Wer solo auf seinem Motorrad unterwegs ist, muss nicht alleine sein. Die Ausfahrt in Gruppen steigert den Unterhaltungswert und pflegt die Freundschaft. Allerdings können gemein-same Touren auch die Nerven strapazieren, wenn man sich nicht vorher zusammensetzt und klare Verhältnisse schafft.
Zuerst gilt es nicht nur abzuklären, wohin die Reise gehen soll, auch die Streckenführung muss gemeinsam beschlossen werden. Denn diese gibt vor, wie groß das Tagespensum ausfallen kann.
Als Faustregel gilt: Je kleiner, aber auch schöner die Straßen, desto weniger Kilometer sind machbar. Auf fremden, kurvigen Landstraßen können bereits nach 300 Kilometern am Tag Konzentration und Kraft aufgebraucht sein.
Wer sich auf langweiligen Autobahnen und Bundesstraßen die Reifen eckig fahren möchte, kann das Pensum zwar knapp verdoppeln - der Spaß aber halbiert sich.
Bei der Zeitplanung ist auch zu beachten, dass Gruppen eine gewisse Massenträgheit mit sich bringen. Egal ob beim Tanken oder der Kaffeepause, manchmal hat man das Gefühl, die Truppe kommt überhaupt nicht mehr in die Gänge. Deshalb müssen alle Pausen so kompakt wie möglich angelegt werden. Tanken wird mit Visierreinigen und dem Gang zur Toilette verbunden. Kaffeetrinken mit Telefonieren. Oder am besten alles zusammen.
Am geschmeidigsten läuft es beim Spritfassen, wenn nicht jeder eine Zapfsäule in Beschlag nimmt, sondern die Gruppe an einer Zapfstelle reihum betankt wird. Der Scout tankt als erster und befüllt danach jedes Motorrad ohne einzuhängen. Eine zweite Person führt auf einem kleinen Notizblock Buch. Das sieht dann so aus: Karl 17,55 Euro, Peter 32,17 Euro, Sonja 47,15 Euro und so weiter. Die Gesamtrechnung übernimmt der Scout, der sie vor dem Abendessen auseinandersubtrahiert. Oder es wird vorher eine gemeinsame Kasse angelegt.
Der alles entscheidende Faktor für eine reibungsfreie und spaßige Ausfahrt ist allerdings die Strecke selbst. Wer über Land fährt, sollte Städte und Ballungszentren meiden, weil sich dort die meisten Gruppen in Wohlgefallen auflösen. Die Grünphasen sind zu kurz, die Staus zu lang und Haltemöglichkeiten oft sehr beschränkt.
Ist die Gruppe erst einmal auseinander-gerissen, verrinnt die Zeit mit nervigem Warten und Telefonieren.
Gut, wenn man für solche Fälle jeden Einzelnen mit einem übersichtlichen Roadbook ausgestattet hat, in dem etwa alle 50 Kilometer ein markanter Treffpunkt vermerkt ist. Also einfach gemütlich bis dorthin weiterfahren, denn meist schließen die Nachzügler auf freier Strecke bereits auf.
Bei der Gruppeneinteilung gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Können sich die Schnellen unterordnen, ist eine Mischung aus Routiniers und Ungeübten eine gute Lösung, damit man am vorausfahrenden Könner Linienwahl, Kurvengeschwindigkeit und Fahrstil abkupfern kann. Andererseits können diese mögliche Fahrfehler und falsche Linienwahl erkennen und in den Pausen ansprechen.
Ausnahmen sind längere, sehr kurvige Streckenabschnitte, in denen jeder sein Tempo fährt. Also brettern die Schnellen voraus und warten an markanten Abzweigungen auf den Rest der Gruppe. Nur so ist garantiert, dass jeder seinen Spaß am Kurvenfahren findet.
Jahn
Versetztes Fahren erlaubt es, sich ein eigenes Urteil über die Verkehrssituation zu bilden und entsprechend zu reagieren. Zudem bleibt die Möglichkeit, bei Sturz oder Notbremsung des Vordermanns auszuweichen.
Anzahl und Rhythmus der Pausen müssen mit dem Scout abgesprochen werden. Geht man davon aus, dass der Führende ein geübter Fahrensmann ist, ist es für diesen ein Klacks, eine Tankfüllung am Stück abzureißen, während die restliche Truppe ein Päuschen gut gebrauchen könnte.
