Einmal zum nördlichsten Punkt Europas fahren – sehnsuchtsvoller Traum vieler Motorradreisender. Honda hat ihn uns erfüllt: mit der Africa Twin zum Nordkap.
Einmal zum nördlichsten Punkt Europas fahren – sehnsuchtsvoller Traum vieler Motorradreisender. Honda hat ihn uns erfüllt: mit der Africa Twin zum Nordkap.
Manche Momente im Leben sind so schön, dass sie unwahr wirken. Unecht. Es fühlt sich dann an wie Halbschlaf, der seltsame Schwebezustand zwischen Wachsein und Traum. Die Wahrnehmung für Raum und Zeit verändert sich. Völlig vereinnahmt vom Dasein verschwindet das Ich. Das ist dann, als ob das Universum sich selbst beim Tanzen beobachtet. Jetzt ist so ein Moment.
Schauplatz: Ein abgelegener Campingplatz auf den sowieso abgelegenen Lofoten. Die Uhr zeigt 1.30, doch nördlich des Polarkreises denkt die Mittsommersonne in jener längsten Woche des Jahres auch zu dieser Stunde nicht daran, unterzugehen. Stattdessen sinkt der verrückt gewordene Stern nur kurz herab, küsst am Horizont den Ozean und steigt wieder auf. Heizt weiter den Strand auf behagliche 25 Grad, taucht Indianerzelte, vierzig Africa Twins und ihre abgekämpften Reiter in tiefgoldenes Schlafzimmertapeten-Romantiklicht. Nahe der Brandung lodert ein Leuchtfeuer, zwei bezaubernde Norwegerinnen liefern mit Gitarre und Geige den passenden Soundtrack. Fahrer aus aller Herren Länder tauschen die Geschichten eines langen, ereignisreichen Tages aus. Engländer, Spanier, Franzosen, Italiener, Deutsche, Belgier, Polen, Tschechen, Portugiesen, Japaner, Indonesier. Babylonisches Sprachengewirr, doch das Wichtige sagt sich sowieso wortlos. Strahlende Augen, lachende Gesichter, beseelte Menschen. Dahinter ewiges Meeresrauschen als Echo der Unendlichkeit.
Was davor geschah: Wir haben unsere Koffer gepackt mit Adventure-Gore-Tex, wasserdichten Handschuhen, jeder Menge Thermo-und Regenzeug, Gepäckrolle, Schlafsack, Mückenspray, Kamera, Taschenlampe, Multitool, Warnweste und allem, was man sonst so meint, an Abenteuerutensilien zu brauchen. Wir sind voller Vorfreude nach Oslo geflogen, haben die anderen Journalisten, Blogger, Schauspieler beschnuppert, haben Paulo Gonçalves die Hand geschüttelt. Haben uns eine Tricolore-Africa Twin mit DSG und Koffern ausgewählt, haben Sack und Pack darin verstaut – oder es zumindest so aussehen lassen – und das Gepäck heimlich ins Begleitfahrzeug gegeben. Wir haben gestaunt: Vierzig Fahrer, dazu Tourguides, Marshalls, Mechaniker, Filmcrew, Fotografen, Ärztin, Koch – eine Mammut-Unternehmung. Wir haben uns die Augen gerieben, als es schon auf Höhe Oslo nachts nicht mehr dunkel wurde. Wir sind vor laufenden Kameras losgefahren, ein bisschen stolz, Teil von so etwas Riesigem sein zu dürfen, immer dem Pfeil unseres digitalen Roadbooks hinterher, dass uns an jedem langen Tag ein großes Stück weiter Richtung Alta dirigiert hat.
Wir haben schon nach einer Stunde die schiere Leere, die unendliche Ruhe ausstrahlende Weite dieses wunderschönen Norwegens in uns aufgesogen, haben Rentiersuppe gegessen. Und sind weitergefahren: durch Wälder, Fjorde, Tunnel, auf Fähren hinauf und wieder hinaus. Geiranger und Trollstigen, dann die Atlantikstraße entlang und über die berühmte Storseisundbrücke. Wir sind abends eingekehrt mit mürbem Sitzfleisch, und es war gut. Wir sind jeden morgen aufs neue aufgebrochen, sind durch waldige, felsige, weiß-gelb-blau-lila blühende Landschaften gerollt, durch Sonne, Regen, Graupel, Schnee und Hagel. Meistens haben wir uns penibel an die Tempolimits gehalten. Wir haben viele Wohnmobile überholt.
