die sehr gute Karte aus dem RV-Verlag im Maßstab 1:2 000000 gibt es nicht mehr und es bleibt nur die Hoffnung auf ein Antiquariats-Exemplar. Eine Alternative stellen russische Generalstabskarten im Maßstab 1: 1 Mio. (zum Beispiel bei Klaus Daerr in München, Telefon 089/282032). Im Land selbst soll es gutes Kartenmaterial in 1: Mio. geben.Zeitaufwand: etwa vier WochenStreckenlänge: (im Iran) rund 2500 Kilometer