Mit dem Motorrad quer durch Afrika

Motorradreise in Afrika Mit dem Motorrad quer durch Afrika

Mitte des 19. Jahrhunderts lag Afrika mit seinen Geheimnissen und Schätzen im Fokus von Kaufleuten, Wissenschaftlern und Militärs. Auch Deutsche hinterließen beim Kampf um die Reichtümer Spuren, denen Dirk Schäfer und zwei französische Freunde folgten.

Mit dem Motorrad quer durch Afrika Bild: Schäfer
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Startpunkt Swakopmund. Hinter uns brechen die Wellen des Atlantiks tosend an die namibische Küste. Vor uns liegen geschätzt 10000 Kilometer quer durch den afrikanischen Kontinent bis nach Mombasa am Indischen Ozean. Noch vor 100 Jahren hätten die Endpunkte unserer Reise Deutsch-Südwestafrika und Deutsch-Ostafrika geheißen, und vermutlich wären wir damals nie in Mombasa angekommen. Doch auch im 21. Jahrhundert wird es keine Spazierfahrt werden, denn es droht die Regenzeit. Dass unser Vorwärtsdrang allerdings bereits am ersten Tag drastisch eingebremst wird, hätten weder Thierry noch Raoul oder ich erwartet. Schuld ist die Zeila. Aber davon gleich mehr.

Am Anfang von allem steht ein Bremer Kaufmann: Adolf Lüderitz. Vor 130 Jahren erwarb er im äußersten Südwesten Afrikas ein Stück Land. Nicht immer legal erweiterte er seine Besitzungen und ließ sie schließlich unter den Schutz des Kaisers stellen. Deutsch-Südwestafrika war geboren. Aber Lüderitz träumte von mehr: Sein Stück Land sollte mit der deutschen Kolonie in Ostafrika, im heutigen Tansania, zu einer deutschen Achse durch Afrika vereinigt werden. Mit allen Mitteln versuchten er und viele andere, diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Die brettharte Salzpiste entlang der Skelettküste bringt uns nach Norden. Sie hält mit Recht respektvollen Abstand zum rauen Atlantik. Schwere Prob-leme plagten auch die ersten Deutschen, die vom Nachschub über das Meer abhingen. Schiffe, die entlang der 1000 Kilometer langen Küste in Seenot gerieten, waren verloren. Zu allem Übel grenzt die Namibwüste an den wilden Ozean. Konnten sich die Besatzungen an Land retten, waren sie spätestens in der erbarmungslosen Namibwüste dem Tod geweiht. Die zahllosen zu Skeletten verrottenden Schiffwracks verliehen der Küste ihren Namen. Eines dieser Wracks ist die Zeila. Wir hatten es schon von Weitem gesehen. Mitten in der Brandung, lediglich 100 Meter vom Strand entfernt, ist die Zeila vor vier Jahren aufgelaufen. Von unserem Standpunkt aus sieht das Schiff noch fast intakt aus. Wir schießen ein paar Fotos und wollen zurück zur Salzpiste.

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Doch jetzt packt der sandige Griff der Namib zu und wir versinken in gelbem Puder. Thierry setzt auf Drehzahlorgien im Ersten, meine 800er kommt gar nicht erst in Schwung. Ich ächze wie ein 80-Jähriger beim Treppensteigen. Nur Raoul auf der steinalten Transalp schlingert der rettenden Piste entgegen. Ausgerechnet die Honda mit ihren 160000 Kilometern auf der Uhr. Mit dem steinigen Damara-Bergland versickern die Erinnerungen an den Atlantik, an den Sand. Auf herrlichen Pisten schweben wir förmlich im Parallelflug weiter nach Norden. Wie eine Reihe strenger Zipfelmützen reihen sich die Berge am Horizont. Das rötliche Ocker der Erde schlägt sich bald auf den Motorrädern und unseren Gesichtern nieder. Mächtige Oryxantilopen ziehen vorbei, eine Giraffe stolziert zwischen vulkani-schem Geröll umher. In dieser Landschaft vergeht die Bedeutung von Zeit. Zwei Tage später sehen wir über dem sengenden Horizont das Plateau des Waterbergs flirren, und das Geschichtsbuch der Kolonialzeit schlägt eines seiner düstersten Kapitel auf: Der Stamm der Herero hatte immer mehr Weideland an weiße Siedler verloren und Demütigungen hinnehmen müssen. Es kam zum Aufstand und zur Schlacht am Waterberg. Zwar wurden die Herero von der deutschen Schutztruppe besiegt, aber das war nicht genug: General von Trotha wollte sie vernichten. Er ließ die Überlebenden zu Tausenden in die Kalahariwüste entkommen und ihnen so lange nachsetzen, bis sie verdurstet waren.