Wir haben gestaunt, an Wasserfällen pausiert, gemeinsam noch mehr gestaunt, dann fotografiert, gefilmt, Speicherkarten gewechselt, Interviews gegeben. Gehashtaggt, geshared, geliked, kommentiert, eine digitale Welle gemacht. Wir haben gewitzelt, als die erste Drohne abgestürzt ist und geklatscht bei der zweiten. Abends haben wir gemeinsam den Tag Revue passieren lassen und Tränen gelacht bei 10-Euro-Hotelbier. Wir haben die Africa Twin als formidables Kilometerfresser-Werkzeug lieben gelernt und die These aufgestellt, dass es sich mit dem DSG verhält wie mit Maggi: Man liebt es oder man hasst es. Einer ist mit vollem Topcase losgefahren und ohne angekommen, wir fragen uns bis heute, wo es wohl geblieben sein mag? Wir haben Bluetooth-Headsets miteinander gekoppelt und unterm Helm ausdauernd geklönt. Wir sind stundenlang einfach nur so nach Norden gerollt und hatten viel Zeit den eigenen Gedanken nachzuhängen. Wir haben tiefe meditative Zustände erreicht und uns gefragt, wie zum Geier man all das den Zuhausegebliebenen auch nur im Ansatz vermitteln kann. Irgendwann dämmerte uns, dass das Abenteuer bei so vielen Fahrern und so viel perfekter Organisation im Hintergrund zwangsläufig auf der Strecke bleiben muss. Wir lernten, diese Unternehmung als das zu sehen, was sie ist: eine sorgfältig organisierte Reise. Wir haben die Norweger kennen und lieben gelernt, ihre besonnene, ausgeglichene Art, in der sich auf seltsame Art und Weise die Ruhe der Natur widerspiegelt. Wir haben uns gefragt, wie es wohl anzustellen wäre, hier ein paar Jahre lang zu leben. Die Indonesier haben ihren ersten Schnee gesehen, und im nächsten Moment ihre erste Schneeballschlacht erlebt: erwachsene Männer in kindlicher Ekstase. Wir haben einen Gletscher besucht und waren traurig, weil er in zwanzig Jahren nicht mehr da sein wird. Wir haben sehr viel Benzin in Tanks fließen lassen. Manchmal haben wir uns nach dem tieferen Sinn dieser Unternehmung gefragt: Sind wir nur Erfüllungsgehilfen einer perfekt geölten Medienmaschinerie, herbeigekarrt, um etwas von der Magie des großen Abenteuers auf ein industrielles Produkt abzureiben, auf das dieses noch ein wenig abenteuriger werde und sich noch ein wenig besser verkaufe? Klar weiß auch Honda um die Macht eines Traums. Dann haben wir beschlossen, weniger zynisch zu sein und diese Wahnsinnsreise einfach nur zu genießen. Wir sind als Fremde losgefahren, haben gemeinsam etwas erlebt, uns von der Straße als Gruppe zusammenschweißen lassen. Wir haben Freundschaften geschlossen und sind sehr, sehr viel Motorrad gefahren
All das wäre schon weit mehr als genug, doch dann war ja noch die Kleinigkeit mit dem eigentlichen Ziel. Nach insgesamt acht Tagen und rund 3500 unvergesslichen Kilometern sind wir am (beinahe) nördlichsten Punkt Europas angelangt. Und noch einer von diesen unwirklichen, schwer zu fassenden Momenten. Doch zugegeben: Was wir erlebt haben, repräsentiert nur einen Teil der ganz großen Sehnsuchts-Fahrt: Wer aus der Mitte Deutschlands heraus hierhoch fährt (und wieder nach Hause!) legt leicht die doppelte Strecke zurück, ist leicht doppelt so lange unterwegs. Und verwirklicht dann den wohl eigentlichen Nordkap-Traum.
Also: Es war kein Abenteuer, sondern eine fantastische Reise. Die Africa Twin war fehlerlos. Aber das hat es nicht unbedingt gebraucht: Es hat kein 21-Zoll-Vorderrad gebraucht, kein DSG, keinen Begleittross, kein elektronisches Roadbook, keinen GPS-Tracker. Was es braucht: ein Motorrad, und den Willen loszufahren. Am besten, Sie probieren es einmal selbst aus!