Motorradtour Allgäuer Alpen, Österreich, mit Hahntennjoch

Motorradtour Allgäuer Alpen, Österreich
Fahrt durch die höchsten Berge der Region

Veröffentlicht am 04.12.2024

Gestern Nachmittag schoben schwere Nebelschwaden durch das Bolgenachtal zum Riedbergpass. Die Nachwehen eines tropischen Regens, der uns mehrfach unter schützende Dächer trieb. Der Regen hatte unsere Königsetappen-Vorfreude auf Erbsengröße schrumpfen lassen. Aber jetzt, mit dem frühen Morgen, steigen die Wolken, die Temperaturen und wir in die Sättel der taufrischen Transalps. Letzte feuchte Flecken auf dem Riedbergpass verdampfen und mit ihnen die angemuffelte Stimmung. Diana legt ordentlich vor und ich frage mich, wo ich am besten ein Aufmacherbild für diese Tour machen kann.

Fahrt über Deutschland höchste Passhöhe

Die Passhöhe, obwohl mit 1.409 Metern Deutschlands höchste, ist schnell vorüber und wir lernen beim Abschwung nach Balderschwang, dass ich nicht der einzige Fotofreund bin, der früh aufgestanden ist: Am Parkplatz Scheuen Alp üben sich die Lichtbildner der Polizei in Porträtfotografie. Uns lichtet man Gott sei Dank nicht ab. Apropos Gott: In Balderschwang hat der liebe Gott eine eigene Radiostation. Zumindest für die katholische Fraktion funkt Radio Horeb von Balderschwang aus in den Rest der Republik.

Sky-Drive Feeling am Hochtannbergpass

Auf dem Routenplaner hatte er sich noch hinter der nüchternen Bezeichnung "L 200" verborgen. Jetzt klettert der Hochtannbergpass über die Berge ins Lechtal. Je höher wir kommen, desto mehr Verkehr bleibt zurück. Und dann mausert er sich stellenweise zum regelrechten Sky-Drive. Wie am amerikanischen Grand Canyon zieht ein gewaltiger Zirkelschlag aus Beton und Asphalt hinaus aufs Tal, um sich nach 180-Grad-Drehung wieder der sicheren Bergflanke zuzuwenden. Wo kann man hier halten, um das festzuhalten? Da! Rechter Hand ein kleiner Parkplatz mit Kiosk! Blinker rechts, Seitenständer links.

"Wir fahren oft hier rauf. Wenn es am Bodensee im Herbst zu neblig oder im Sommer zu heiß wird, ist das hier unser Ort." Der Fahrer der fast historischen Guzzi-California III kommt ins Schwärmen. Diana und ich vergessen darüber schnell, dass der Kiosk-Kaffee aus dem Pappbecher vorwiegend das Aroma seines Behältnisses in unsere Münder spült. Zum Ausgleich lockt die visuelle Pracht der Landschaft. Die California und das Silberhaar rollen wieder Richtung Bodensee. Wir weiter vom Hochtannbergpass zum Hahntennjoch. Bis zum Schreckmoment.

Schreckmoment im Tunnel

Wenn man sich erst mal eingegroovt hat, fährt es sich oft wie von selbst. So auch am ersten Anstieg zum Hahntennjoch. Doch die üppige Breite des Lechtals weicht sparsamer Asphaltierung entlang einer Steilwand. Fangzäune sollen vor Steinschlag schützen. Dennoch ist die Fahrbahn von Gesteinsnarben übersät. Intuitiv lassen wir es eine Spur softer angehen, überholen den Peugeot vor uns noch nicht. An freier Sicht hapert es auch gerade und voraus ist eine Engstelle mit einem Naturtunnel erkennbar. Als hätte ich es geahnt: Der Peugeot hält auf den uneinsehbaren Tunnel zu. Just als er fast da ist, kommt ihm ein Motorrad in völliger Fehleinschätzung der Situation entgegen. Jetzt muss es knallen! Bremslichter, ABS-Stakkato, Adrenalinschübe. In letzter Sekunde kommen die Fahrzeuge nur Zentimeter voreinander zum Stehen!

Der metallische Geschmack im Mund weicht nur langsam. Die Idylle von Bschlabs mit seinem Zwiebelkirchturm versucht ihr Bestes, den Blutdruck wieder auf ein verträgliches Niveau zu senken. Feierabend? Im Prinzip ja. Doch das Abendlicht flutet alles mit Knallerfarben, sodass die Passhöhe Pflicht ist. Fahren wir noch? Ja, und wir werden belohnt. Die supersmoothen Kehren bei Pfafflar machen den Tunnelschreck vergessen.

Endloser Verkehr am Fernpass

Oben angekommen sind wir nicht alleine. Zwei Italienerinnen auf einer KTM 790 und einer MT-09 schwirren mit ihren Handys herum, genießen die Panorama-Kulisse für ihre Bikes. Muss ich jetzt auch? Klar! Denn das hier ist die Krone. In Sachen Kulisse auf jeden Fall. In Sachen Fahrvergnügen? Ich halte noch einen Trumpf in der Hand. Man muss sich im Überschwang der Gefühle ja nicht gleich blank spielen.

Der nächste Morgen will mir noch nicht recht geben. Denn es ist ein Kreuz mit dem Fernpass. Verdient hat er es nicht. Doch als Zubringer zum Brenner und zum Reschenpass wälzt sich ein nicht enden wollender Strom an Vehikeln aller Art über ihn. Das Gewusel aus Kehren, gespickt mit mobilen Hindernissen auf vier und mehr Rädern, fordert unsere Konzentration. So viel, dass wir den ersten Abzweig nach Bichlbach verpassen. Aber es gibt einen zweiten, nördlichen und damit kehrt fast wieder Ruhe ein. Denn Berwang strotzt vor Pensionen, Hotels, Outlets und Skiverleihern.

Route über das Namloser Tal

Wir fahren weiter bis zu einer Bushaltestelle. Genau hier zweigt die Route ins Namloser Tal ab. Trumpf! Fast 20 Kilometer weit mäandert die Straße nicht durch das Namloser Tal, sondern darüber. Der Talgrund bleibt im Schatten verborgen, während wir auf halber Höhe auf dem südlichen Hang entlangsurfen. Famos! Von links kaskadiert der Karbach sprudelnd in die Tiefe, vor uns trudelt die Straße abwärts. Klar, dass auch hier Porträtfotografen auf lohnende Gesichter warten. Zu warten gibt’s für uns nichts, im Gegenteil. Über das Tannheimer Tal ist es jetzt nur noch ein Katzensprung zum Oberjochpass und zurück nach Sonthofen.