Und überhaupt kommt dem Scout eine ganze Menge Verantwortung zu. Er muss sich die Strecke so zurechtlegen, dass nicht an jeder Abzweigung ein Orientierungsstopp die Gruppe zum Stillstand zwingt, sondern auch versteckte Abzweigungen zügig erkannt und rechtzeitig durch Blinksignale angezeigt werden.
Ob er dies mittels Navigationsgerät, Landkarte oder Roadbook macht, ist wurscht, Hauptsache es flutscht. Kleiner Tipp: Professionelle Scouts „fahren“ die Strecke vorher auf Google Earth ab, um sich über Merkmale der Landschaft, Ansiedlungen oder Besonderheiten der Strecke zu informieren und diese Punkte im Roadbook zu vermerken.
Der Scout übernimmt nicht nur die Führung der Gruppe, sondern auch eine ganze Portion Verantwortung. Er ist der Fahrer, der die Strecke am besten einsieht und die jeweilige Verkehrssituation entsprechend gut einschätzen kann. Mit vorher abgemachten Signalen per Hand oder über das kurze, doppelte Antupfen der Bremse kann er die nachfolgenden Fahrer warnen. Traktoren, die unvermittelt aus der Hofeinfahrt die Straße kreuzen, orientierungslose Linksabbieger oder paarweise auftretende Rennradler - mit dem kurzen Bremslichtsignal kann man die Gruppe rechtzeitig in Alarmbereitschaft versetzen. Auch deutliche Ausweichbewegungen, zum Beispiel bei Rollsplit, sind Hinweise auf Stolperfallen.
Eine weitere Aufgabe kommt dem Führungspersonal zu, wenn es darum geht, Tempo und Kurvengeschwindigkeit so zu dosieren, dass keiner an oder über seine Grenzen gehen muss, um den Anschluss nicht zu verlieren. Dabei ist nicht nur das fahrerische Können der Gruppenmitglieder zu berücksichtigen, sondern auch Motorleistung und Fahrverhalten der oft sehr unterschiedlichen Motorräder. Einfache Regel: Die am stärksten motorisierten Bikes bilden, wenn ihre Fahrer entsprechend routiniert sind, den Abschluss der Gruppe. Sie können zum Beispiel beim Überholen und auf übersichtlichen Streckenabschnitten die Lücken relativ locker zufahren, während ein 34-PS-Motorrad als Schlusslicht bis zum Anschlag geprügelt werden muss, um dranzubleiben.
Jahn
Aufgereiht wie an einer Perlenkette - ohne Drängeln und Schieben - macht Gruppenfahren sicherer.
Um Ausrutscher und Unfälle zu vermeiden, ist es besonders bei nasser Fahrbahn wichtig, sein Tempo mit genügend Sicherheitsreserven zu wählen. Allein schon eine unterschiedlich griffige Bereifung kann es ausmachen, dass der Vorausfahrende locker und ohne Probleme seine Bahn zieht, während der Hintermann schlingernd und in permanenter Sturzgefahr hinterherhetzt.
Etwas Disziplin ist auch beim Thema Sicherheitsabstand gefordert. Wer beim Vorausfahrenden die Prüfnummer im Rücklichtglas lesen kann, beschwört bei der kleinsten Unachtsamkeit oder einer Vollbremsung eine Karambolage herauf. Auch eine zu große Lücke sorgt für Unruhe, da die vorausfahrende Meute ständig im Rückspiegel die Landschaft nach den Nachzüglern absuchen muss und so abgelenkt ist.
Die wichtigste Regel beim Gruppen-fahren aber muss jeder für sich und streng nach eigener Fähigkeit und Erfahrung beachten: Risiko und Tempo selbst einschätzen und dosieren. Einfach zum Überholen ansetzen, weil es der Vordermann auch tut, ohne die Verkehrslage vorher selbst zu durchschauen, kann ebenso böse enden wie das überzogene Kurvenschneiden bis auf die Gegenfahrbahn, um den Anschluss nicht zu verlieren. Besonders Fahranfänger geben sich gern dem Trugschluss hin, wenns beim Vordermann reicht, reichts bei mir auch. Blödsinn, denn wenn der Vordermann einen Fehler noch bemerken und korrigieren kann, bleibt dem Folgenden oft keine Zeit mehr dafür, und dann kanns scheppern. Darum: Auch in der Gruppe ist jeder für sich selbst verantwortlich.