Mit dem Motorrad quer durch die Türkei

Motorradreise: Türkei Mit dem Motorrad quer durch die Türkei

Einmal quer durch die Türkei. Fast eine Weltreise, denn das Land ist eine Welt für sich: Idyllische Küsten, verwegene Straßen, landschaftliche Vielfalt, uralte Kulturgüter und extrem gastfreundliche Menschen würzen die Tour.

Mit dem Motorrad quer durch die Türkei Kirchgeßner

Wir sind fast da, fast. Wären da nicht diese Metallschranke vor, der Automat der Mautstation neben und eine kilometerlange Autoschlange hinter uns. Ein denkbar ungünstiger Ort für all diejenigen, die nicht im Besitz einer entsprechenden Magnetkarte sind. Eigentlich wollten wir bei einem der Zahlhäuschen für Bargeld landen, doch der dichte Verkehr auf der Istanbuler Stadtautobahn und insbesondere unsere Unwissenheit haben uns nun in diese missliche Lage gebracht. Ein findiger Magnetkartenverkäufer, sicher durch das immer lauter werdende Hupkonzert auf uns aufmerksam geworden, wittert sein Geschäft. Die Insassen der folgenden Autos regen sich furchtbar auf. Noch ehe ich es begreife, öffnet sich plötzlich der Schlagbaum und der Mann im smarten Anzug, der so plötzlich aufgetaucht ist, setzt zum Hürdenlauf über mehrere Absperrungen zurück zu seinem Wagen an. Noch ein kurzes Winken, dann ist er weg. Er hat unsere Situation erkannt und spontan unsere Mautschulden beglichen. Unser Weg ist frei und führt nun mitten hinein in die Zwölf-Millionen-Metropole. Wir tauschen Endurostiefel gegen Straßenschuhe und mischen uns in das Leben der Stadt am Bosporus. Die Meer-enge ist eine Schlagader Istanbuls. Eine Vielzahl von großen und kleinen Schiffen kreuzt ständig den Strom, bringt Berufspendler zurück nach Hause oder schippert Touristen die Ufer entlang. Bevor wir die großen Besuchermagnete wie Hagia Sophia oder die Blaue Moschee aufsuchen, nutzen wir den Wasserweg, um einen besseren Eindruck von der zwischen Europa und Asien geteilten Stadt zu bekommen.

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Motorradreise: Türkei Mit dem Motorrad quer durch die Türkei
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Nach ein paar Tagen Stadtleben befreien wir die Motorräder von einer dicken Staubschicht und reihen uns in die verstopften Ausfallstraßen Richtung Osten ein. Bei Sapanca verlassen wir das breite Asphaltband. Es geht Richtung Südwesten, hinein ins westanatolische Binnenland. Die Landschaft wird hügelig, teilweise bergig. Auf der Straße ist wenig los. Wir passieren einzelne Traktorgespanne, die die letzte Ernte von den sonnenverbrannten Feldern einbringen. Weiße Schilder mit den Namen kleiner Ortschaften haben unsere Aufmerksamkeit geweckt. Folgt man ihnen, so kann man sich durch das ganze Repertoire türkischen Straßenbaus zappen. Irgendwann verbinden nur noch Schotterpisten die einzelnen Siedlungen. Kinder winken uns begeistert zu. Ein Schäfer grüßt freundlich, als wir seine Herde passieren. Sein Hund, ein riesiger Kangal, lässt uns nicht aus den Augen. Mit seinem mit fingerlangen Eisenstacheln besetzten Halsband sieht er wirklich Furcht einflößend aus. Als die Schatten länger werden, lassen wir uns auf einem abgeernteten Feld nieder. Weit und breit keine Menschenseele. Nur ein paar Hunde bellen in der Ferne den Vollmond an. Ich muss an den Kangal denken und finde nur schwer in den Schlaf.