Schäfer
Imposantes Reise-Highlight: die Victoria-Wasserfälle in Sambia.

In Sambia hat die Regenzeit bereits begonnen. Der Sambesi-Zufluss zu den Victoriafällen ist schon stark angeschwollen, und an zügiges Vorankommen wie eben noch in Namibia ist abseits der Hauptrouten nicht mehr zu denken. Aber nicht nur die glitschigen Pisten drücken auf den Reiseschnitt in Richtung Victoriafälle. Laufend verzweigt sich die Piste, und weder Karte noch GPS halten uns auf Kurs. Letztlich sind es die Victoriafälle selbst, die uns mit ihrer mehrere Hundert Meter hoch aufsteigenden Gischt den Weg weisen. Mosioa-Tunya, donnernder Rauch, nennen die Einheimischen das Phänomen. Wie treffend der Name ist, spüren wir gegen-über der Abbruchkante der Victoriafälle: 110 Millionen Liter Wasser pro Sekunde stürzen auf einer Breite von 17 Fußballfeldern in die Batokaschlucht. Die andauernde Wasserflut ist so energiereich wie zwölf Kraftwerke und entlädt sich in einer Gischtfontäne, die man schon aus 30 Kilometer Entfernung sieht. Keine Frage: Hier pulst das Herz Afrikas! Der Tanganyikasee im Norden Sambias ist unser nächstes Ziel. Er alleine wäre schon Grund genug für eine Reise, aber uns interessiert ein Schiff, das seit 100 Jahren auf ihm verkehrt. Heute heißt der Dampfer Liemba. Als er in Papenburg an der Ems gebaut wurde, taufte man ihn „Graf Goetzen“. In 5000 Kisten transportierte man ihn von Deutschland erst an die tansanische Küste nach Dar-es-Salam und dann zum Tanganyikasee, wo man ihn zusammenbaute. Zweimal wurde die Liemba versenkt, zweimal wurde sie geborgen und wieder flottgemacht. Aber zunächst müssen wir uns selber wieder flottmachen. Besser gesagt, Raouls Transalp. Wir hatten schon damit gerechnet, dass die betagte 600er die Reise nicht überlebt. Heute Morgen kollabiert eines der hinteren Radlager. Raoul schlingert wie neulich an der Skelettküste. Bis ins Straßendorf Kapiri Mposchi schleppt sich die Transe noch, dann ist endgültig Feier-abend. Hier ein Radlager für eine Honda Baujahr 1996 zu finden ist völlig aus-geschlossen. In unserer Verzweiflung fragen wir trotzdem herum. Ein Metallwarenhändler will die Nummer des Lagers wissen und taucht fünf Minuten später kopf-schüttelnd aus einem Wust an Kartons und Kleinteilen auf. Er habe zwei Lager in der passenden Größe: ein offenes und ein geschlossenes. Afrika ist immer noch voller Wunder.

Der Tanganyikasee ist jetzt zum Greifen nah. Mit der greisen Liemba wollen wir nach Tansania übersetzen. Wir folgen der Empfehlung eines Engländers zur wunderbaren Isanga Bay am Tanganyikasee. Nur 18 Kilometer trennen uns von der als paradiesisch beschriebenen Bucht. Wie lange braucht man wohl für 18 Kilometer Piste? Eine Stunde? Wie zäher Kuchenteig verkleistert der Schlamm erst die Reifen und verkeilt sich dann unter den Schutzblechen zu einer betonharten Masse. Mit den blockierten Vorderrädern geht es nur noch meterweise vorwärts. Damit sich die Räder wieder frei drehen können, müssen die Schutzbleche an Raouls Transalp und Thierrys 1200er demontiert werden. Leider sind die Schrauben an der BMW vom Schlamm wie festgebacken. Es ist schon lange dunkel, und noch immer liegen zwölf Kilometer vor uns. Es wird eine lange Nacht.

