Keine Lust auf Winter, Regen, Kälte und Dunkelheit? Dann bietet sich die kleine Winterflucht auf die Kanaren an. La Palma - die schöne Insel - hat alles, was man im deutschen Februar vermisst.
Keine Lust auf Winter, Regen, Kälte und Dunkelheit? Dann bietet sich die kleine Winterflucht auf die Kanaren an. La Palma - die schöne Insel - hat alles, was man im deutschen Februar vermisst.
Was zeichnet ein Motorrad-Paradies aus? Temperaturen im Wohlfühlsektor jenseits von 20 Grad, Sonne, grandiose Landschaf-ten, spannende Bergstraßen, bei denen der Anteil langweiliger Geraden an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert, wenig Verkehr und eine Infrastruktur, die entspanntes Reisen ermöglicht. Utopie im mitteleuropäischen Februar? Sicher, aber nur vier Flugstunden entfernt ist die Winterwelt eine andere. Gestern morgen habe ich noch Schnee geschoben, jetzt sehe ich im Rückspiegel meiner Transalp drei weitere Hondas, die mit der Bergstraße tanzen. Uns Piloten - Andrea, Birgit, Nico und Jo - ist eines gemeinsam: das breite Dauergrinsen im Gesicht, die Begeisterung, endlich wieder unter optimalen Bedingungen zu fahren.
Die Topografie La Palmas ist ein Versprechen an sich. Ein langer und fast 2000 Meter hoher Bergrücken mit un-zähligen Vulkankratern steigt am Südkap aus dem Atlantik, teilt die Insel auf seinem Weg nach Norden und schwingt sich schließlich zu einem gewaltigen Halbrund auf, der Caldera de Taburiente, bewacht vom höchsten Punkt der Insel, dem 2426 Meter hohen Roque de los Muchachos. Wind, Wetter und Vulkanausbrüche haben tiefe Schluchten, Barrancos, in die Flanken der Berge gefräst, zwingen die Straßenbauer zu abenteuerlichen Trassen.
Als Aperitif für unsere Kreuzfahrt nehmen wir Kurs auf die Südspitze der Insel, junges Land, erst vor 41 Jahren geboren. Damals erschuf sich der brandneue Vulkan Teneguia, spuckte 26 Tage Feuer, Asche und Lava, die bis hinunter ins Meer floss. Dieses neue Stückchen Erde sieht noch heute so aus, als wäre der Vulkan erst vor ein paar Wochen erloschen. Rote, gelbe und braune Lava-brocken bilden ein wüstes Labyrinth. Aus Spalten im porösen Boden atmet die Erde ihren stinkenden Atem, heiß genug, um sich die Finger zu verbrennen.
Eine schmale Piste hangelt sich vom Teneguia durch lichten Kiefernwald hinauf nach Las Indias. Die grobkörnige schwarze Asche knirscht unter den Reifen der Transalp, bis die Gummis auf der bestens geteerten Ringstraße LP 1 wieder vernünftigen Grip finden. Die LP 1 umrundet die Insel, benötigt dafür etwa 180 Kilometer und gefühlte 5000 Kurven. Lediglich der Abschnitt rund um die Hauptstadt Santa Cruz ist nervig, der Rest aber purer Genuss. Die Ostseite der Insel ist garniert mit kleinen bunten Häusern, schmucken Orten, Palmen und Feldern. Die üppige Vegetation ist nach dem Winterregen sub-tropisch grün. Passatwolken branden von Nordosten gegen die Berge.
Nur gelegentlich schwebt weit über den Wolken einer der braunen Gipfel, erscheint gewaltig hoch und unerreichbar fern. Dort oben wollen wir hin, zum höchsten Berg La Palmas. Hinter Santa Cruz biegen wir ab, nehmen Kurs auf die dunkle Wand der Berge. 2400 Höhen-meter liegen vor uns, eine Traumstraße, die es locker mit den besten Alpenpässen aufnehmen kann. Wie ein Wollknäuel, mit dem eine Katze stundenlang gespielt hat, kringelt sich das Teerband durch den Wald aus alten, knorrigen Kiefern berghoch. Bis uns urplötzlich die Wolken verschlucken.