In Eskisehir wollen wir unsere Vorräte auffüllen und halten Ausschau nach einem größeren Supermarkt. Rechts ab, dann wieder links. Plötzlich ist da eine rote Ampel in der Kurve. Ich bremse hart, versuche mich rechts zu halten, um Ellen, die gerade noch dicht hinter mir war, etwas Platz zu verschaffen. Ein Motor heult auf und Ellen schlittert, halb unter ihrer Maschine liegend, in den Bordstein. Sie hat das Pech, dass sich etliche kleine Öltröpfchen genau in ihrer Spur niedergelassen haben. Ich rechne schon mit diversen Knochenbrüchen, doch wir haben riesiges Glück. Ein angeknackster Vorderradfender, diverse Kratzer an der Maschine und ein sich schnell entwickelndes Farbenspiel am rechten Oberschenkel scheinen die einzigen Folgen des Abflugs zu sein.

Kirchgessner
Weltberühmter Touristenmagnet - die Blaue Moschee in Istanbul.

Bei Pamukkale erreicht die Quecksilbersäule fast die 40-Grad-Marke. Das Naturschauspiel der weißen Kalksinterterrassen wollen wir uns aber nicht entgehen lassen und stapfen zusammen mit Hunderten anderer Touristen barfuß die nassen Abhänge hinauf. Schließlich erliegen wir der Sehnsucht nach Abkühlung und brechen Richtung Meer nach Süden auf. An der lykischen Küste werden wir fündig. Gerade als wir die Unterkunft erreichen, setzt heftiger Regen ein. Wir sind bei Patara gelandet, einem ruhigen Örtchen mit traumhaft schönem Strand, 16 Kilometer lang und 400 Meter breit. Das Verbot jeglicher Bebauung verdankt der Küstenabschnitt der Caretta Caretta, einer Meeresschildkrötenart, die die Sanddünen der Gegend als Eiablagestätte schätzt.

Von der Küste aus halten wir uns grob ostwärts. Schaut man sich die Dimensionen der Türkei auf der Landkarte an, so liegen noch knapp 2000 Kilometer zwischen uns und der Ostgrenze zum Iran. Über den Egirdirsee und Konya kommen wir zügig voran. Einzig das Tanken nimmt immer etwas mehr Zeit in Anspruch. „Cay?“, heißt es dann immer. Der süße Schwarztee ist für uns eine willkommene Abwechslung und Ausdruck herzlichster Gastfreundschaft der Türken. Das Interesse ist groß, die sprachliche Gemeinsamkeit sehr begrenzt. Mal wird die englisch sprechende Schwester übers Handy zurate gezogen, mal das Schulbuch des Sohnes angeschleppt oder einfach auf der Rückseite des Busfahrplans das Anliegen bebildert.

Auf dem langen Weg nach Aksaray taucht in der Ferne schon bald die Silhouette des Vulkans Hasan Dagi auf. Zusammen mit seinen beiden Brüdern wird er für die Entstehung der faszinierenden, fast schon surrealen Tuffsteinlandschaft Kappadokiens verantwortlich gemacht. Heftige Erup-tionen, der Zahn der Zeit und diverse Witterungseinflüsse schufen hier eine bizarre Welt aus Tuffpyramiden und anderen Felsformationen. Die engen Schluchten lassen sich herrlich durchwandern, und immer wieder trifft man auf in den Fels geschlagene Behausungen und Höhlenkirchen. Noch vor Sonnenaufgang werde ich von einem unregelmäßigen Zischen aus dem Schlaf geweckt. Beim Blick aus dem Zelt ist der Himmel mit einer Vielzahl bunter Ballons überzogen. An deren unterem Ende hängt jeweils ein Korb mit 20 Passagieren. Eine ganze Weile schaue ich zu und bin begeistert, wie gekonnt die Ballons durch die engen Schluchten manövriert werden.

