Genug vom grauen Himmel und mäßigen Temperaturen Josef Seitz wollte nicht länger auf den Frühling warten. Er floh spontan auf die griechische Insel Lesbos, um die Sonne ein wenig früher im Nacken zu spüren.
Genug vom grauen Himmel und mäßigen Temperaturen Josef Seitz wollte nicht länger auf den Frühling warten. Er floh spontan auf die griechische Insel Lesbos, um die Sonne ein wenig früher im Nacken zu spüren.
Halt, Sperrgebiet! Die Gestik des jungen Soldaten ist eindeutig. Als ich ihn anspreche, dreht er aufgeregt an der Kurbel seines Feldtelefons, schmeißt es vor Eifer auf den Boden. Sein Vorgesetzter, der kurz darauf anrückt, scheint die besseren Nerven zu haben, sieht in mir offenbar keine ernsthafte Bedrohung für den Inselfrieden, sondern nur einen weiteren neugierigen Touristen. Höflich, aber sehr bestimmt weist er mich darauf hin, dass für mich hier der Weg in diesem Teil von Lesbos zu Ende sei. Hinter der Schranke gäbe es nichts zu sehen, nur Felsen schade, den genau jene Formationen aus Stein wollte ich mir aus der Nähe ansehen.
Notgedrungen trete ich den Rückzug an, fahre nach Mandamados. Von dort weiter nördlich und biege hinter Klio schließlich links auf eine Schotterpiste ab, die von tiefen Wasserrillen durchzogen ist. Die Gabel schlägt ein paar Mal durch, eine Herde frei laufender Pferde jagt erschrocken davon. Sieben Kilometer später stehe ich unter der Kuppe des Vigla mit 968 Metern der höchste Gipfel im Lepetimnosgebirge. Die Aussicht ist fantastisch: Im Norden erkenne ich am Horizont die türkische Küste, im Osten schwingen sich bewaldete Hügel zum Meer hinunter, und im Süden glänzt der Golf von Kalloni in der Sonne. Schnee, Regen und Kälte in meiner bayerischen Heimat? Längst vergessen. Auf Lesbos herrschen schon im Frühjahr fast sommerliche Temperaturen. Einfach ideal, um den Saisonstart ein wenig vorzuverlegen. Erstaunlich nur, dass außer mir kein anderer Motorradfahrer auf diese Idee gekommen zu sein scheint.
Mich treibts noch ein Stückchen weiter in den Norden, nach Skala Sikamineas. Ein kleines Nest, das sich längst dem Tourismus verschrieben hat. Trotzdem darf Skala Sikamineas noch guten Gewissens als Fischerdörfchen bezeichnet werden. Im Hafen schaukeln die Boote wie farbige Nussschalen auf den Wellen, am Kai sitzen die Fischer im Schatten und bereiten die Fangschnüre vor, die jeweils zwei Kilometer lang und alle paar Meter mit Haken versehen sind. Gleich nebenan ein Restaurant. Frisch gefangene Tintenfische baumeln zum Trocknen auf der Leine, und einer davon wandert gegrillt in meinen Magen.
Ich mache mich auf den Weg in Richtung Westen. Auf einer Straße, die sich durch die Landschaft windet, als wäre sie ein Aal, kurve ich nach Mithimna, das allein der Lage wegen der Touristenort schlechthin auf Lesbos ist: Das alte Dorf liegt eindrucksvoll am Hang, überragt von einer mächtigen Burg, eine Hinterlassenschaft der Genueser aus dem 14. Jahrhundert. Das perfekte Postkartenmotiv.
Zwischen den Ausläufern des Lepetimnosgebirges und den Skoutaroshügeln gelange ich nach Kalloni, biege allerdings kurz vor der Stadt zum Kloster Limonos ab, dem größten auf Lesbos, in der eine der bedeutendsten Bibliotheken der griechischen Kirchengeschichte aufbewahrt wird. Eine Männerwelt: Frauen haben bis heute keinen Zutritt in die Hauptkirche und auf den Platz davor. Und die orthodoxen Mönche plagen weltliche Sorgen der Erhalt der imposanten Anlage gestaltet sich aus Geldmangel immer schwieriger.