Null Sicht, es ist kalt und nass. War nicht eben noch Frühling? Langsam tasten wir uns durch die Waschküche. So also sehen Passatwolken von innen aus. Was nun, sollen wir umkehren? Oder gemäß dem Prinzip Hoffnung noch ein paar Kurven weiter im Nebel stochern? Wird es dahinten nicht heller? Und ob, schlagartig rauschen wir aus der grauen feuchten Pampe, werden vom warmen Abendlicht geblendet. Unter uns liegen die Wolken wie ein riesiges Meer aus weicher, weißer Watte, branden gegen die Berge und verzaubern die mächtigen Kiefern im Gegenlicht zu fabelhaften Wesen.
Schneeflecken säumen die letzten Meter der Straße bis hinauf zum Gipfelplateau. Noch ein paar Kurven, dann parken wir die Transalps direkt an der senkrechten Kante der Caldera de Taburiente. Völlige Stille, außer uns kein Mensch weit und breit. Die nassen Jacken dampfen in der Sonne. Vor uns breitet sich das Halbrund des Kraters aus. Zerklüftete Felsen stürzen fast zwei Kilometer in die Tiefe. Dort unten gedeiht, geschützt durch den gewaltigen Bergkessel, eine üppige Flora. Aber davon ist jetzt nichts zu sehen. Die Wolken blenden die Welt da unten einfach aus. Nur die höchsten Berge ragen aus dem flauschigen weißen Meer. Weit. Im Südosten können wir sogar die verschneite Spitze von Spaniens höchstem Berg erkennen, den 3718 Meter hohen Vulkan Pico del Teide auf der Nachbarinsel Teneriffa. Ein überirdisch schönes Panorama.
Auch das Gipfelplateau des Roque de los Muchachos scheint nicht von dieser Welt zu sein. Ein Rudel Ufos hat sich die karge Landschaft als Landeplatz ausgesucht. Was aussieht wie die Invasion aus dem All dient viel mehr der Erforschung desselben. In den silbernen Kuppeln der Observatorien suchen Sternenforscher nach schwarzen Löchern und fernen Galaxien. Die extrem klare Luft sorgt für optimale Bedingungen. Damit das so bleibt, hat die Inselregierung ein einzigartiges Gesetz gegen die Lichtverschmutzung beschlossen, schreibt den Orten La Palmas vor, welche Straßenlampen und Leuchtreklamen erlaubt sind.
Je näher die Sonne dem Horizont kommt, desto kälter wird es hier oben. Trotzdem warten wir, bis es in der mondlosen Nacht völlig dunkel ist, lassen uns vom lautlosen himmlischen Sternen-Spektakel faszinieren. Fast schmerzt der Lärm, als wir schließlich die Hondas starten, um durch das Kurvenlabyrinth hinunter in den Frühling an der Westküste zu wedeln, wo wir so spät abends noch ein kleines Restaurant finden. Lauwarmer Wind säuselt durch die Palmen, begleitet vom sanften Rauschen der Wellen am schwarzen Strand. Zikaden stimmen ihr allabendliches Konzert an, gestört vom Quaken der Frösche. Kitschig, aber wahr. Winternächte können was Feines sein …
Anderntags legen wir uns mit der Nordküste an. Muss ich noch erwähnen, dass es auch hier vor Kurven nur so wimmelt? Normalität auf La Palma und perfektes Terrain für die neue Transalp, die spür- und hörbar mehr Spaß macht als ihre 650er-Vorgängerin. Der Norden wird dank der Passatwolken gut gewässert. Üppige Moose, Bäume, Blumen und Farne. Kleine Wasserfälle stieben in tiefen Schluchten aus dem dichten Lorbeerwald. Hin und wieder begegnen wir uralten Drachenbäumen, eigenartigen Gewächsen, die den Ureinwohnern, den Guanchen, heilig waren. Weniger Respekt hätten die Guanchen sicher den monotonen Bananenplantagen an der Nordostküste entgegengebracht.