Ich weiß nicht mehr, wann wir in Isanga Bay angekommen sind, aber der Engländer hat nicht übertrieben. Es ist ein Paradies am zweitgrößten Süßwassersee der Welt. Unter Palmen relaxen wir einen Tag und sinnieren, wie wir von hier wieder wegkommen, ohne die vermaledeite Piste noch einmal fahren zu müssen. Unsere Gastgeber, Nicolene und Dirk Otto, haben die Idee mit der Fähre. Nicht die Liemba, sondern eine gecharterte Fähre. Wir handeln am Telefon den Preis aus, und eine halbe Stunde später legt unsere „Fähre“, die eher an einen verrottenden Einbaum erinnert, am Strand von Isanga Bay an. Kopfüber liegen unsere Enduros in der Nussschale, und nur eine Handbreit trennt den Bootsrand von der Wasseroberfläche. Eine kleine Welle und wir kentern. Wäre quasi eine Seebestattung unserer Bikes. Für die Transalp nach ihrem langen Motorradleben sogar ein würdiger Abschied. Doch mit jeder Minute auf dem ruhigen See lässt die anfängliche Skepsis gegenüber unserer „Fähre“ nach. Gegen eine vollständige Entspannung an Bord spricht nur ein Leck, das ständige Aufmerksamkeit erfordert. Die Passage mit dem deutschen Dampfer hat sich ohnehin inzwischen zerschlagen, denn die Liemba bringt gerade Flüchtlinge aus dem Kongo zurück in ihre Heimat und hinkt dem Fahrplan eine Woche hinterher.

Schäfer
Ölwechsel am Wegesrand in Dodoma (Tansania).

Am winzigen Grenzposten von Kasesia knallen die Stempel in unsere Pässe, willkommen in Tansania! Wäre es nach Adolf Lüderitz gegangen, hätten sich hier die deutschen Kolonien vereint. Aber das Pendel des Schicksals schlug in eine andere Richtung. 1918 kapitulierte hier die letzte deutsche Einheit. Lüderitz’ Traum war zu Ende geträumt. Vorbei am Rungwe-Vulkan treiben Regenwolken über die Missions-station. Zur Überraschung aller steht dort ein äußerst seltenes Motorrad: eine Honda FTR zwei-zwei-drei. Yves, der Besitzer, ist Schweizer und arbeitet für das Missionsmuseum. Seine Zeit in Tansania geht dem Ende zu, und er will den Heimweg mit seinem Motorrad machen. Zu seinen größeren Sorgen gehören der bescheidene Sieben-Liter-Tank und die Regenzeit. Jeden Nachmittag öffnet der Himmel jetzt die Schleusen. Yves kann noch warten. Wir nicht. Tansanias größte Stadt ist Dar-es-Salam. Zur Hauptstadt aber wurde 1974 das zentral gelegene Dodoma. 1904 hatte das Kaiserreich den Bau einer 1200 Kilometer langen Eisenbahnlinie von Dar-es-Salam an der Küste bis an den Tanganjikasee begonnen. Damals war Dodoma nicht mehr als ein Haltepunkt auf der 58-stündigen Reise. Auch heute noch zelebrieren die Züge die Kunst der entschleunigten Fortbewegung.

Auf dem Weg nach Arusha und zur kenianischen Grenze erleben wir eine wüste Schlammschlacht. Nein, nicht wie die von Isanga Bay. Diesmal fließt die Schlammbrühe artig aus den Reifenporen. Die eigentliche Herausforderung besteht in der Bewäl-tigung der schlammgefüllten Schlaglöcher. Meine 800er versinkt mehr als einmal mit beiden Rädern komplett in der Suhle, die 1200er fällt regelrecht hinein. Das Reisetempo sinkt auf Schrittgeschwindigkeit, der Kilimandscharo nähert sich quälend langsam. 1889 bestieg der Leipziger Geograf Hans Meyer den höchsten Berg Afrikas, nahm ihn mit einem Fähnchen für die Heimat in Besitz und nannte ihn Kaiser-Wilhelm-Spitze.