Am nächsten Tag geht es raus zum Strand beim antiken Andissa, zur Taverne von Dimitrio Kotsini, der früher einmal in Deutschland gearbeitet hat und sich nun freut, seine damals erworbenen Sprachkenntnisse hervorkramen zu können. Seine Taverne ist stets gut gefüllt, zählt auch unter den Einheimischen zu den beliebten Adressen. Sirtaki tönt aus den Lautsprechern griechische Musik, die Lebensfreude, aber gleichzeitig auch Leid und Trauer auszudrücken vermag.
Ein älterer Mann steht auf, rückt ein paar Stühle zur Seite und beginnt zu tanzen, als wäre er Alexis Sorbas. Am Nachbartisch wird spontan mitgeklatscht. Nach dem Lied nimmt das Leben wieder seinen normalen Lauf. Eine Szene, als würde eine Tür geöffnet, durch die ich einen Blick in die griechische Seele werfen darf.
Die griechischen Inseln sind ein wahrlich lohnendes Ziel, wenn es darum geht, bereits im Frühjahr den Sommer zu spüren. Einziges Problem: die lange Anreise.
Anreise
Am bequemsten gelangt man nach Griechenland per Fähre ab Venedig, Triest oder Ancona mit Zielhafen Patras. Von dort sind es rund 200 Kilometer bis in den Hafen von Piräus, von dem die Fähren zu den Inseln der Ägäis ablegen. Alternativ besteht die Möglichkeit, mit der Fähre von Italien ins nordgriechische Igoumenitsa zu schippern und über den Karerpass nach Thessaloniki zu fahren, wo ebenfalls Fähren nach Lesbos verkehren. Tickets sind direkt am Hafen erhältlich. Während der Hauptsaison kann es allerdings zu Engpässen kommen. Abfahrtszeiten und Reservierungen für die innergriechischen Fährverbindungen finden sich unter: www.gtp.gr/RoutesForm.asp. Infos und Fahrpläne über nahezu alle europäischen Fährverbindungen bietet www.ocean24.com.
Reisezeit
Wintermüde Motorradfahrer können auf Lesbos ab Ende März mit angenehmen Temperaturen rechnen. Im Hochsommer wird es sehr heiß; besser zum Fahren eignen sich erst wieder September und Oktober. Die Wintermonate sind oft nasskalt.
Unterkunft
Auf Lesbos besteht vor allem in der Nähe von Stränden und Badeküsten ein gutes Angebot an Übernachtungsmöglichkeiten. Meistens handelt es sich um Appartements, die mit Kochgelegenheit für Selbstversorger ausgestattet sind. Die Preise variieren je nach Jahreszeit; ein Doppelzimmer kostet in der Hauptsaison etwa 25 bis 60 Euro. Einzelzimmer sind dagegen selten zu finden. Campingplätze gibt es nur bei Mithimna und Vatera. Wildes Camping ist offiziell verboten.
Verpflegung
Neben Lamm vom Grill werden überall Gyros, Souvlaki und Bifteki serviert. Dazu gehört ein Salat mit Schafskäse und Olivenöl. An der Küste schmecken natürlich die Fischgerichte am besten. Der Tipp: das Restaurant Anemaessa, das sich direkt am winzigen Hafen von Skala Sikamineas befindet.
Endurowege
Lesbos bietet eine ganze Menge staubiger Pisten für Stollenritter. Die beste Gegend, um sich auf der Enduro auszutoben, findet sich in der Ecke Agiasos, Plomari, Vatera. Das Bergland zwischen Parakila und Vatoussa wird ebenfalls von einem Netz an Pisten durchzogen.
Literatur
Ausschließlich mit der Insel Lesbos befasst sich der 2003 erschienene, gleichnamige Reiseführer aus dem Michael Müller Verlag für 15,90 Euro. »Inselspringer« erhalten ausführliche Infos in »Griechische Inseln«, ebenfalls aus dem Michael Müller Verlag für 22,90 Euro (www.michael-mueller-verlag.de). Speziell für Motorradfahrer gibt es vom Autor dieser Reportage aus der Edition Unterwegs den Band »Griechenland«, Motorbuch Verlag. Er kostet 16 Euro und kann unter www.motorradonline.de bestellt werden. Die Karte »Nr. 212« vom Athener Verlag Road Editions ist das Beste, was es über Lesbos gibt. Im Maßstab 1:70000 sind auch die kleinsten Schotterpisten zu finden. ISBN-Nummer: 960-8481-92-9. Leichter zu beschaffen ist die Karte Lesbos von Freytag & Berndt, ISBN 3850845842, für 7,50 Euro.