In riesigen und hässlichen Gewächshäusern werden hier EU-Norm-konforme Einheitsbananen gezüchtet. Nachdem wir das Dach der Insel gesehen und das Erdgeschoss auf der Küstenstraße erfahren haben, wird es Zeit für einen Blick in das erste Stockwerk: das Innere der Caldera de Taburiente. Eine schmale Teerspur verlässt Los Llanos, durchquert erst eine weitere Bananenrepublik, dann einen glasklaren Fluss und klettert am Rande der Schlucht los Angustias steil bergan. Kiefern, Mandelbäume und Kakteen engen den Weg ein, der nach 15 Kilometern am Aussichtspunkt Los Brecitos endet, der wie ein Balkon auf halber Höhe im gigantischen Amphitheater der Caldera schwebt. 1000 Meter unter uns plätschern Bäche, 1000 Meter über uns kleben Schneereste in den Felsen. Jede noch so steile Wand ist von Farnen, Büschen und Blumen besetzt. Schon wieder so ein kleines Paradies, eine eigene Welt, abgeschlossen und behütet vom Dreiviertelrund der Kraterwände. Apropos Paradies, es ist Februar, das Thermometer zeigt 23 Grad, und die Hondas warten nur auf die nächste Bergstraße. Vielleicht sollten wir unsere Rückflugtickets verbrennen und einfach hier bleiben - auf der Isla Bonita.
Anreise:
Von den größeren deutschen Flughäfen düsen diverse Charterflieger fast täglich direkt nach La Palma. Tickets gibt es ab etwa 300 Euro, als Sonderangebot sogar ab 200 Euro. Die Flugzeit beträgt etwa vier Stunden.
Reisezeit:
La Palma zählt zu den regenreichsten Inseln der Kanaren, was aber nichts vom Reiz der perfekten Winterflucht nimmt. Die hohen Berge bilden für die von Nordosten anrückenden Passatwolken eine unüberwindliche Barriere. Kurze und kräftige Schauer sind deshalb vor allem an der Nord- und Ostküste im Winter möglich. Entlang der Küste wird es im Winter etwa 20 bis 22 Grad warm, im Sommer kann das Quecksilber bis 30 Grad zeigen.
Übernachten:
In den meisten Orten finden sich einfache Zimmer ab etwa 20 Euro. Daneben gibt es zahlreiche Appartements, die über Reisebüros wochenweise gebucht werden können. Wer die Motorräder bei Autos Soyka mietet, kann hier auch günstige Appartements in Los Llanos reservieren. Los Llanos oder Santa Cruz eignen sich als Basislager, weil von hier alle Punkte der Insel bequem erreicht werden können.
Motorräder:
Autos Soyka vermietet Honda XL 125 (316 Euro/Woche) und Transalp XL 650/700 V für 435 Euro/Woche. Deutschsprachige Infos bei Brigitte Soyka, 38760 Los Llanos de Aridane, Mobiltelefon 00 34/ 6 09 35 54 29 oder 00 34/ 9 22 46 33 90, E-Mail: -autosoyka@gmx.net, www.autosoyka.de
Aktivitäten:
La Palma gilt als Dorado für Trekkingfreunde. Eine Vielzahl spannender Wanderwege durchzieht die Insel. Der eindrucksvollste Weg verläuft von der Südspitze der Insel entlang des Berg-rückens Cumbre Vieja (Ruta de los Volcánes) und umrundet dann die Caldera de Taburiente. Bei schönem Wetter ein grandioses Erlebnis, für das vier bis fünf Tage eingeplant werden sollten. Auf Tagestouren kann man die Bergwelt im Inneren der Caldera de Taburiente erkunden.
Literatur:
Gewohnt gutes Material kommt vom Reise Know-How Verlag. Der La Palma-Führer für 14,90 Euro liefert detaillierte Infos und beschreibt sogar die möglichen Wanderungen. Die Karte „La Palma, Gomera, El Hierro“ im großen Maßstab 1:50000 bietet eine übersichtliche Darstellung und zuverlässige Infos. Empfehlenswert ist auch das La Palma-Handbuch aus dem Michael Müller Verlag für 15,90 Euro.
Adressen:
www.lapalma.de, www.la-palma-aktuell.de, www.la-palma-service.de, www.vamos-a-lapalma.de