Die Regenzeit hat Kenia im Jahr 2011 nicht erreicht. Die tiefroten Pisten am Kilimandscharo wirbeln so viel Staub auf, dass wir kilometerweit Abstand voneinander halten müssen. Trotzdem, Mombasa ist nicht mehr fern, und nach fünf Wochen und 12000 Kilometern quer durch Afrika erreichen wir bei Tiwi-Beach den Indischen Ozean. Am Strand entzünden wir ein kleines Feuer. Im tiefseeblauen Nachthimmel schimmert eine Armada von Sternen. Durch den Schein des Feuers schweift im Kopf der Blick zurück auf die ersten Europäer, die nach Afrika kamen: Lüderitz, von Trotha, Meyer, aber auch Livingstone, Stanley und all die anderen. Es waren Missionare, Kaufleute, Soldaten und Abenteurer, die das Bild Afrikas gewandelt haben. Ihre Träume wurden für viele zum Albtraum. Heute ist der Kontinent reif für einen neuen Traum. Den Traum von einem besseren Afrika für alle.

Infos

Werel
Reisedauer. 35 Tage. Gefahrene Strecke: 12000 Kilometer.

Anreise/Reisezeit:
Sowohl Namibia als auch Kenia sind in weiten Bereichen touristisch erschlossen und werden von zahlreichen europäischen Fluglinien bedient. Weil sowohl Windhoek in Namibia als auch Mombasa in Kenia von der Air Berlin (www.airberlin.de) angeflogen werden, haben wir Flüge ab/nach München gebucht. Um die Motor-räder zu transportieren, nutzten wir das Angebot der Firma Leisure Cargo (www.leisurecargo.com). Die Motorräder flogen jeweils im gleichen Flugzeug wie wir. Besonders die afrikanischen Regenzeiten können den Reiseverlauf erheblich beeinflussen. Die Kenntnis über Beginn und Ende der regional sehr unterschiedlich einsetzenden Regenfälle ist hilfreich. Im Extremfall ist man auf Fahrten entlang der wenigen asphaltierten Hauptrouten angewiesen. Nicht nur wegen der Regenzeit ist wasserdichte Kleidung ebenso ratsam wie warme Klamotten. Besonders an der namibischen Küste kann es empfindlich kalt werden.

Die Strecke:
Von Swakopmund bis Mombasa haben wir 12000 Kilometer zurückgelegt. Die asphaltierten Etappen sind fast anspruchslos. Nur die oft großen Schlaglöcher, vor allem zwischen der sambischen Grenze und den Victoriafällen, zwingen zur Aufmerksamkeit. In Namibia sind selbst viele Hauptrouten nicht asphaltiert. Der Pistenzustand ist aber häufig gut bis ausgezeichnet. Viele Pisten in den Nationalparks waren wegen der Regenzeit gesperrt. Aufgeweichte Pisten erfordern Kondition und vor allem Zeit. Selbst flache Strecken können zu unüberwindbaren Hindernissen werden.

Übernachten:
Besonders an den touristischen Hotspots herrscht kein Mangel an Unterkünften unterschiedlicher Qualitätsstandards. Auch auf dem Land findet man fast immer Herbergen. Ein europäisches Niveau sollte man nicht voraussetzen. Empfehlenswerte Unterkünfte waren für uns die Windhoek Mountain Lodge (www.windhoek-lodge.com), das Hotel Adler in Swakopmund (www.natron.net/adler) und am Lake Tanganyika die Lodge mit Campingplatz (www.isangabay.com). In Sultan Hamud/Kenia waren wir im Miryam Village Inn (www.miryamvillageinn.co.ke) gern gesehene Gäste. Der Campingplatz am Tiwi-Beach, 17 Kilometer südwestlich von Mombasa, ist Treffpunkt vieler Transafrika-Reisender mit wunderbarem Strand und günstigen Preisen.

Aktivitäten:
Mit Sicherheit denken viele sofort an Safaris, wenn es um Afrika geht. Das nötige Kleingeld vorausgesetzt, sind Flugsafaris in Namibia, Ultraleichtflüge über die Victoriafälle oder Ballonsafaris über Kenias Massai-Mara unvergessliche Erlebnisse (www.maraballooning.com). Wer mehr Adrenalin in der Blutbahn möchte, kann an den Victoriafällen Bungee springen, mit dem Kanu durchs Wildwasser fah-ren, mit dem Flying Fox über die Batokaschlucht gondeln oder, oder, oder.

Karten:
Die Michelin-Karte 746 ist für den groben Überblick und die Haupt-verbindungsstrecken ausreichend. Detailliertere Infos für das GPS haben wir über Tracks4Africa (www.tracks4africa.co.za) bezogen.

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