Einen krassen Gegensatz zu den endlosen Asphaltbändern des zentralanatolischen Binnenlands bietet der Weg hinauf zum Nemrut Dagi, dem Thron der Götter. In engen Kehren windet sich das Kopfsteinpflastersträßchen in die Höhe. Perfekte Motorradbedingungen, eigentlich. Wären da nicht diese kleinen Unzulänglichkeiten. Ich friere, bin noch hundemüde und kann durchs beschlagene Visier kaum die Fahrbahn erkennen. An eine saubere Linie ist nicht zu denken. Zum Glück sieht’s ja keiner. Der Wirt der Herberge hatte uns noch vor fünf Uhr geweckt, damit wir den Sonnenaufgang auf dem Gipfel erleben können. Wir sind trotzdem spät dran und müssen uns sputen. Die letzten Meter stolpern wir mit den Crossstiefeln durchs Gestein und erreichen gerade noch rechtzeitig die Ostterrasse am Gipfel. Das kühle Blau am Horizont weicht schnell dem warmen Orange der ersten Sonnenstrahlen. Tief unten in der Ebene kann man die Ausläufer des riesigen Atatürk-Stausees erkennen. Die Aussicht vertreibt das letzte bisschen Müdigkeit.

Kirchgessner
Grandios: Bucht von Kaputas.

Die Abfahrt gelingt um Welten besser. Mit warmen Gliedern fährt es sich eindeutig run-der. Den Schwung nehmen wir mit ins Tal und werden erst am Wasser von dem hier verkehrenden Fährboot gebremst. Der Lademeister platziert uns in erster Reihe auf der Laderampe des Kahns. Keine 15 Minuten später rollen wir wieder von der Fähre. Über Siverek und Diyabakir geht es zügig durch die Harran-Ebene. Hier wird gerade mächtig in den Straßenbau investiert.

Zweispurige Trassenführung ist ein Muss. Bei Silvan sind wir bereits so eingestaubt, als hätte uns jemand mit Puderzucker überzogen. Allmählich tauchen am Horizont die östlichen Ausläufer des Taurusgebirges auf und bringen uns wieder in die Höhe. Die weiten Grasflächen werden immer wieder von kleinen Nomadenzelten weiß gesprenkelt, als ob es hier ein Maler ziemlich eilig gehabt hätte. Irgendwann rückt in der Ferne der Nemrut Dagi in den Blick. Nicht, dass wir im Kreis gefahren wären.

Der Namensvetter des Götterthrons ragt im Südosten des Vansees über dessen seifigem, sodahaltigem Wasser auf. Die Straße folgt noch einige Kilometer dem Verlauf des Südufers, dann hangelt sie sich hoch, mitten hinein ins schroffe Gebirge. Am Kuskunkiran-Pass packen uns heftige Windböen, bringen unsere voll bepackten Maschinen kräftig ins Wanken. Immer wieder passieren wir nun militärische Kontrollpunkte, ständige Begleiter in dieser Region. Die mit Sandsäcken verstärkten Posten sind voll besetzt, unter den Stahlhelmen schauen uns junge Soldatenaugen aufmerksam an. Einer Achterbahn gleich zieht sich bei Bahcesaray die Schotterpiste durch tief eingeschnittene grüne Täler und über kahle Pässe dahin. Fahrspaß, ja fast Rallye-Feeling in Reinkultur. Gerade als die Sonne hinterm Horizont verschwindet, erreichen wir den Kraterrand des Nemrut Dagi und blicken in die Caldera mit ihrem See aus geschmolzenem Eis. Dort unten wollen wir unser Zelt aufschlagen. Wir sind fast da - und dieses Mal versperrt uns garantiert keine Metallschranke den Weg.

Infos

Werel
Reisedauer: 30 Tage. Gefahrene Strecke: 4200 km.

Die Türkei ist mehr als nur ein Land: Von Istanbul, dem pulsierenden Tor zum Orient, über die Mittelmeerküste zur bizarren Tufflandschaft Kappadokiens bis in das einsame Hochland Südostanatoliens gibt es eine ganze Welt zu entdecken.

