Zwei Männer, eine Yamaha DT 80 und der Traum vom legendären Londoner Ace Cafe. Die abgedrehteste Tour von Michael Gasper und Rick Schaunus.
Zwei Männer, eine Yamaha DT 80 und der Traum vom legendären Londoner Ace Cafe. Die abgedrehteste Tour von Michael Gasper und Rick Schaunus.
80 Stundenkilometer sind vielleicht nicht schnell, aber kalt genug, denn es herrschen gerade mal zwei Grad Außentemperatur. Wir sind jetzt schon 1,5 Stunden unterwegs und haben es bis Lüttich geschafft, drei Kolbenklemmern nicht Kolbenfressern zum Trotz. Unterhalb des Bauchnabels fängt bereits alles zu schmerzen an oder wird einfach taub (klasse!). Doch Entspannung ist erst angezeigt, wenn wir auf der Fähre sind, und das dauert noch ein paar Hundert Kilometer. Also weiter Richtung Brüssel. Alle 180 Kilometer ein Tankstopp dabei keine Zeit verlieren, da wir nicht in der Lage sind, welche reinzufahren. An das Gelächter der überholenden Lkw-Fahrer haben wir uns gewöhnt.
Fast zwei Stunden kostete uns das Zicken der Getrenntschmierung zu Beginn der nächtlichen Odyssee. Unsere Ursachenanalyse ergab rein gar nichts. Unschlüssigkeit was tun? Mit Michaels GSX-R fahren oder per Auto? Auf keinen Fall. Kuhfladenausweicher nannten wir die Leute, die das Zusammenbringen von Yamaha DT 80, zwei Personen, London und Ace Cafe in einem Satz für völlig bekloppt hielten. Und jetzt? Das kann es doch nicht gewesen sein. Abbruch vor Antritt wegen Kolbenklemmers die Schande würde nie verjähren. Also Bedenken geknickt und den Kickstarter gekickt. Um halb vier in der Früh gings endlich los, nachdem wir noch einen völlig ahnungslosen Kumpel aus dem Schlaf geklingelt hatten, um ihm zu eröffnen, dass er unser Servicefahr-zeug zu lenken habe: Michaels mit Ersatzteilen bepackten, voll-getankten Caddy.
Erst jetzt, zwischen Brüssel und Gent, realisieren wir, worauf wir uns eingelassen haben: 600 Kilometer im Doppelpack auf einer Yamaha DT 80 LC 2. Das Moped habe ich schon seit Jugendzeiten und eigens für diese Mission wieder ansehnlich sowie TÜV-kom-patibel gemacht. Ein paar Unterschiede lassen sich ausmachen zu meiner Aprilia Mille. Zum Beispiel die Landschaft. Ja, die Landschaft, wie sie in ungeahnter Zähigkeit an einem vorbeifließt. Nie hätten wir gedacht, dass sich die Kilometer so ziehen würden. Hinter Gent erhöht sich die Backenwechsel-Frequenz auf der schmalen, folternden Sitzbank enorm. Aber wenigstens lässt das mulmige Gefühl im Magen nach: kein weiterer Kolbenklemmer bis jetzt. Die DT läuft perfekt. Nur sabbert der linke Gabelholm Öl auf die Bremsscheibe und, noch viel schlimmer, auf mein Hosenbein. Verzögern klappt jedoch noch einigermaßen.
Bei erschwerendem Gegenwind geht es an Ostende vorbei. Lang ersehnt kommen die französische Grenze und die Aus-schilderung „car ferry“ in Sicht. Statt in Calais landen wir zwar in Dünkirchen, macht aber nichts, Hauptsache Fähre! Komisch, dass wir die einzigen Kradler an Bord sind, ist doch erst Anfang November.
Juhu, die englische Küste! Und nach 120 Kilometern Linksverkehr: London. Endlich ein Hotel! Im kompletten Motorradornat knallen wir auf die Betten. Sind einfach nur alle. Fertig. Am Ende. 17 Stunden hat die Anreise gedauert, gar nicht mal so schlecht für 597 Kilometer. Nicht dass der Weg so lang wäre, doch sammelten wir im englischen Moloch durch Ortsunkenntnis „miles and more“.
Freude kommt beim Cholesterinlastigen „traditional breakfast“ auf: Bohnen, Würstchen, Kartoffelstäbchen und Ladungen von Speck. Anschließend knattern wir zum Buckingham Palace, Location für die ersten Beweisfotos. Während wir knipsen, nähert sich schon das zweite Auto, auf dem „Police“ steht, der DT. Die erste Streife, vier Minuten vorher, sagte, es wäre „okay“, Bilder zu „taken“. Doch dieser Wagen ist rot und seine Besatzung zuständig für Terrorabwehr. Den Ordnungshütern ist unser Topcase nicht geheuer: ein völlig verrosteter 20-Liter-Reservekanister mit Scharnier und riesigem Vorhängeschloss. Sie wollen den Inhalt sehen. Zum Vorschein kommen Ersatzteile, Motoröl und eine Dose Sauerkraut unser Gastgeschenk als „Krauts from Germany“ fürs Ace Cafe.
Dann laufen wir in der North Circular Road ein. Woran keiner geglaubt hatte, wird wahr: Die DT-Combo dockt am Londoner Ace Cafe an. Unser Mitbringsel erntet zwar keine große Begeisterung, dafür unsere Tour. Essen und Getränke, „but no beer“ gibts als Anerkennung „for free“. Schließlich dürfen wir in die Werkstatt von Nick Gale, wo die limitierte Auflage des Ace-Cafe-Racers entstehen soll. Weitere Beweisfotos: wir mit Nick, DT vor der Theke des Cafés, Gruppenfoto mit Café-Besitzer Wilmore. Großartig!
Glücklich und stolz knattern wir Richtung Heimat, überstehen einen weiteren Kolbenklemmer und sintflutartigen Regen, bis wir an der belgisch-deutschen Grenze aufgehalten werden. Woher wir kämen, wollen die Zöllner wissen und glauben unserer Antwort nicht. Also Fahrzeugbegutachtung, dann lacht einer der Beamten: „Fahrt weiter!“ Er muss den Aufkleber auf dem Drehzahlmesser gesehen haben: „LINKS DU ARSCH“.