Anreise:
Es gibt aktuell zwei Möglichkeiten, die Türkei von Deutschland aus mit dem eigenen Fahrzeug zu bereisen: über den Landweg (ca. drei bis vier Tage von Süddeutschland aus) oder mit dem Autoreisezug „Optima-Express“ Villach-Edirne. Die Zugfahrt dauert 30 Stunden. Fahrplan und Online-Buchung unter www.optimatours.de. Kosten der Fahrt (einfach, pro Person und Motorrad) ca. 250 Euro im Sechser-Abteil. Die Reederei Marmara Lines hat die Strecke Ancona-Cesme-Ancona 2011 eingestellt. Laut Auskunft der Reederei ist es momentan auch nicht absehbar, ob der Dienst 2012 wieder aufgenommen wird.

Reisezeit:
Wer die gesamte Türkei bereisen möchte, sollte dies im Frühjahr oder Herbst tun, wenn im ganzen Land für Motorradreisende angenehme Klimaverhältnisse vorherrschen. An der Küste und im west- bzw. südanatolischen Binnenland ist es nicht zu heiß, und die Bergpässe des zentral- und nordostanatolischen Binnenlands sind schneefrei. Im Mai und Oktober kann es dort jedoch noch oder schon wieder recht frisch sein.

Dokumente:
Erforderlich ist ein noch mindestens sechs Monate gültiger Reisepass, in den das Fahrzeug bei der Einreise eingetragen wird, sowie eine grüne Versicherungskarte. Da die meisten Versicherer den asiatischen Teil der Türkei nicht einschließen, sollte am besten schon zu Hause eine zeitlich begrenzte Zusatzversicherung (ca. zehn Euro pro Woche) abgeschlossen werden. Internationaler Führer- und Fahrzeugschein sind nicht erforderlich.

Motorradfahren:
Die Verhältnisse auf türkischen Straßen sind bisweilen leicht chaotisch, die Straßen selbst jedoch oft besser als in vielen EU-Ländern. In Zentral- und Ost-anatolien findet man wenig Kurven, während man an den Küsten und im Gebirge das Kurvenräubern genießen kann. Streckensperrungen sind gänzlich unbekannt, sodass Offroad-Fans voll auf ihre Kosten kommen: ein schier unendlich scheinendes Labyrinth an Naturwegen im Taurusgebirge bis auf 2500 Meter Höhe, in Zentralanatolien lang gestreckte, schnell befahrbare und im Osten wieder sehr kurvige, bis auf 3000 Meter Höhe reichende Pisten. Die Spritpreise haben es in sich: Für einen Liter Benzin zahlt man über 1,80 Euro.

Übernachten:
An der türkischen Mittelmeerküste und in der Nähe der Hauptsehenswürdigkeiten gibt es zahlreiche Campingplätze, Pensionen und Hotels aller Preisklassen. Je weiter man ins Landesinnere und nach Osten kommt, um so kleiner wird die Auswahl. Freies Zelten ist abseits von Privatgrund und Nationalparks und vor allem im einsamen Landesinneren gut möglich.

Geld:
Währung ist die Neue Türkische Lira YTL (aktueller Kurs: 1 Euro = 2,45 YTL). Bargeld kann mit Kredit- und meist auch EC-Karten in allen größeren Orten abgehoben werden. Als Direktzahlungsmittel werden Kreditkarten nur in gro-ßen Hotels und Touristenhochburgen problemlos akzeptiert.

Literatur/Karten:
Empfehlenswert Türkei-Reiseführer, Michael Müller Verlag, 24,90 Euro. Karte: Türkei von Reise Know-How, 1:1 100 000, 8,90 Euro. Weitere Informationen bieten die Touristikbehörden, zum Beispiel unter www.reiseland-tuerkei-info.de.

Geführte Touren:
Das MOTORRAD action team bereist die Highlights im Westteil. Infos: www.actionteam.de, Telefon 07 11/1 82/19 77.

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